Sozusagen von Haus aus zugehörige Grundeigenschaften dieser Leute,
um die es da zunächst mal geht, dieses formativen Kerns.
Das waren erst mal teilweise noch relativ weltläufige, hochgebildete Leute.
Es war ja eine intellektuelle Elite erst mal, die das Ganze,
und die wussten schon sehr viel, und sie haben auch in den 20er Jahren noch vergleichsweise, ja.
Anspruchsvolle Diskussionen geführt über die neue sozialistische Ökonomie und
wie man nun eigentlich mit all dem, was man davor findet, umgeht und so weiter und so weiter.
Psychologie, Soziologie, das ist ja alles noch im Pott. Aber wenn es unter dem Primat steht,
erstens der Partei-Disziplin, zweitens dessen,
dass es eben ein für allemal einen Kanon von richtigen und falschen Ideen gibt oder Theorien,
ja, dann, das ist darin angelegt,
in dieser Hybris des Weltwissens,
ja, und der Optipotenz, dass man dann natürlich diesen Spielraum immer mehr
verengt und dass auch dieser künstlerische Ausbruch zum Beispiel der 20er Jahre,
der sich ja gerade aus dem sich
öffnenden, leeren Raum, ja, man hatte unheimlich viel Platz scheinbar.
Also auf dieser Travula rasa konnte man dann ganz fantastische Gebilde,
aber diese Utopisten der 20er Jahre, die werden ja alle in den 30er Jahren dann
eingestampft oder stürzen,
wie ich gesagt habe, wie Icarus mit brennenden Flügeln vom Himmel und da gehören
sie dann auch hin in die Siele der Erschießungskeller oder sonst etwas oder in die Hinterzimmer.
Also das ist schon mal die eine Grundbewegung.
Aber das fast Fatale ist ja, dass die Kommunisten,
weil sie eben das für sich in
Anspruch nehmen und weil sie sich so als Schöpfer einer neuen Welt sehen,
es auch fast so tun müssen, weil sie müssen ja überhaupt ihr Subjekt.
Sie nennen es Arbeiterklasse, aber das ist ja im Grunde eine aus allen Schichten
der Gesellschaft zusammengeholtes,
vor allem aus dem jugendlichen Material der Gesellschaft heraus,
entwickeltes, zusammengeschweißtes, indoktriniertes, neues Subjekt,
die Partei oder die Nomenklatura, wie Sie es nennen wollen.
Ja, es ist eine Gesellschaft in der Gesellschaft.
Das ist ja, was sich hier ausbildet. Und die muss man formatieren.
Ja, die muss man, also heute würden wir sagen, formatieren. Ja,
mit einem Betriebssystem versehen und die Dinge einspeichern,
aber alle Fäden zur Welt draußen abkappen.
Ja, das ist auch das Eigentümliche.
Und das sind ja auch die Figuren der Führer dann. Lenin, okay,
war noch da draußen in der Welt, weil er auch Emigrant war, aber er hat sich
übrigens immer nur für Russland interessiert, also von Paris oder London,
aber hat er nicht viel mitbekommen.
Mao ist aus China kaum rausgekommen, Stalin auch kaum.
Also die sind alle eigentlich sehr stark in ihre Welten eingeschlossene Leute.
Und das gilt für dann diesen ganzen neuen Kaderstamm.
Also eine große Unbekanntheit mit der Welt da draußen. Und da ja alle möglichen neuen Ideen des 20.
Jahrhunderts als bürgerliches Denken verfehlt sind und jemand,
der sie, sagen wir mal, Gen-Theorien oder sowas in der stalinistischen Sowjetunion versucht,
sogar ganz ingenieus zu entwickeln, ja, der kann dann eben im Lager oder auch
im Erschießungskiller landen, weil er ist ist jemand, der das gesunde Denken
unserer proletarischen Massen versorgt.
Und dann gibt es noch das Geheimnis der Selbstzerfleischung der Kommunisten.
Das muss man sagen, ist ein Kriterium oder ein Merkmal,
dass alle diese kommunistischen Parteien, die zur Macht drängen oder an der
Macht gewesen sind oder daran gekommen sind, auch gegenüber zum Beispiel den
faschistischen Bewegungen ausgezeichnet hat.
Also Hitler wäre nicht so schnell auf die Idee gekommen, dass Bormann schon
seit 1918 ein Agent der Briten ist oder so.
Ja, also die innere Kohorte,
sowohl bei Mussolini wie bei den Nazis, bis auf den Röhrenputsch,
aber das war tatsächlich ein Machtanspruch der SA, hat sich nicht zerfleischt,
nicht in dieser paranoiden Weise.
Jetzt kann ich sagen, ja, das ist eben die Paranoia von Stalin oder von Mao
oder so, aber was drückt, oder von Ceaușescu oder was weiß ich,
da können Sie dann fast alle nehmen, aber was drückt diese Paranoia aus?
Sie drückt eben aus, dass man in einer inneren Welt lebt, in der erstens alles
von personalen Beziehungen und Loyalitäten abhängt.
Ja, man braucht eine Machtkohorte und Verrat oder Unzuverlässigkeit oder vielleicht
auch irgendeine eigene Machtambition ist da tödlich gefährlich.
Es sind ja Führerbewegungen.
Also die kommunistischen Bewegungen werden ja alle Führerbewegungen.
An diesem Führer hängen sie alle und zwar auch strukturell, weil nur in diesem
Führer symbolisiert sich, verkörpert sich buchstäblich die Macht der Partei.
Dann hat der Führer aber auch über die Parteimacht und ist voller Misstrauen,
was da um ihn herum passiert.
Aber dieses Misstrauen wird richtig paranoid da,
wo die gesellschaftliche Basis eigentlich völlig schwankend ist,
wo man sich völlig eingeebnet hat, wo man sich auf keine festen Strukturen stützen
und verlassen kann, denn die hat man ja alle eingeebnet.
Dann hat man noch sowas wie das Militär in der Sowjetunion. Ja,
da muss auch das Militär zerschlagen werden.
Tukhachevsky Prozess. Also alle Strukturen sind eigentlich, man muss sie ständig
neu schaffen, aber sie sind auch verdächtig. Also ständiger Personalwechsel.
Man hat sogar von Blutaustausch im großen Terror gesprochen.
Ja, also ins Militär, in den Geheimdienst, in das Industrieministerium,
lauter junge Leute, fast von der Universität weg.
Das sind jetzt Stalins Leute, ja, und die anderen weg damit.
Dann kommt auch noch der wölfische Aufstiegshunger dieser jungen,
wird Vizenzen nannte man, dieser Aufsteiger in der Sowjetunion,
die selber die denunziert hatten, auf deren Plätze sie wollten.
Dann wird das Ganze ein halbes Irrenhaus schon in der Stalin-Zeit.
Und man kann sich eher fragen, wie es überhaupt funktioniert hat.
Es hat auch nicht funktioniert.
Aber dann kommt Hitler und dann kommt der Zweite Weltkrieg.
Und dann kommen die faschistischen Angriffe, die faschistischen Weltreichsgründungsversuche,
und die sind es, die eigentlich in deren Spuren dann die zweite Welle dieser
kommunistischen Neugründungen und einer kommunistischen Weltbewegung entsteht,
wenn ich jetzt mal etwas vorgreife.
Schon wieder ist es ein zweiter.
Weltkrieg, der die eigentliche Entwicklungsbasis schafft, die Voraussetzung,
damit wieder relativ kleine kommunistische Parteien jetzt zum Teil an der Spitze
nationaler Befreiungsbewegung oder antifaschistischer Widerstandsbewegung dann
tatsächlich im Krieg oder nach dem Krieg nach der Macht greifen können.
Plus die nach Berlin vordringende Rote Armee. Das ist natürlich das Entscheidende.
Und die bis in die Manchurei vordringende Rote Armee.
Das schafft von vornherein eine ungeheure eurasische Machtspanne,
die es ja so vorher nie gegeben hatte.
Es entsteht also der Umriss eines Superimperiums, muss man fast sagen,
in Gestalt dieser Sowjetunion.