Transkript von Episode 91: Von Mao bis Xi – mit Felix Wemheuer

ACHTUNG: Das Transkript wird automatisch durch wit.ai erstellt und aus zeitlichen Gründen NICHT korrigiert. Fehler bitten wir deshalb zu entschuldigen.


Und ich glaube aber, das chinesische politische System ist nicht die Diktatur
von einer einzelnen Person.
Diese Partei mit über 90 Millionen Mitgliedern ist doch ein riesiger Apparat,
wo es auch verschiedene Interessensgruppen gibt, wirtschaftlich-politische Konflikte
zwischen Provinzregierungen, unterschiedliche lokale Partikularinteressen und
so weiter, die sich alle in dieser Partei auch widerspiegeln.
Hier ist das neue Berlin.
Hier ist das neue Berlin.
Hallo und herzlich willkommen zur 91. Folge von Das neue Berlin.
Mein Name ist Leo Schwarz.
Ich bin Jan Wetzel.
Und gemeinsam mit Gästen aus den Sozial- und Geisteswissenschaften versuchen
wir hier die Gesellschaft und Gegenwart zu verstehen.
China hat in den vergangenen Jahrzehnten ein historisch beispielloses Wirtschaftswachstum
erlebt und ist hinter den USA die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt.
Zugleich ist China eine Diktatur und wird seit 1949 von derselben Partei beherrscht,
der Kommunistischen Partei Chinas.
In seiner Entwicklung stellt das Land scheinbar in Widerspruch zu den beliebten
westlichen Entwicklungsmodellen der Nachkriegszeit dar, nach denen letztlich
alle entwickelten Länder sich früher oder später in bürgerlich-demokratische
Staaten verwandeln würden.
Ohnehin gibt China mit seiner wechselvollen Geschichte, seinen uralten kulturellen
Traditionen und seiner hybriden politischen und ökonomischen Struktur viele
Rätsel auf, an denen sich westliche Interpreten abarbeiten.
Zugleich kommt niemand mehr an China vorbei, wirtschaftlich,
sicherheitspolitisch und auch beim Kampf gegen die Klimakatastrophe.
Deshalb wollen wir in dieser Sendung eine weite Perspektive auf China einnehmen
und uns einige der zentralen Wandlungsprozesse dieses großen und vielschichtigen Landes im 20. und 21.
Jahrhundert vor Augen führen. Unser heutiger Gast ist Felix Wehmheuer.
Er ist Sinologe und Professor für moderne China-Studien an der Universität zu Köln.
Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Sozialgeschichte Chinas des 20.
Jahrhunderts. Zuletzt erschien sein Buch China, Land von Widersprüchen und Vielfalt
beim Papi-Rossa-Verlag sowie im vergangenen Jahr der von ihm mit herausgegebene
Sammelband Die Zukunft mit China-Denken erschienen bei Mandelbaum.
Felix, schön, dass du da bist.
Ja, hallo, danke für die Einladung.
China gehört ja in seiner wechselvollen Geschichte des 20.
Jahrhunderts zu den großen, den ganz bedeutsamen Staatengründungen im kommunistischen,
sozialistischen Lager.
In einem deiner Bücher schreibst du, dass du China trotzdem nur eher als ein
semi-sozialistisches Land, also China unter Mao nur als ein semi-sozialistisches
Land verstehen würdest.
Was genau sind denn eigentlich die Besonderheiten dieses maoistischen,
kommunistischen Chinas im Vergleich auch zu anderen Staatengründungen,
die wir im Laufe des 20. Jahrhunderts beobachten?
Ja, die Volksrepublik China wurde ja 1949 gegründet und ich denke,
es ist in der Geschichte der kommunistischen Weltbewegung das wichtigste Ereignis
nach der russischen Oktoberrevolution von 1917 und dem Sieg der Sowjetunion
über Nazi-Deutschland 1945.
Also China hat durchaus viele Eigenheiten,
aber ich würde die chinesische Revolution von 1949 in eine Gruppe von Revolutionen
einordnen, die im Zusammenhang mit der Dekolonialisierung standen.
In China hat ja nicht die sowjetische Rote Armee, die Kommunistische Partei,
an die Macht gebracht, sondern es war eine weitgehend eigenständige Revolution,
die sich auch auf breite Massen stützen konnte.
Und hat sich auch selbst vor allen Dingen als antikolonial und antifoldal verstanden
und hat sicherlich in diesem Sinne auch mehr Gemeinsamkeiten mit den Revolutionen in Vietnam,
Laos, Korea und Kambodscha als mit den Ereignissen in Osteuropa nach 1990.
1945. Warum spreche ich davon, dass dann China in der Mao-Ära nur semi-sozialistisch war?
China hat ja zunächst auch sich sehr stark am sowjetischen Modell orientiert,
des Aufbaus des Sozialismus.
Und da war immer die Vorstellung da, dass man auf ein System hinarbeitet,
wo privates Eigentum an Produktionsmittel, Grund und Boden, aber auch Kollektiveigentum
dann komplett in einen Staatssektor aufgeht.
Ja, so hat das Stalin zumindest auch formuliert in einer seiner letzten Schriften.
Und in China war es so, dass eigentlich während der gesamten Mao-Ära, also von 1949 bis 1976.
Die Landbevölkerung, wie man in China sagte, außerhalb des Systems stand,
in dem Sinne, dass der sozialistische Wohlfahrtsstaat eigentlich nur für die
urbane Bevölkerung aufgebaut wurde.
Und die Landbevölkerung hat
auch Ende der 70er Jahre noch 80 Prozent der Gesamtbevölkerung ausgemacht.
Und diese Idee, dort sozusagen einen Staatssektor auf dem Land zu schaffen,
das ist auch im Prinzip gescheitert.
Es gab zwar die Volkskommunen, aber innerhalb der Volkskommunen hatten die Bauern
noch Parzellen für private Nutzung.
Und dieser Versuch, die Volkskommune auf so eine Art kommunistisches Eigentum,
auf solche Stufe zu heben, die ist während des großen Sprungs nach vornes 1958, 59 gestaltet.
Und deswegen war auch das System in der Mao-Ära auf dem Land eigentlich schon ein hybrides System.
Ja, vielleicht noch ein Punkt, worin sich dann das maoistische China vielleicht
von der Sowjetunion und osteuropäischen Staaten dann doch unterschieden hat, war,
dass Mao ja sehr oft Massenkampagnen ausgerufen hat, wo er die Bevölkerung mobilisiert
hat und die bekannteste war die Kulturrevolution.
Wo im Herbst 1966 sogar die Bevölkerung zur Rebellion gegen die lokalen Parteiapparate
aufgerufen hat, was dann zu Chaos und dann schließlich zum Bürgerkrieg in einigen
Teilen Chinas geführt hat,
das wäre sicherlich bei diesem sehr regierend kontrollierten sowjetischen System
in der Form nicht möglich gewesen.
Jetzt hast du schon mehrere Ereignisse genannt, die in der Geschichte des maoistischen
Chinas immer wieder erwähnt werden.
Einerseits der große Sprung nach vorne, andererseits die Kulturrevolution,
beides Ereignisse, die man in bestimmter Hinsicht unbedingt als Katastrophen auch einordnen muss.
Im Verlauf des großen Sprungs nach vorne kam es zu einer der,
ich vermute, der größten Hungersnöte, die es überhaupt jemals gegeben hat.
Auch wenn ich mir da bei den Zahlen nicht ganz sicher bin, die Zahlen sind auch ungewiss.
Es geht glaube ich von 20 bis 40 oder 45 Millionen Hungertoten in dieser Zeit.
Du hast dich ja intensiv auch mit der Rolle von Hungerkatastrophen in der Geschichte
des Kommunismus befasst.
Wie konnte es denn zu einer Katastrophe solchen Ausmaßes kommen?
Ja, ich versuche das mal etwas jetzt verkürzt zusammenzufassen, was die Ursachen waren.
Also einmal gab es sicherlich ein schweres historisches Erbe,
das China auch in den 20er und 30er
Jahren ein Land war, in der es oft Naturkatastrophen und Hungersnöte gab.
Und es gibt da verschiedene Berechtigungen,
dass China 1949 also eines der ärmsten Länder der Welt war.
Und vor diesem Hintergrund hatte also die Kommunistische Partei ein sehr ehrgeiziges Programm,
sehr schnell Industrialisierung und Modernisierung nachzuholen und hat sich
dabei eigentlich an dem Modell der stalinistischen Sowjetunion der 30er Jahre
orientiert, wo die Idee war,
dass man vor allen Dingen möglichst schnell eine Schwerindustrie aufbauen muss
und dafür vor allen Dingen die ländliche Bevölkerung mobilisieren muss und auf
die ländlichen Ressourcen zurückgreifen muss.
Und der Staat hat dann ein Monopol für den Aufkauf und Verkauf von Getreide
und anderen Agrargütern Mitte der 50er Jahre aufgebaut,
in dem die Preise für die Bauern zum Verkauf sehr niedrig festgelegt worden sind.
Und das ganze System sozusagen in dieser kurzen Zeit, diesen großen Sprung zu
machen, war also noch risikoreicher als in der Sowjetunion, weil einfach China viel ärmer war.
Hinzu kam natürlich auch...
Eine Reihe von politischen Fehlentscheidungen durch Mao Zedong,
also 1958 wurde die sogenannte Stahlkampagne gestartet,
in dem die Landbevölkerung aufgerufen wurde, also in kleinen Lehmöfen Stahl
zu schmelzen, was aber in den meisten Fällen minderwertiger Stahl war,
der nicht verwendbar war.
Und dann hat man in den Jahren 58, 59 einfach zu sehr die Bauernschaft ausgepresst.
Die Städte sind angeschwollen,
die Urbanisierung ist völlig unkontrolliert dann vonstattengegangen und das
hat einfach die Landwirtschaft und die Landbevölkerung völlig überlastet.
Und es war eigentlich schon im Frühjahr 1959, dass Mao selber viele Fehlentwicklungen
gesehen hat und man auch schon leichte Korrekturen eingeleitet hat.
Aber dann gab es im Sommer 1959 die berühmt-berüchtigte Lushan-Konferenz,
wo der Verteidigungsminister Peng Dehuai den großen Sprung nach vorne grundsätzlicher
kritisiert hat, als das Mao-Recht war.
Und dann gab es eine große Kampagne gegen sogenannten Rechtsopportunismus.
Was wieder dazu geführt hat, dass die eigentlich vorgenommenen Reformen wieder
rückgängig gemacht worden sind und Kritik verfolgt und tabuisiert worden ist.
Und das Ganze geht dann eigentlich bis zum Herbst 1960, wo dann die Hungersnot
ein solches Ausmaß erreicht hatte, dass auch die Versorgung der Städte bedroht war.
Und vor diesem Hintergrund war dann auch Mao bereit, das Steuer rumzureißen.
Dann wurde zum Beispiel Getreide importiert statt wie vorher exportiert.
Die Volkskommunen wurden wieder verkleinert. Die Bauern durften wieder selber
zur Eigenversorgung auf den Parzellen zur privaten Nutzung innerhalb der Volkskommunen anbauen.
Und dieses ganze radikale Programm des großen Sprungs von 1958 wurde wieder
zurückgefahren und mit der Landbevölkerung eine Art Kompromiss geschlossen.
Und dann hat sich die Lage 1962, 1963 wieder deutlich verbessert.
Ja, die Zahlen wurden angesprochen.
Da stehen Berechnungen von 15 Millionen bis 45 Millionen Hungertoten im Raum.
Also sicherlich die größte Hungersnot in absoluten Zahlen.
Wenn man das also an der Prozentzahl der Bevölkerung misst, ist es nicht die
größte Hungersnot gewesen.
Und wie kommen diese Zahlen eigentlich zustande? Das ist sehr interessant,
weil in den 80er Jahren wurden aufgrund der Ein-Kind-Politik mehrere Volkszählungen durchgeführt.
Weshalb dann sehr eigentlich detailliertes und ja auch recht gutes statistisches Material vorliegt.
Und auf Grundlage dieser Zahlen haben dann also Demografen und Demografin verschiedene
Berechnungen angestellt, aber ein gewisser Unsicherheitsfaktor bleibt natürlich,
weil es gibt jetzt keine offizielle Bestätigung einer Zahl.
Was ganz interessant ist, also auch in den frühen 2000er Jahren kann man Zahlen
von 10 Millionen und 30 Millionen Toten in offiziellen Veröffentlichungen in China finden.
Mittlerweile werden eigentlich solche Zahlen in der Regel nicht mehr genannt.
Wenn ich mich richtig erinnere, hast du sogar schon als Studierender noch Interviews
geführt mit der bäuerlichen Bevölkerung, also mit Menschen,
die diese Hungerkatastrophe auch selbst erlebt haben.
Das hat mich auch so ein bisschen überrascht, einerseits, dass das so ohne weiteres
für dich möglich war und andererseits, dass es auch sozusagen schon so einen
Generationenbruch in diesen Dörfern offenbar gibt,
bei denen die Jüngeren schon gar nichts mehr davon hören wollen,
dass es mal den großen Hunger gab, den sie selber nicht miterlebt haben.
Also zwei irgendwie Parameter deiner Beschreibung, die mich irgendwie sehr verblüfft haben.
Vielleicht kannst du nochmal kurz sagen, was du da gemacht hast und wie das abgelaufen ist.
Ja, ich habe eigentlich mit den Interviews schon angefangen,
als ich von 2000 bis 2002 in China gelebt habe.
Damals war ich noch als Student an der Volksuniversität in Peking,
war am Institut für Parteigeschichte.
Da habe ich angefangen, also pensionierte Professoren und Professorinnen zu
interviewen, die 1958, 59 aufs Land geschickt worden sind, um den großen Sprung
nach vorne zu unterstützen.
Und dann habe ich später für meine Doktorarbeit auch auf Dörfern Interviews
gemacht in der Provinz Rönnern, wo die Hungersnot besonders schlimm war.
Und was mich damals erstaunt hatte, ist, dass die Zeitzeugen und Zeitzeuginnen
eigentlich sehr ausführlich und sehr offen gesprochen haben über das Hungern,
über das Sterben auf den Dörfern,
über Gegenmaßnahmen wie Unterschlagung, Diebstahl oder Flucht.
Und da die in einigen Dörfern sehr starken Dialekt gesprochen hat,
hatte ich dann auch manchmal Schüler und Schülerinnen dabei,
die dann mir geholfen haben und es sozusagen für mich dann ins Hochchinesische übersetzt haben.
Da war ich auch festgestellt, dass die oft überhaupt gar nicht wussten,
was auf den Dörfern passiert ist oder auch in ihren Familien das oft zum ersten Mal gehört haben.
Und also im offiziellen Narrativ wird also auch der große Sprung nach vorne
als sogenannter ultralinker Fehler gesehen. sehen.
Aber die Partei möchte in der Regel
nicht, dass das Leid so detailliert thematisiert wird in Publikationen.
Deshalb kannten die eigentlich nur diese allgemeinen Floskeln aus den Schulbüchern.
Damals war es noch eine andere Zeit. Anfang noch der Parteisekretär Jiang Zemin
und dann später die Hu Jintao-Ära,
wo es durchaus in der historischen Forschung auch noch größere Freiräume gab als heute.
Ich weiß nicht, ob ich diese Interviews sozusagen heute in dieser Form noch durchführen könnte.
Und ein anderes Problem, was natürlich hinzukommt, ist, dass mittlerweile viele
Menschen, die das selber miterlebt haben, dann auch verstorben sind. Ja, genau.
Ein anderer Aspekt, den du schon angesprochen hast, jetzt in der Beschreibung
der parteiinternen Debatten in dieser Zeit,
der mich immer wieder erstaunt hat,
vermutlich auch aufgrund meines Unwissens, Einfach ist diese seltsame politische
Kultur innerhalb der kommunistischen Partei sich auch teilweise gegenseitig reaktionäres,
revisionistisches oder irgendwie doch antirevolutionäres Gedankengut vorzuwerfen.
Ich glaube auch dieses Moment ist dann nochmal in der Kulturrevolution in irgendeiner
Weise verstärkt wiederzufinden.
Das scheint ja erstmal ein absurder Gedanke, dass innerhalb einer siegreichen
kommunistischen Partei sich sozusagen die Genossinnen gegenseitig der heimlichen
revisionistischen Absichten beschuldigen.
Ist das auch so ein typischer Fall der kommunistischen Paranoia dann auch teilweise
gewesen oder ist das nur Rhetorik gewesen auch teilweise? Wie ist das einzuordnen?
Ja, die Kommunistische Partei Chinas war ja auch sehr stark von den sowjetischen
Debatten beeinflusst und da gibt es ja diesen berühmt-berüchtigten kurzen Lehrgang
der Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion,
der unter Stalin verfasst wurde.
Und da wird eigentlich schon dieses Paradigma etabliert, dass es beim Aufbau
des Sozialismus darum geht, dass sich die richtige Linie gegen die sogenannten
rechts-opportunistischen und ultralinken Abweichungen durchsetzt.
Und auch dieser Kampf um die richtige Linie eigentlich der Schlüssel ist zum Erfolg.
Das hat dann auch Mao im Prinzip übernommen und die Geschichte wurde dann so
geschrieben, auch vom Kampf sozusagen der Rechts- und Linksabweichler gegen
die richtige Mao-Zedong-Linie.
Sicherlich war da auch einiges immer an Paranoia dabei.
Man muss aber auch sagen, dass es Anfang der 60er Jahre in der Partei durchaus
Meinungsverschiedenheiten gab, wie es jetzt nach dieser großen Hungerkatastrophe weitergehen sollte.
Und da gab es eine Strömung, zu der auch schon Liu Shaoqi und Deng Xiaoping
gehörten, die eigentlich gesagt haben,
man muss diesen Kompromiss mit der Bauernschaft noch ausbauen und waren bereit,
also auch zumindest teilweise die Landwirtschaft stärker zu dekollektivieren
und die bäuerliche Familie zum Kern der Wirtschaftsordnung zu machen,
während Mao Zedong unbedingt an den Volkskommunen festhalten wollte.
Weshalb er sich dann auch schon relativ schnell wieder zu Wort meldete mit der
Parole, niemals den Klassenkampf vergessen.
Und ähnliche Meinungsverschiedenheiten gab es auch,
ob man jetzt den Künstlern und Intellektuellen größere Freiräume einräumen sollte
oder ob sich auch die Kunstforschung, Kulturstärke am Klassenkampf orientieren sollte.
Also da gab es durchaus ernste Meinungsverschiedenheiten, die dann die maoistische
Seite später mit dem Kampf zweier Linien zusammengefasst hat,
also der richtigen proletarischen gegen die falsche bürgerlich-revisionistische Linie.
Und diese Fraktionskämpfe gab es in allen kommunistischen Parteien oder gibt
es auch in demokratischen Parteien.
Also die Besonderheit im Maoismus war eigentlich, dass doch zeitweise diese
Unterschiede relativ offen ausgetragen worden sind und auch benannt worden sind.
Weil Mao ging davon aus, dass sich die Widersprüche innerhalb der Gesellschaft
auch immer in der Partei widerspiegeln werden und es sozusagen nicht möglich ist,
einfach die anderen Linien komplett zu unterdrücken, wie das vielleicht ein
klassischer stalinistischer Ansatz versucht hätte.
Und wie gehört dort die Kulturrevolution hinein? Ist die überhaupt in diesem Rahmen zu verstehen?
Also das ist so ein eigentümliches Phänomen der Massenmobilisierung auch irgendwie
gewesen, aber gegen wen,
gegen was und in welcher, sozusagen in welchem Geiste ist es dann auch zu diesen
Phänomenen von Massengewalt gekommen? kommen?
Ja, die Kulturrevolution ist auch im Zusammenhang mit dem sino-sowjetischen Bruch zu sehen.
Also es war schon ein Faktor, während des großen Sprungs nach vorn ist,
dass es ja dann zum Konflikt kam,
mit der Sowjetunion, was auch schon zur Radikalisierung des großen Sprungs nach
vorn ist, beigetragen hatte, weil,
der sowjetische Parteiführer Khrushchev ja offen diese Politik auch kritisiert
hatte und dann China sich möglichst schnell von der Sowjetunion auch unabhängiger
machen wollte und das Narrativ, was sozusagen.
Ist im Prinzip, dass in der Sowjetunion es schon einen falschen Weg gibt,
der langfristig zur Restauration des Kapitalismus führen wird.
Und wenn sozusagen in China die Partei nicht wachsam ist, wird das Gleiche passieren,
dass es innerhalb der Partei eine Linie gibt, die schrittweise den Kapitalismus
restaurieren wird, wo er dann schließlich
gesagt hat, das wird durch den Staatspräsidenten Liu Shaoqi verkörpert.
Die Kulturrevolution ist sehr komplex.
Also einerseits ist es sicherlich ein Machtkampf an der Spitze zwischen der
Fraktion um Liu Shaoqi und den radikaleren Kräften,
wo es auch durchaus inhaltliche Meinungsverschiedenheiten gab,
wie ich schon ausgeführt habe.
Aber gleichzeitig hat es aber auch Elemente, wo also Bewegungen von unten entstehen,
die auch zeitweise außer Kontrolle geraten.
Und im Herbst 1966 ruft Mao sozusagen die Bevölkerung gegen die Machthaber des
kapitalistischen Weges innerhalb der Partei auf zu rebellieren.
Und dann bilden sich sehr viele Gruppen von Studierenden, später auch von Industriearbeiter
und Industriearbeiterinnen.
Und zeitweise, muss man sagen, verliert auch der Staat die Kontrolle über diese
Bewegung und im Positiven entstehen also Freiräume, wo Unmut thematisiert werden kann.
Zum Beispiel hatte man nach dem großen Sprung nach vorne so ein Kontraktsystem
eingeführt, wo Teile der Industriearbeiter und Industriearbeiterinnen,
wie man heute sagen würde, nur noch prekär beschäftigt waren.
Die haben dann zum Beispiel rebelliert mit der Forderung, festangestellt zu werden.
Und im Negativen hat aber diese Freiräume dazu geführt.
Dass in manchen Gebieten die Kämpfe zwischen verschiedenen Gruppen und Fraktionen
gewaltsam eskaliert sind.
Das lag auch darin, dass dann die Armee selber involviert wurde,
ursprünglich mit der Idee sozusagen die Lage wieder zu stabilisieren.
Aber auch in der Armee gab es verschiedene Fraktionen, die dann unterschiedliche
Massenorganisationen bewaffnet haben. Und da kann man durchaus in einigen Regionen
sprechen, dass es zum Bürgerkrieg gekommen ist.
Und dann spielt auch wieder die Sowjetunion eine Rolle, dass Mao dann 1969 eigentlich sagt,
okay, jetzt muss Stabilität wieder hergestellt werden, weil der Konflikt mit
der Sowjetunion ist so stark eskaliert, dass es 1969 zu einem Grenzkrieg kommt.
Der droht in einen großen Krieg zu eskalieren und vor diesem Hintergrund leitet
dann die Führung Mao wieder auch eine Demobilisierung ein.
Diese unabhängigen Massenorganisationen werden aufgelöst und entwaffnet und
dann wird eigentlich wieder so die Herrschaft der Partei und Kontrolle der Partei
in allen Bereichen und in allen Ebenen der Gesellschaft wieder hergestellt.
Der Maoismus ist ja auch in gewisser Weise irgendwie in die große gedankliche
Familie marxistischer Theorien einzuordnen.
Sicherlich eine sehr spezielle Form, die dann auch nochmal vom Marxismus-Leninismus beeinflusst ist.
Mao hat glaube ich selber dann auch bei seinen eigenen Arbeiten an Marx von
der Sinisierung des Marxismus gesprochen.
Gesprochen, wobei dann so eine, naja, irgendwie eine sehr eigene,
auch kulturell geprägte, würde ich sagen, Form des Marxismus entstanden ist.
Vielleicht könntest du kurz sagen, auch vor dem Hintergrund dieser großen Attraktivität,
die dieses Denken zeitweise auch in westlichen Ländern,
zum Beispiel während der Zeit der 68er und der Studentenbewegung,
auf westliche Intellektuelle ausgeübt hat.
Was einerseits waren die Besonderheiten dieser Art des Marxismus und andererseits,
was hat ihn vielleicht auch für Menschen außerhalb von China attraktiv gemacht,
macht ihn vielleicht sogar noch heute attraktiv für manche, wenige natürlich.
Ja, da muss man vielleicht eingangs erst mal sagen, dass der Begriff des Maoismus
in China bis heute abgelehnt wird, sondern offiziell heißt es seit den 40er Jahren,
die Mao Zedong Ideen sind die Anwendung der allgemeinen Prinzipien des Marxismus-Leninismus
auf die chinesische Realität.
Ja, also man hat immer versucht zu vermeiden, das so darzustellen,
dass der Maoismus etwas jetzt ganz anderes als der Marxismus-Leninismus ist.
Ja, woher kommt diese Bewunderung oder auch das große Interesse im Westen oder
auch in anderen Teilen der Welt dafür? Dafür kann man vielleicht in zwei Phasen unterteilen.
Also ganz wichtig, als das Mythos entstanden ist, ist das Buch von dem amerikanischen
Journalisten Edgar Snow, Red Star over China.
Der also das kommunistische Stützpunktgebiet in Jänner an Mitte der 30er Jahre
besucht und Mao interviewt.
Da entsteht auch dieses Bild, dass Mao dieser volksverbundene Bauernführer ist,
der dann mit seinen Genossen in den Höhlen von Yen anlebt und von da aus also
den Krieg gegen die japanischen Eindringler organisiert.
Und der große globale Zusammenhang ist dann natürlich auch,
dass China eher Verbündeter auch der Alliierten im Krieg gegen Japan wird und
sowohl die chinesische Nationalregierung unter Chiang Kai-shek als auch die
chinesischen Kommunisten unterstützt werden.
Ja, und das ist sozusagen der große Hintergrund, die Wahrnehmung der chinesischen
Kommunisten vor allen Dingen als Antifaschisten, als Patrioten.
Und Edgar Snow...
Hat damals auch diesen Eindruck vermittelt bekommen, dass das eine sozusagen
orthotone, indigene Bewegung ist, die eigentlich unabhängig von der Sowjetunion operiert.
Da muss man aus heutiger Sicht sagen, dass das sehr verkürzt war.
Also vor allem die Öffnung der sowjetischen Archive in den 90er Jahren haben
gezeigt, dass auch in den 30er und 40er Jahren sehr viele Aktionen und wichtigen
Entscheidungen der chinesischen Parteiführung,
mit Stalin koordiniert worden sind.
Also das war sozusagen die erste Phase. Nochmal die zweite Phase,
eine sehr positive Wahrnehmung des Maoismus, kommt dann im Zusammenhang mit
der Dekolonialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg,
wo auch die chinesische Regierung sich sehr bemüht, sich selber als Entwicklungsland darzustellen.
Und dann gibt es einmal die maoistische Strategie des Guerillakrieges,
vom Land die Städte einnehmen,
was dann als universeller Weg propagiert wird,
wie sich arme Agrarvölker in kolonialen oder postkolonialen Situationen befreien können.
Dann gibt es diese Figur des Barfußarztes, wo man dann im ganzen globalen Süden
propagiert, dass das ein Modell ist wie ein armes Land.
Die Gesundheitsprobleme lösen kann. Also wenn man kein Geld hat,
ein modernes Krankenhaussystem aufzubauen kann, können wir erstmal sozusagen,
was man heute Community Health Worker nennt, in die Dörfer gehen und da Medikamente
einsetzen und Aufklärungsarbeit machen, was Hygiene anbetrifft und so weiter.
Deswegen gibt es also vor allen Dingen im globalen Süden, wie man heute sagt,
dann in Teilen von den Befreiungsbewegungen und der intellektuellen Link eine
sehr positive Wahrnehmung des maoistischen Chinas.
Und die westliche Neue Linke wiederum, die um 1968 entsteht,
ist auch aus anderen Gründen fasziniert, vor allen Dingen von der Kulturrevolution,
weil sie wird dort wahrgenommen auch
als eine Revolte der Jugend gegen den Parteiapparat, der verknöchert ist.
Das ist sehr stark, war ja auch die Neue Linke zum Beispiel in Italien und Frankreich
1968, 69, wo es sehr starke kommunistische Parteien gab, die auch eigentlich
schon reformistisch waren.
Wo dann der Maoismus als so eine Art jugendliches, authentisches,
radikales Gegenmodell gesehen wird, wo ja auch Foucault, Sartre, Althusser,
viele zumindest zeitweise sich dafür begeistern oder interessieren.
Also das war so der Hintergrund und man muss natürlich sagen,
also China war in der Kulturrevolution ein isoliertes Land.
Man hat ja fast alle Studierenden aus dem Ausland und Diplomaten ausgewiesen
und also bestand damals nicht die Möglichkeit, einfach nach China selber zu
fahren und sich ein eigenes Bild auszudrücken.
Von daher muss man natürlich auch sagen, war den Akteuren außerhalb Chinas vieles
natürlich damals auch nicht bekannt.
Ja, und wenn natürlich einzelne Nachrichten davor drangen über negative Aspekte
wie Terror während der Kulturrevolution oder andere Dinge,
dann hatte man damals ja oft dann auch dann Rechtfertigung bereit,
wo man vor allem diese revolutionäre Gewalt nur als Gegengewalt gegen die Gewalt
der imperialistischen Mächte gesehen hat oder Mao zitiert hat,
dass die Revolution eben kein Däckchensticken ist, sondern ein gewaltsamer Aufstand.
Ja, vielleicht auch nochmal der Zusammenhang jetzt mit der westlichen Neuen
Linken ist auch ganz interessant, weil nach Maustod dauert es ja nicht sehr
lange, nur einige Wochen, bis die sogenannte Viererbande verhaftet wird.
Damit ist praktisch die radikale Linke innerhalb der Partei geschlagen.
Und dann dauert es noch bis 1981, bis dann die Kommunistische Partei die Kulturrevolution
als große Katastrophe für Volk und Partei verurteilt.
Und das entzieht ja praktisch auch der westlichen maoistischen Linken die Geschäftsgrundlage.
Weil sich jetzt China selber von dem maoistischen Modell abwendet.
Und es dauert ja nach Maustod auch nur einige Jahre, wo dann viele maoistische.
K-Gruppen sich dann auch selber auflösen.
Mit sozusagen dem Machtwechsel dann von Mao zu Deng Xiaoping beginnt eine neue
Phase in der chinesischen Geschichte oder man kann sie zumindest so leicht ansehen.
Eine Reform-Ära sozusagen,
bei der zentrale auch gesellschafts- und wirtschaftspolitische Annahmen der
kommunistischen Partei über den Haufen geworfen werden, sage ich jetzt mal,
wo es zu einer grundlegenden Neuorientierung auch der Wirtschaft kommt.
Du beschreibst diese Phase,
diese Öffnung zum eher marktförmigen kapitalistischen Wirtschaften auch als
einen durchaus gewaltvollen Prozess,
in dem es auch zu neuen Landnahmen,
zu einer wirklich auch ursprünglichen Akkumulation eigenen Rechts kommt,
zur Entstehung einer neuen Arbeiterinnenklasse.
Vielleicht kannst du, ich weiß, es ist schwer, das vereilenfach zu tun,
aber in grundlegenden Aspekten sagen, was sich da eigentlich ändert und wie
dieser Prozess einzuordnen ist.
Ja, was war erstmal neu an dieser Ära nach 1978?
Die Parole Reform und Öffnung kommt dann erst 1984, aber heute wird die Geschichte
so geschrieben, dass diese Reform und Öffnung 1978 begann.
Erstmal ganz wichtig zu verstehen ist, denke ich, dass erstmal die neue Führung
versucht hat, die Folgen der Kulturrevolution zu überwinden und viele Institutionen
erstmal wiederherzustellen.
Also es war auch erstmal eine Restauration, die Kontrolle der Partei auf allen
Ebenen der Gesellschaft,
die Gerichte, den Volkskongress, den Frauenverband, die Gewerkschaften,
vieles, was in der Kulturrevolution zeitweise aufgelöst war,
das Universitätssystem wiederherzustellen.
Und manche sagen auch, dass Deng Xiaoping also mehr zu tun hat,
wo es dann auch keine Massenbewegung mehr geben soll, sondern eben die Idee ist,
die jetzt die Modernisierung Chinas läuft von oben kontrolliert ab Unterführung
der kommunistischen Partei.
Und da soll es keine Massenbewegung mehr geben, die auch die Stabilität des
Systems in Gefahr bringt.
Ja, was heißt das wirtschaftlich?
Da muss man betonen, das war also eine sehr graduelle Reform.
Sowohl was die Öffnung zum Weltmarkt angeht, als auch die Reform der traditionellen Planwirtschaft.
Und ganz zentral war einer der ersten wichtigen Schritte, war die Auflösung
der Volkskommunen. Das erfolgt ungefähr bis 1984.
Und wie ich gesagt habe, war ungefähr 80 Prozent der Bevölkerung auf dem Land.
Und in der Mao-Ära hatte man eigentlich für zwei Jahrzehnte unterbunden,
dass die Landbevölkerung in die Städte migrieren kann.
Und es waren daher auf dem Land de facto sehr viele Menschen unterbeschäftigt
und konnten das Land nicht verlassen.
Und diese Barriere zwischen Stadt und Land wird jetzt eigentlich fast komplett
aufgehoben und diese Massen an Abermillionen in Anführungszeichen Überbevölkerung auf dem Land,
diese Menschen strömen jetzt in die Städte,
strömen in die Fabriken, die auch auf der Gemeindeebene entstehen und bilden
praktisch eine neue Arbeiterinnenklasse in den 80ern.
Und in den 90er Jahren.
Und treibende Faktoren sind dabei einmal, dass sie dort mehr Geld verdienen
können und auch wenn die Arbeitsbedingungen sehr hart sind und die Löhne für
Städter sehr niedrig, ist es für sie eine Verbesserung.
Es gibt aber auch negative Faktoren, dass zum Beispiel das kollektive Krankenversicherungssystem
auf dem Land mit den Volkskommunen zusammenbricht und dann sehr viele Kosten für Gesundheit,
für die Bildung der Kinder und andere Treuerungen dazu führen,
dass es eben einen Zwang gibt,
auch Dörfer zu verlassen und dann verlassen vor allem die jüngeren Leute die
Dörfer und die ältere Generation bleibt da und dann wird auch eine neue.
Arbeitsteilung zwischen den Generationen geschaffen, wo dann oft die Großeltern
auf ihre Enkel aufpassen müssen.
Was soll jetzt der Begriff der ursprünglichen Akkumulation?
Das ist ja das letzte Kapitel von Marx im Kapital im ersten Band,
wo er sagt, die Industrialisierung in England beruhtet darauf,
dass praktisch die Landbevölkerung vom Land vertrieben wird,
dort auch kollektive Rechte verliert und dann dadurch praktisch das neue Proletariat
in den Städten stellen kann.
Und in China läuft das Ganze natürlich etwas anders ab, wobei man wissen muss,
in China gibt es bis heute kein Privateigentum an Grund und Boden.
In den Dörfern ist formal also die Dorfregierung der Eigentümer,
das Kollektiv und in den Städten der Staat.
Und was dann einfach auch in den 90ern und 2000ern passiert,
ist, dass es oft Allianzen zwischen Lokalregierung und Geschäftsleuten versuchen,
den Bauern die Landrechte zu nehmen. Also die Bauern haben ein Nutzungsrecht.
Und das wird ihnen einfach entzogen oder am Anfang kriegen sie sehr geringe
Entschädigungen und auf diesem Land entstehen dann halt Gewerbeparks.
Später werden darauf Immobilien gebaut.
Es entsteht ja auch durch die Privatisierung des Immobilienmarktes da eine große spekulative Blase.
Und dann gibt es also verschiedene Schätzungen, dass damals von den 80ern an
bis Mitte der 2000er jedes Jahr mehrere Millionen chinesische Bauern und Bäuerinnen
ihre sozusagen Landnutzungsrechte verloren haben.
In den Städten, was war da vielleicht die ursprüngliche Akkumulation?
Die Auflösung der alten maoistischen Staatsarbeiterinnenklasse.
Also da war es so bis Mitte der 80er Jahre, dass die Kernbelegschaften dort
auf Lebenszeit praktisch angestellt waren. Es gab keine Arbeitsverträge,
sondern nur Mitgliedsbücher.
Und dort fängt man dann an, also Arbeitsverträge einzuführen,
auch Arbeitsverhältnisse zu befristen.
Man komodifiziert praktisch Schritt für Schritt die Arbeitskraft, die dann eine Ware wird.
Und dann gab es also 1998 bis 2002 eine große Privatisierungswelle,
wo große Teile der Staatsindustrie geschlossen oder privatisiert werden.
Ein Teil hat der Staat auch noch behalten. Und das hat dann dazu geführt,
dass schätzungsweise über 40 Millionen Menschen arbeitslos geworden sind.
Und die strömen dann in den Niedriglohnsektor, wo zum Beispiel viele Männer
dann plötzlich Taxi fahren oder Frauen zu Kinder- und Altenpflege in reichere
Familien gegangen sind.
Also diesen ganzen Prozess nenne ich in meinem Buch die große Umwälzung,
also die ursprüngliche Akkumulation in China.
An der Stelle entsteht ja eben auch das System, über das man heute manchmal
so rätselt, dass man nicht weiß, ist es jetzt Kapitalismus, ist es Sozialismus,
ist das auch in den 80er Jahren so ein Prozess sozusagen der Neufindung der Rolle der Partei,
dass sie sich sozusagen eben nicht mehr in diesem alten Sinne als ja den auch
sozusagen durch die marxistische Lehre dann sehr klar gegebenen Modernisierungsplan,
in dem man dann und dann das und das machen muss, versteht, sondern ja doch
eher fast Manager, der zwar sozusagen die Züge irgendwie in der Hand behalten
will, aber trotzdem eben die Kraft der Marktwirtschaft nutzen.
Also wie kann man diesen Verständigungsprozess und diese Rollenfindung da verstehen in dem Prozess?
Ja, man muss erstmal sagen, dass das ganze Reformprogramm erstmal auch in marxistischem
Vokabular geframed worden ist.
Also wichtig war, man hat gesagt, also in der Mao-Ära war das praktisch ein
utopischer Sozialismus und viele Programme waren so linksradikal.
Haben die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten nicht beachtet und der Entwicklungsstand des Landes.
Und was dann ganz wichtig ist, dass dann definiert wird, China befindet sich
erst in der Frühphase des Sozialismus.
Und es wird erst mal sehr lange dauern, die Produktivkräfte,
also die Wirtschaft zu entwickeln.
Und das ist erst mal in dieser Frühphase die Hauptaufgabe. Man hat sich also
erstmal einen sehr langen Zeitraum definiert,
wo man eigentlich das radikale Programm oder das utopische Programm auf eine
sehr, sehr ferne Zukunft verschieben konnte.
Und man spricht auch erst 1992 von sozialistischer Marktwirtschaft,
dann Anfang spricht man von sozialistischer Warenproduktion,
auch noch sehr vorsichtig die Ökonomen,
also meistens Männer argumentieren dann, man müsste doch beim Wirtschaften das
Wertgesetz berücksichtigen, was ja in Kapitalband 1 vorkommt.
Also das ist auch ein sehr gradueller Prozess, bis man schließlich von einer
sozialistischen Marktwirtschaft spricht oder vom Sozialismus mit chinesischer Besonderheit,
der sich sozusagen von einem traditionellen sowjetischen Modell grundlegend unterscheidet.
Man muss sagen, es ist bis heute ein hybrides System.
Also es gibt immer noch einen Staatssektor.
Da gibt es immer noch so Schätzungen, wie viel des Bruttoinlandsproduktes produziert.
Das geht so auch auseinander von 15 bis 25 Prozent.
Also die Mehrheit der Beschäftigten arbeitet heute im Privatsektor.
Aber man muss sagen, der Staat hat die Kontrolle über Kommandohöhen der Wirtschaft,
wie Leni das formuliert hat, behalten.
Das heißt vor allen Dingen Infrastruktur, alles was mit Verteidigung zusammenhängt,
Rohstoffe, Boden ist weiterhin auch noch kein Privateigentum und auch die Öffnung
vom Ausland ist ja so, dass man erlaubt hat,
dass ausländisches Kapital in China investiert wird.
Aber sehr lange war das ja nur in Form von Joint Ventures, wo also die chinesische
Seite mit 51 Prozent noch entscheidenden Einfluss hatte.
Und die Wechselkurse zum Beispiel hat man bis heute nicht freigegeben.
Auch da ist es ja eine kontrollierte Öffnung zum Weltmarkt.
Also China ist jetzt kein Beispiel für einen Wirtschaftsliberalismus,
wie er im westlichen Lehrbuch steht.
Und auch heute beschäftigt also die Kommunistische Partei beziehungsweise die
Universität noch Zehntausende von Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen,
die jetzt sogar wieder verstärkt die aktuellen Regierungspolitik und Maßnahmen
mit einem marxistischen Framework rechtfertigen.
Das ist natürlich ein sehr verkürzter Marx, aber es spielt immer noch eine zentrale Rolle.
Also die Kommunistische Partei hat eigentlich zu keinem Zeitpunkt gesagt,
dass sie das ursprüngliche Ziel aufgeben, auch wenn es wie gesagt auf die sehr
ferne Zukunft verschoben worden ist.
Also was da glaube ich auch wichtig ist, das ist mir dann auch nochmal klar
geworden, als Jack Ma da verschwunden ist, da ist er dann irgendwann wieder
aufgetaucht, aber dass natürlich dieses Land mächtige Milliardäre hat,
aber da magst du mir widersprechen, aber diese Milliardäre eben auch einfach
mal verschwinden können.
Also dass da die Machtausübung eben schon da ist und dass dann auch der Unterschied
zum Westen ist, wo so ein Milliardär eben nicht verschwindet,
sondern dann die Parteien finanziert oder sowas.
Ja, man muss sagen, natürlich diese Reformpolitik hat zu großen regionalen und
sozialen Ungleichheiten geführt.
Es gibt Regionen, die sehr profitiert haben, vor allem die ärmeren Regionen
und alte Schwerindustrie-Regionen, wie zum Beispiel die Manchurei, Dongbei.
Da hat es eine massive soziale Krise gegeben nach der Privatisierungswelle und
das Gleiche gilt auch sozusagen für die sozialen Gruppen, dass schließlich sozusagen
dieses System auch Milliardäre hervorgebracht hat.
Die Partei erweckt natürlich selber auch gerne den Eindruck,
dass letzten Endes die Politik da das Oberkommando hat und es keine neue Bourgeoisie
entsteht, die praktisch auch in der Lage ist, wie in westlichen Ländern.
Das politische System zu dominieren.
Aber man muss natürlich auch sagen, es gibt natürlich eine sehr enge Verschmelzung
auch von Wirtschafts- und politischen Interessen,
was ja auch immer in den Korruptionsskandalen zum Ausdruck kommt,
wo es ja nicht um einige hunderttausend geht,
sondern um Millionen oder zum Teil um Milliarden.
Und das zeigt natürlich auch, dass der Staat und die wirtschaftlichen Akteure
und deren Interessen dann doch nicht so klar getrennt sind, wie es gerne dargestellt wird.
Aber insgesamt würde ich der Einschätzung natürlich zustimmen,
dass die Botschaft an die Reichen also klar ist.
Also sie können reich werden, sie können auch mitmachen und kleinere repräsentative
Ämter ausüben oder Abgeordnete im Volkskongress sein.
Aber wenn sie offen die Regierungen herausfordern, dann haben sie eine rote Linie überschritten.
Und Jack Ma ist, denke ich, so berühmt, dass er ist ja dann auch wieder aufgetaucht.
Also die chinesische Regierung stand ja dann, glaube ich, unter internationalen
Druck, zu zeigen, dass er eben nicht jetzt für immer verschwunden ist.
Und er hatte ja damals in einer Rede in der Öffentlichkeit eine weitere Deregulierung
des chinesischen Finanzsektors gefordert,
dass sozusagen sein Konzern über die Apps Kredite vergeben würde.
Können sollte, ohne den gleichen Regeln wie normale Banken zu unterliegen und
das war, denke ich, einfach der Punkt,
dass die chinesische Regierung das als direkten und offenen Angriff gesehen
hat und dann wurde natürlich auch Alibaba wieder stärker unter Staatskontrolle gestellt,
in dem zum Beispiel Stadt Hangzhou dann größere Aktienanteile hat und so weiter
und man wie auch in anderen Ländern dann neue Gesetze auch beschlossen hat,
um diese Tech-Konzerne stärker zu regulieren,
ja, wobei man auch sagen muss, die konnten sich auch zeitweise also sehr unkontrolliert
und eigenwillig entwickeln.
Jetzt hast du ja schon gesagt, dass das auch ein gradueller Prozess war,
diese Öffnung und sozusagen auch immer wieder das theoretisch zu aktualisieren,
dass man doch irgendwie auf dem Weg ist.
Das ist ja auch immer interessant und sicherlich auch ein Unterschied zu den
westlichen Staaten, wo die Parteien eben nicht so eine große theoretische Erzählung haben.
Aber was dann in den 80ern natürlich auffällt, ist, dass das dann erstmal auch
ein anderer Weg ist als die Sowjetunion,
die diesen Reformprozess sehr viel später dann erst einleitet und dann ja eben
auch nicht mehr erfolgreich kontrollieren kann, was eben zum Untergang der Partei führt.
War das in den 80ern auch schon in China einem Selbstverständnis,
dass man gesagt hat, die Sowjetunion kann auch politisch nicht mehr unser Vorbild
sein und grundsätzlich hat man damit auch Recht behalten?
Ja, also von der Sowjetunion hat man sich ja praktisch schon Anfang der 60er
Jahre gelöst und dann immer gesagt, sie wären revisionistisch und auf dem Weg in den Kapitalismus.
Und man hatte sich auch schon bis Mitte der 60er Jahre praktisch wirtschaftlich
gelöst und hatte mehr Handelsbeziehungen zu westlichen Ländern als zu den Ostburgstaaten.
Was jetzt so ein bisschen die Ironie war, dass man Anfang der 80er Jahre sich
begann, wieder mit der Sowjetunion zu versöhnen.
Und 1989, kurz vor dem Massaker, war ja auch Gorbatschow in Peking gewesen.
Dass man sich da wieder angenähert hatte.
Aber man war wirtschaftlich unabhängig von der Sowjetunion,
man hatte auch wenig Schulden bei westlichen Kreditgebern und man kann sagen,
dass also deswegen China auch nicht in den Abgrund mitgerissen worden ist,
wie andere Staaten in Osteuropa, die halt sehr enge Handels- und Wirtschaftsbeziehungen
von der Sowjetunion hatten.
In China gab es dann eigentlich schon 1989, 1991 eine breitere Debatte,
wie es zu dieser Krise des Staatssozialismus in Osteuropa gekommen worden ist
und das gibt es bis heute.
Da interessiert sich also die Partei für.
Und es werden immer verschiedene Gründe eingeführt.
Einmal, dass gerade die Sowjetunion halt ökonomisch stagnierte und nicht in
der Lage war, Wirtschaftsreformen einzuleiten.
Und was heute auch noch stärker betont ist,
dass Gorbatschow auch politisch die Kontrolle verloren hatte und auch vor allen
Dingen die KPDSU dann diesen Vielvölkerstaat nicht mehr zusammenhalten konnte
und mit der Auflösung der KPDSU dann auch praktisch die Sowjetunion natürlich
nicht mehr weiter existieren konnte.
Und die Lehren, die man daraus zieht, ist eigentlich, dass man in allen Bereichen,
ob das jetzt die Geschichtsschreibung, die Kultur ist oder auch die Verhältnisse
zwischen der Mehrheitsbevölkerung,
den Han-Chinesen und den Minderheiten, die Führung der Partei in allen Punkten wahren muss.
Das ist eine andere Lehre, die die Kommunistische Partei Chinas aus dem Zusammenbruch
Das ist eine andere Lehre, die die Kommunistische Partei Chinas aus dem Zusammenbruch
mit der Sowjetunion gezogen hat.
mit der Sowjetunion gezogen hat.
Und dann war nach dem Tiananmen-Massaker halt die Frage, wie soll es weitergehen?
Und dann war nach dem Tiananmen-Massaker halt die Frage, wie soll es weitergehen?
Und dann gibt es ja die berühmte Reise von Deng Xiaoping 1992 in die Sonderwirtschaftszone
Und dann gibt es ja die berühmte Reise von Deng Xiaoping 1992 in die Sonderwirtschaftszone
des Südens, wo er dann die Message ausgibt,
des Südens, wo er dann die Message ausgibt,
jetzt müssen wir die Reform und Öffnung
jetzt müssen wir die Reform und Öffnung
weiter forcieren und noch mehr ausländisches Kapital ins Land holen.
weiter forcieren und noch mehr ausländisches Kapital ins Land holen.
Ja, um auch die Wirtschaft weiter anzukurbeln.
Ja, um auch die Wirtschaft weiter anzukurbeln.
Das war dann ja auch ganz, ganz wichtig, dass man sich eben nicht entschieden
Das war dann ja auch ganz, ganz wichtig, dass man sich eben nicht entschieden
hat, man geht jetzt irgendwie wieder zurück.
hat, man geht jetzt irgendwie wieder zurück.
In Bezug auf die politische Führung und ihre Verstrickung mit auch wirtschaftlichen
In Bezug auf die politische Führung und ihre Verstrickung mit auch wirtschaftlichen
Prozessen und auch sozusagen mit teilweise ja dann auch privaten Profiteuren
Prozessen und auch sozusagen mit teilweise ja dann auch privaten Profiteuren
innerhalb dieses Zusammenhangs,
innerhalb dieses Zusammenhangs,
sprichst du auch von einer Staatsklasse, die sich hier zeigt.
sprichst du auch von einer Staatsklasse, die sich hier zeigt.
Vielleicht kannst du auch nochmal sagen, wie du das meinst. Also das ist ja
Vielleicht kannst du auch nochmal sagen, wie du das meinst. Also das ist ja
ganz interessant, dass man auch, sagen wir mal, nominell sozialistische Länder
ganz interessant, dass man auch, sagen wir mal, nominell sozialistische Länder
durchaus klassentheoretisch analysieren kann. Was meinst du damit?
durchaus klassentheoretisch analysieren kann. Was meinst du damit?
Ja, dieser Begriff der Staatsklasse, der stammt von dem Politikwissenschaftler Hartmut Elsenhans,
Ja, dieser Begriff der Staatsklasse, der stammt von dem Politikwissenschaftler Hartmut Elsenhans,
der sehr viel zu Algerien und anderen Ländern geschrieben hat,
der sehr viel zu Algerien und anderen Ländern geschrieben hat,
die sich nach der Unabhängigkeit versucht haben, diese Industrialisierung nachzuholen.
die sich nach der Unabhängigkeit versucht haben, diese Industrialisierung nachzuholen.
Und er sagt, die Gemeinsamkeit ist eigentlich, dass es in diesen Ländern kein
Und er sagt, die Gemeinsamkeit ist eigentlich, dass es in diesen Ländern kein
starkes Bürgertum gibt, wie zum Beispiel in Frankreich oder in England,
starkes Bürgertum gibt, wie zum Beispiel in Frankreich oder in England,
was praktisch dann nach dem eigenen Bild die Gesellschaft umgestaltet und diese
was praktisch dann nach dem eigenen Bild die Gesellschaft umgestaltet und diese
Modernisierung und Industrialisierung vorantreibt.
Modernisierung und Industrialisierung vorantreibt.
Das Bürgertum ist äußerst schwach, haben wir auch gerade bezogen auf China.
Das Bürgertum ist äußerst schwach, haben wir auch gerade bezogen auf China.
Es ist sozusagen auch den Milliardären bisher noch nicht gelungen.
Es ist sozusagen auch den Milliardären bisher noch nicht gelungen.
Und an die Stelle des Bürgertums tritt dann im Prinzip diese Staatsklasse.
Und an die Stelle des Bürgertums tritt dann im Prinzip diese Staatsklasse.
Und einerseits steht sie sehr stark unter Druck, weil die Bevölkerung auch erwartet,
Und einerseits steht sie sehr stark unter Druck, weil die Bevölkerung auch erwartet,
dass es Entwicklung gibt, dass es Wohlstandssteigerung gibt,
dass es Entwicklung gibt, dass es Wohlstandssteigerung gibt,
dass sie sich von den ehemaligen Kolonialmächten löst.
dass sie sich von den ehemaligen Kolonialmächten löst.
Und andererseits hat sie aber über diese hybriden Wirtschaftsformen und viele
Und andererseits hat sie aber über diese hybriden Wirtschaftsformen und viele
Staatsmonopole auch einen Zugriff auf viele Ressourcen und schöpft dann auch
Staatsmonopole auch einen Zugriff auf viele Ressourcen und schöpft dann auch
zur Selbstbereicherung von Zöllen,
zur Selbstbereicherung von Zöllen,
von Renten, Rohstoffen.
von Renten, Rohstoffen.
Im einen Fall ist es ja in vielen Fällen auch zum Beispiel Erdöl dann ab und
Im einen Fall ist es ja in vielen Fällen auch zum Beispiel Erdöl dann ab und
bereichert sich selbst.
bereichert sich selbst.
Und ich finde, das trifft für China auch ganz gut zu in der Form.
Und ich finde, das trifft für China auch ganz gut zu in der Form.
Also es gab ja seit den 80er Jahren auch immer wieder Antikorruptionskampagnen
Also es gab ja seit den 80er Jahren auch immer wieder Antikorruptionskampagnen
der Partei, um in diesen Worten die Staatsklasse irgendwie zu disziplinieren,
der Partei, um in diesen Worten die Staatsklasse irgendwie zu disziplinieren,
beziehungsweise was ja auch eine gewisse Selbstdisziplinierung der Staatsklasse,
beziehungsweise was ja auch eine gewisse Selbstdisziplinierung der Staatsklasse,
weil sie natürlich verstehen,
weil sie natürlich verstehen,
dass wenn die Korruption ausartet,
dass wenn die Korruption ausartet,
sie nicht mehr als legitime Herrscher empfunden werden,
sie nicht mehr als legitime Herrscher empfunden werden,
aber das eigentlich nie vollständig in den Griff bekommen können.
aber das eigentlich nie vollständig in den Griff bekommen können.
Und die Kommunistische Partei hat ja über 90 Millionen Mitglieder.
Und die Kommunistische Partei hat ja über 90 Millionen Mitglieder.
Und die Parteikomitees spielen auch wieder eine wichtigere Rolle,
Und die Parteikomitees spielen auch wieder eine wichtigere Rolle,
nicht nur im öffentlichen Dienst und an den Universitäten, sondern auch in Staats-
nicht nur im öffentlichen Dienst und an den Universitäten, sondern auch in Staats-
und Privatunternehmen und können da durchaus auch wieder stärker Einfluss auf Entscheidungen üben.
und Privatunternehmen und können da durchaus auch wieder stärker Einfluss auf Entscheidungen üben.
Und ich definiere also im Buch die große Umwälzung, vor allen Dingen also die
Und ich definiere also im Buch die große Umwälzung, vor allen Dingen also die
Staatsfunktionäre oberhalb der Kreisebene als Teil dieser Staatsklasse,
Staatsfunktionäre oberhalb der Kreisebene als Teil dieser Staatsklasse,
wo einerseits sozusagen diese
wo einerseits sozusagen diese
Entwicklung von oben, aber auch persönliche Bereicherung Motive sind.
Entwicklung von oben, aber auch persönliche Bereicherung Motive sind.
Und auch die Zusammensetzung der kommunistischen Partei selber hat sich ja sehr stark verändert.
Und auch die Zusammensetzung der kommunistischen Partei selber hat sich ja sehr stark verändert.
Also Arbeiter und Arbeiterinnen, die Landbevölkerung,
Also Arbeiter und Arbeiterinnen, die Landbevölkerung,
das ist jetzt eine kleine Minderheit unter den Parteimitgliedern und auch unter
das ist jetzt eine kleine Minderheit unter den Parteimitgliedern und auch unter
den Delegierten auf den Parteikongressen,
den Delegierten auf den Parteikongressen,
sondern sie ist im Prinzip auch eine Partei der urbanen Mittelschicht und vor
sondern sie ist im Prinzip auch eine Partei der urbanen Mittelschicht und vor
allem dieses öffentlichen Dienstes und des Staatsapparates selber geworden.
allem dieses öffentlichen Dienstes und des Staatsapparates selber geworden.
Wie hat sich da genau die Zusammensetzung geändert?
Wie hat sich da genau die Zusammensetzung geändert?
Im Vergleich zu China. Jetzt hast du gesagt, mit der Öffnungspolitik hat man
Im Vergleich zu China. Jetzt hast du gesagt, mit der Öffnungspolitik hat man
dann eben vor allem die Landflucht, also hat das nicht mehr reguliert und damit
dann eben vor allem die Landflucht, also hat das nicht mehr reguliert und damit
sozusagen diese Modernisierungsbewegungen der Urbanisierung und so weiter.
sozusagen diese Modernisierungsbewegungen der Urbanisierung und so weiter.
Wie hat sich das dort sozusagen verschoben einmal, was die Sektoren angeht?
Wie hat sich das dort sozusagen verschoben einmal, was die Sektoren angeht?
Und wenn du zum Beispiel jetzt von der urbanen Mittelschicht sprichst,
Und wenn du zum Beispiel jetzt von der urbanen Mittelschicht sprichst,
ist das dann sozusagen schon die nächste Generation von diesen Bauern,
ist das dann sozusagen schon die nächste Generation von diesen Bauern,
die dann da eben ab den 70ern in die Städte gegangen sind.
die dann da eben ab den 70ern in die Städte gegangen sind.
Also wie kann man sich jetzt diese Wandlung denn in den letzten Jahrzehnten vorstellen?
Also wie kann man sich jetzt diese Wandlung denn in den letzten Jahrzehnten vorstellen?
Vor allem dieser Urbanisierungsprozess ist, glaube ich, historisch einmalig gewesen.
Vor allem dieser Urbanisierungsprozess ist, glaube ich, historisch einmalig gewesen.
Ende der 70er Jahre liegt der Prozentsatz der Landbevölkerung noch bei 80 Prozent
Ende der 70er Jahre liegt der Prozentsatz der Landbevölkerung noch bei 80 Prozent
und dann schon 2011 war das erste Mal,
und dann schon 2011 war das erste Mal,
wo die Stadtbevölkerung die Mehrheit der Bevölkerung stellt.
wo die Stadtbevölkerung die Mehrheit der Bevölkerung stellt.
Und man muss auch sagen, viele ländliche Gebiete haben sich total verändert,
Und man muss auch sagen, viele ländliche Gebiete haben sich total verändert,
wo es sehr viele Menschen gibt, die nicht mehr nur von Landwirtschaft leben,
wo es sehr viele Menschen gibt, die nicht mehr nur von Landwirtschaft leben,
sondern Nebengewerbe nachgehen oder auch Teilzeit in Unternehmen arbeiten und
sondern Nebengewerbe nachgehen oder auch Teilzeit in Unternehmen arbeiten und
deren Kindern in die Städte sind.
deren Kindern in die Städte sind.
Also die Bevölkerung, die nur noch von Landwirtschaft lebt, das ist vielleicht
Also die Bevölkerung, die nur noch von Landwirtschaft lebt, das ist vielleicht
heute nicht mehr als ein Drittel.
heute nicht mehr als ein Drittel.
Und wer ist jetzt diese urbane Mittelschicht?
Und wer ist jetzt diese urbane Mittelschicht?
Also in den letzten 30 Jahren ist auch sehr stark der Hochschulsektor ausgedehnt worden.
Also in den letzten 30 Jahren ist auch sehr stark der Hochschulsektor ausgedehnt worden.
Man kann sagen, die chinesischen Universitäten haben sich auch von Elite-Universitäten
Man kann sagen, die chinesischen Universitäten haben sich auch von Elite-Universitäten
zu Massenuniversitäten gewandelt und sind halt viele,
zu Massenuniversitäten gewandelt und sind halt viele,
die dann Hochschulabschlüsse haben und dann in den öffentlichen Dienst oder
die dann Hochschulabschlüsse haben und dann in den öffentlichen Dienst oder
in Privatunternehmen oder in ausländischen Unternehmen gehen.
in Privatunternehmen oder in ausländischen Unternehmen gehen.
Davon kommen, auch.
Davon kommen, auch.
Viele vom Land, aber in der chinesischen Gesellschaft gibt es auch eine Debatte
Viele vom Land, aber in der chinesischen Gesellschaft gibt es auch eine Debatte
um die Verkrustung der Schichten oder Verknöcherung der Schichten,
um die Verkrustung der Schichten oder Verknöcherung der Schichten,
also Kuhrohr auf Chinesisch.
also Kuhrohr auf Chinesisch.
Das ist so was, also in den 80er, 90er Jahren, man viele von diesen Geschichten hat,
Das ist so was, also in den 80er, 90er Jahren, man viele von diesen Geschichten hat,
also vom Bauern zum kleinen Unternehmer, dann zum Millionär in der Stadt,
also vom Bauern zum kleinen Unternehmer, dann zum Millionär in der Stadt,
während in der letzten Zeit soziale Mobilität auch wieder zurückgeht,
während in der letzten Zeit soziale Mobilität auch wieder zurückgeht,
beziehungsweise es auch für viele Hochschulabsolventen sehr schwierig ist, eine Arbeit zu finden.
beziehungsweise es auch für viele Hochschulabsolventen sehr schwierig ist, eine Arbeit zu finden.
Und in China boomt ja auch die Plattformökonomie mit Bestell-Apps und Liefer-Apps,
Und in China boomt ja auch die Plattformökonomie mit Bestell-Apps und Liefer-Apps,
wo Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden sind,
wo Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden sind,
die aber auch sehr prekär sind,
die aber auch sehr prekär sind,
schlecht bezahlt sind, gefährlich sind.
schlecht bezahlt sind, gefährlich sind.
Wir kennen das ja auch von uns, wenn man die Lieferungen in sehr kurzer Zeit
Wir kennen das ja auch von uns, wenn man die Lieferungen in sehr kurzer Zeit
erfolgreich bewerkstelligen muss.
erfolgreich bewerkstelligen muss.
Und in diesem Niedriglohnsektor sind auch sehr viele Menschen, die vom Land kommen.
Und in diesem Niedriglohnsektor sind auch sehr viele Menschen, die vom Land kommen.
Es sind aber jetzt teilweise auch Menschen, die dort hingehen,
Es sind aber jetzt teilweise auch Menschen, die dort hingehen,
die eigentlich aus dieser urbanen Mittelschicht kommen und das machen,
die eigentlich aus dieser urbanen Mittelschicht kommen und das machen,
weil sie sonst keinen anderen Arbeitsplatz finden.
weil sie sonst keinen anderen Arbeitsplatz finden.
Und die chinesischen Behörden hatten mal die offizielle Zahl herausgegeben,
Und die chinesischen Behörden hatten mal die offizielle Zahl herausgegeben,
dass die Arbeitslosigkeit, ich glaube, es war von 18 bis 28-Jährigen,
dass die Arbeitslosigkeit, ich glaube, es war von 18 bis 28-Jährigen,
wenn ich mich jetzt richtig erinnere.
wenn ich mich jetzt richtig erinnere.
Fast bei 20 Prozent liegen würde.
Fast bei 20 Prozent liegen würde.
Nachdem das dann einige Debatten hervorgerufen hat und ausländische Medienberichte,
Nachdem das dann einige Debatten hervorgerufen hat und ausländische Medienberichte,
wird die Zahl jetzt nicht mehr veröffentlicht.
wird die Zahl jetzt nicht mehr veröffentlicht.
Ja, aber im Moment erfährt, glaube ich, gerade diese urbane Mittelschicht eine
Ja, aber im Moment erfährt, glaube ich, gerade diese urbane Mittelschicht eine
größere Krise und zum ersten Mal auf jeden Fall auch in den letzten Jahrzehnten in dieser Form.
größere Krise und zum ersten Mal auf jeden Fall auch in den letzten Jahrzehnten in dieser Form.
Da würde ich auch gerne nochmal nachfragen zu dieser urbanen Mittelschicht.
Da würde ich auch gerne nochmal nachfragen zu dieser urbanen Mittelschicht.
Du kennst die ja zumindest jetzt von deinen Aufenthalten und regelmäßigen Besuchen
Du kennst die ja zumindest jetzt von deinen Aufenthalten und regelmäßigen Besuchen
ja auch selber ein bisschen.
ja auch selber ein bisschen.
Ist das eigentlich eine Mittelschicht, so wie man sich auch eigentlich so eine
Ist das eigentlich eine Mittelschicht, so wie man sich auch eigentlich so eine
europäische Mittelschicht vorstellt,
europäische Mittelschicht vorstellt,
beziehungsweise orientiert die sich an ähnlichen, sagen wir mal auch Konsum-
beziehungsweise orientiert die sich an ähnlichen, sagen wir mal auch Konsum-
und Statusedialen, an Statuserhalt und Ähnlichem wie europäische Mittelschichten?
und Statusedialen, an Statuserhalt und Ähnlichem wie europäische Mittelschichten?
Dann geht es eigentlich auch darum, vor allem ein gewisses Set von ökonomischen Standardgütern,
Dann geht es eigentlich auch darum, vor allem ein gewisses Set von ökonomischen Standardgütern,
natürlich Wohnungen, aber auch Automobilität, mehrfach die Woche Fleisch und
natürlich Wohnungen, aber auch Automobilität, mehrfach die Woche Fleisch und
ähnliche Dinge zu erringen.
ähnliche Dinge zu erringen.
Und also ist das eigentlich so eine Art auch eine Art nachholende Entwicklung
Und also ist das eigentlich so eine Art auch eine Art nachholende Entwicklung
von einem Lebensmodell, das eben ja vielleicht mit der,
von einem Lebensmodell, das eben ja vielleicht mit der,
keine Ahnung, vielleicht auch ein bisschen als ein amerikanisches oder eben
keine Ahnung, vielleicht auch ein bisschen als ein amerikanisches oder eben
irgendwie westlich bürgerliches Modell gelten kann?
irgendwie westlich bürgerliches Modell gelten kann?
Oder kann man da auch irgendwie ganz klare Unterschiede sehen,
Oder kann man da auch irgendwie ganz klare Unterschiede sehen,
was die Leute eigentlich unter einem guten Leben verstehen auch?
was die Leute eigentlich unter einem guten Leben verstehen auch?
Ja, also ich würde sagen, diese Lebensweise orientiert sich sehr stark an den USA.
Ja, also ich würde sagen, diese Lebensweise orientiert sich sehr stark an den USA.
Der Politikwissenschaftler Ulrich Brandt hat ja mal den Begriff der imperialen
Der Politikwissenschaftler Ulrich Brandt hat ja mal den Begriff der imperialen
Lebensweise geprägt, der zumindest zeitweise hauptsächlich im globalen Norden angesiedelt war,
Lebensweise geprägt, der zumindest zeitweise hauptsächlich im globalen Norden angesiedelt war,
aber sich jetzt in allen aufsteigenden Ländern des globalen Südens auch dort
aber sich jetzt in allen aufsteigenden Ländern des globalen Südens auch dort
in den Mittelschichten ausbreitet.
in den Mittelschichten ausbreitet.
Das heißt eben genau, Eigentumswohnungen im Vorort mit zwei Autos,
Das heißt eben genau, Eigentumswohnungen im Vorort mit zwei Autos,
täglicher Fleischkonsum, Konsum von westlichen Luxuswaren.
täglicher Fleischkonsum, Konsum von westlichen Luxuswaren.
Und da ist es ja interessant, dass für viele italienische Luxuswaren auch der
Und da ist es ja interessant, dass für viele italienische Luxuswaren auch der
chinesische Markt ganz zentral ist.
chinesische Markt ganz zentral ist.
Und häufig Flugreisen innerhalb des eigenen Landes oder im Ausland.
Und häufig Flugreisen innerhalb des eigenen Landes oder im Ausland.
Das ist sicherlich auch ein Lebensstil, der in China für die meisten Menschen der Maßstab ist.
Das ist sicherlich auch ein Lebensstil, der in China für die meisten Menschen der Maßstab ist.
Und der Staat hat das natürlich auch sehr gefördert.
Und der Staat hat das natürlich auch sehr gefördert.
Also einmal durch die Urbanisierung, wo ja auch die Lokalbehörden ganz dick
Also einmal durch die Urbanisierung, wo ja auch die Lokalbehörden ganz dick
in den Immobiliengeschäften drin sind.
in den Immobiliengeschäften drin sind.
Und man kann das in allen chinesischen Städten sehen, wie also die alten Stadtviertel,
Und man kann das in allen chinesischen Städten sehen, wie also die alten Stadtviertel,
wo vor allen Dingen die alteingesessene Bevölkerung, auch die Arbeiter und Arbeiterinnen
wo vor allen Dingen die alteingesessene Bevölkerung, auch die Arbeiter und Arbeiterinnen
gewohnt haben, abgerissen sind und durch Luxusapartments und Gated Communities ersetzt worden sind.
gewohnt haben, abgerissen sind und durch Luxusapartments und Gated Communities ersetzt worden sind.
Dann natürlich, dass der Staat das ganze Land mit Autobahnen überzogen hat und
Dann natürlich, dass der Staat das ganze Land mit Autobahnen überzogen hat und
auch die Städte und auch die Autoindustrie sicherlich zu einem Schwerpunkt der
auch die Städte und auch die Autoindustrie sicherlich zu einem Schwerpunkt der
ganzen Entwicklung gemacht hat.
ganzen Entwicklung gemacht hat.
Sie haben natürlich auch die chinesische Regierung das ganze Land mit Schnellzügen überzogen.
Sie haben natürlich auch die chinesische Regierung das ganze Land mit Schnellzügen überzogen.
Man muss aber sagen, dass es in vielen chinesischen Millionenstädten bis heute
Man muss aber sagen, dass es in vielen chinesischen Millionenstädten bis heute
keine U-Bahn-Linien gibt oder vielleicht nur ein oder zwei U-Bahn-Linien.
keine U-Bahn-Linien gibt oder vielleicht nur ein oder zwei U-Bahn-Linien.
Also Peking und Shanghai sind da sicherlich die Ausnahmen, die einen relativ
Also Peking und Shanghai sind da sicherlich die Ausnahmen, die einen relativ
gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr haben, wo dann auch diese urbane Mittelschicht
gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr haben, wo dann auch diese urbane Mittelschicht
dann mit der U-Bahn zur Arbeit fährt.
dann mit der U-Bahn zur Arbeit fährt.
Aber in anderen Städten ist die Entwicklung anders verlaufen und da hatten viele zuerst ein Auto,
Aber in anderen Städten ist die Entwicklung anders verlaufen und da hatten viele zuerst ein Auto,
bevor dann die U-Bahn kommt und zum Beispiel in so eher Provinzhauptstädten
bevor dann die U-Bahn kommt und zum Beispiel in so eher Provinzhauptstädten
wie zum Beispiel Thaien in Shanxi oder Hefe in Anhui,
wie zum Beispiel Thaien in Shanxi oder Hefe in Anhui,
wo ich auch im letzten Herbst war,
wo ich auch im letzten Herbst war,
da sind dann dreistöckige zum Teil diese Stadtautobahnen.
da sind dann dreistöckige zum Teil diese Stadtautobahnen.
Und man hat an vielen Punkten das Gefühl, man ist in Los Angeles und als Fußgänger
Und man hat an vielen Punkten das Gefühl, man ist in Los Angeles und als Fußgänger
muss man oft sehr lange Wege laufen, um überhaupt die Straßen zu überqueren.
muss man oft sehr lange Wege laufen, um überhaupt die Straßen zu überqueren.
Da hatte ich doch generell den Eindruck, dass sich das nicht sehr stark von
Da hatte ich doch generell den Eindruck, dass sich das nicht sehr stark von
diesem sogenannten American Way of Life unterscheidet.
diesem sogenannten American Way of Life unterscheidet.
Und ist das auch in der Kultur drin, also man kennt das ja auch noch aus den
Und ist das auch in der Kultur drin, also man kennt das ja auch noch aus den
frühen Zeiten der Sowjetunion,
frühen Zeiten der Sowjetunion,
wo man dort dann diese American Exhibition in Moskau hatte und wirklich auch
wo man dort dann diese American Exhibition in Moskau hatte und wirklich auch
die USA explizit sozusagen in der Ideologie als Vorbild genommen hat und gesagt hat,
die USA explizit sozusagen in der Ideologie als Vorbild genommen hat und gesagt hat,
das ist eben sozusagen der Führer des Kapitalismus und den werden wir einholen.
das ist eben sozusagen der Führer des Kapitalismus und den werden wir einholen.
Ist das da auch so, dass man wirklich explizit auch immer auf die USA blickt
Ist das da auch so, dass man wirklich explizit auch immer auf die USA blickt
als so ein Vorbild oder ist das eben was, was sich eher so entwickelt hat und
als so ein Vorbild oder ist das eben was, was sich eher so entwickelt hat und
da vielleicht noch verbunden gerade die Urbanisierung,
da vielleicht noch verbunden gerade die Urbanisierung,
ist das auch, dass man sich vielleicht sogar amerikanische Experten da reingeholt
ist das auch, dass man sich vielleicht sogar amerikanische Experten da reingeholt
hat oder genau, wie ist da der Bezug?
hat oder genau, wie ist da der Bezug?
Genau, ich versuche die Frage mal zu beantworten. Also ich habe einen Artikel
Genau, ich versuche die Frage mal zu beantworten. Also ich habe einen Artikel
geschrieben über die Pläne der kommunistischen Partei von Mao Zedong bis Xi
geschrieben über die Pläne der kommunistischen Partei von Mao Zedong bis Xi
Jinping den Westen ein- und überzuholen. Ja, das war immer das Ziel.
Jinping den Westen ein- und überzuholen. Ja, das war immer das Ziel.
Und Mao war 1958 noch etwas bescheidener,
Und Mao war 1958 noch etwas bescheidener,
weil er hat als Nummer zwei des sozialistischen Lagers dann gesagt,
weil er hat als Nummer zwei des sozialistischen Lagers dann gesagt,
China soll die damalige Nummer zwei, also Großbritannien überholen,
China soll die damalige Nummer zwei, also Großbritannien überholen,
während die Sowjetunion verkündet hat als Nummer eins, sie werden die USA überholen.
während die Sowjetunion verkündet hat als Nummer eins, sie werden die USA überholen.
Aber dann ist eigentlich mit der Reform und Öffnung völlig klar,
Aber dann ist eigentlich mit der Reform und Öffnung völlig klar,
dass die USA der Maßstab ist.
dass die USA der Maßstab ist.
Und daran wird der Erfolg Chinas auch gemessen. Europa spielt da eigentlich gar keine Rolle.
Und daran wird der Erfolg Chinas auch gemessen. Europa spielt da eigentlich gar keine Rolle.
Man idealisiert natürlich die USA jetzt nicht mehr so stark,
Man idealisiert natürlich die USA jetzt nicht mehr so stark,
wie was man zum Teil in den frühen 80er Jahren gemacht hat, aber das ist sozusagen der Maßstab.
wie was man zum Teil in den frühen 80er Jahren gemacht hat, aber das ist sozusagen der Maßstab.
Also interessant ist ja auch, wie wichtig diese internationalen Rankings in
Also interessant ist ja auch, wie wichtig diese internationalen Rankings in
China genommen werden. Zum Beispiel China hat mit dem Shanghai-Ranking ja sogar
China genommen werden. Zum Beispiel China hat mit dem Shanghai-Ranking ja sogar
ein eigenes, relativ einflussreiches geschaffen.
ein eigenes, relativ einflussreiches geschaffen.
China sieht sich als Nummer zwei in der Welt, auf jeden Fall sieht die USA noch
China sieht sich als Nummer zwei in der Welt, auf jeden Fall sieht die USA noch
als Nummer eins und es gibt jetzt keinen genauen Plan. Also Xi Jinping hat ja gesagt, bis zum 100.
als Nummer eins und es gibt jetzt keinen genauen Plan. Also Xi Jinping hat ja gesagt, bis zum 100.
Gründungstag der Volksrepublik China 2049 soll China ein vollentwickeltes sozialistisches
Gründungstag der Volksrepublik China 2049 soll China ein vollentwickeltes sozialistisches
Land mit Weltgeltung sein und soll eine Weltklassearmee haben.
Land mit Weltgeltung sein und soll eine Weltklassearmee haben.
Also man nennt jetzt keinen bestimmten Zeitpunkt mehr, wo man die USA überholen will.
Also man nennt jetzt keinen bestimmten Zeitpunkt mehr, wo man die USA überholen will.
Aber ich glaube, es ist relativ klar, dass man bis Mitte des Jahrhunderts ungefähr so weit sein möchte.
Aber ich glaube, es ist relativ klar, dass man bis Mitte des Jahrhunderts ungefähr so weit sein möchte.
Man hat ja aber, wie ich auch schon gesagt habe, das Wirtschaftssystem der USA
Man hat ja aber, wie ich auch schon gesagt habe, das Wirtschaftssystem der USA
nicht kopiert, weil China bis heute ein hybrides Wirtschaftssystem hat.
nicht kopiert, weil China bis heute ein hybrides Wirtschaftssystem hat.
Auch der Plan spielt ja noch eine Rolle. Die Fünf-Jahres-Pläne sind ja nicht
Auch der Plan spielt ja noch eine Rolle. Die Fünf-Jahres-Pläne sind ja nicht
so wie in der Sowjetunion oder DDR, dass die für die Betriebe konkrete Produktionsziffern ausgeben.
so wie in der Sowjetunion oder DDR, dass die für die Betriebe konkrete Produktionsziffern ausgeben.
Aber es ist eine industriepolitische Planung, welche Sektoren besonders gefördert
Aber es ist eine industriepolitische Planung, welche Sektoren besonders gefördert
werden, welche Sektoren besonders entwickelt werden sollen.
werden, welche Sektoren besonders entwickelt werden sollen.
Das gibt es ja schon noch weiterhin. Und wenn man nach Einflüssen fragt,
Das gibt es ja schon noch weiterhin. Und wenn man nach Einflüssen fragt,
man hat zum Beispiel dann aus Japan Experten eingeladen, um modernes Management einzuführen.
man hat zum Beispiel dann aus Japan Experten eingeladen, um modernes Management einzuführen.
Damals war das japanische Management-Modell als Vorbild eigentlich in der ganzen Welt.
Damals war das japanische Management-Modell als Vorbild eigentlich in der ganzen Welt.
Man hat auch einen Austausch mit den Reformkräften in Osteuropa und Jugoslawien gesucht.
Man hat auch einen Austausch mit den Reformkräften in Osteuropa und Jugoslawien gesucht.
Man hat sich die anderen Erfolgsmodelle in Asien angeguckt, zum Beispiel, was man dafür hielt,
Man hat sich die anderen Erfolgsmodelle in Asien angeguckt, zum Beispiel, was man dafür hielt,
Singapur und zum Beispiel Südkorea, die ja auch diese nachzuholende Modernisierung
Singapur und zum Beispiel Südkorea, die ja auch diese nachzuholende Modernisierung
unter autoritären Vorzeichen vollzogen haben.
unter autoritären Vorzeichen vollzogen haben.
Also da waren die Einflüsse durchaus sehr, sehr vielfältig.
Also da waren die Einflüsse durchaus sehr, sehr vielfältig.
Und auch wenn man in einen chinesischen Buchladen reingeht, also da findet man
Und auch wenn man in einen chinesischen Buchladen reingeht, also da findet man
auch sehr viele aktuelle deutsche Bücher übersetzt.
auch sehr viele aktuelle deutsche Bücher übersetzt.
Also die Haltung ist eher, dass man sich sozusagen aus der ganzen Welt die Dinge
Also die Haltung ist eher, dass man sich sozusagen aus der ganzen Welt die Dinge
rauspicken will, die man irgendwie für sinnvoll hält und nicht jetzt mehr ein
rauspicken will, die man irgendwie für sinnvoll hält und nicht jetzt mehr ein
einzelnes Land kopieren möchte.
einzelnes Land kopieren möchte.
Vielleicht noch einmal ganz kurz zurück zu den Mittelschichten.
Vielleicht noch einmal ganz kurz zurück zu den Mittelschichten.
Ich glaube an einer Stelle schreibst du auch, dass es eigentlich für die kommunistische
Ich glaube an einer Stelle schreibst du auch, dass es eigentlich für die kommunistische
Partei immer klar war, dass es vor allem dort wichtig ist, dass man gewissermaßen
Partei immer klar war, dass es vor allem dort wichtig ist, dass man gewissermaßen
die Menschen sozial integriert.
die Menschen sozial integriert.
Das heißt also, dass es dort ruhig bleiben muss, damit auch das politische System ruhig bleiben kann.
Das heißt also, dass es dort ruhig bleiben muss, damit auch das politische System ruhig bleiben kann.
Es gibt auch diese Redensart von dem Gesellschaftsvertrag,
Es gibt auch diese Redensart von dem Gesellschaftsvertrag,
bei der in gewisser Weise die Mittelschichten den kontinuierlichen ökonomischen
bei der in gewisser Weise die Mittelschichten den kontinuierlichen ökonomischen
Aufstieg mehr oder weniger tauschen gegen weiterhin eher zurückhaltende politische
Aufstieg mehr oder weniger tauschen gegen weiterhin eher zurückhaltende politische
Mitbestimmungsrechte.
Mitbestimmungsrechte.
Heute, würdest du sagen, dass diese Art des Gesellschaftsvertrags weiterhin
Heute, würdest du sagen, dass diese Art des Gesellschaftsvertrags weiterhin
seine Gültigkeit hat oder du dadurch auch angedeutet hast,
seine Gültigkeit hat oder du dadurch auch angedeutet hast,
dass es bestimmte, ja auch ökonomische Probleme dort in diesen Schichten gibt,
dass es bestimmte, ja auch ökonomische Probleme dort in diesen Schichten gibt,
dass sich dort auch Unmut äußert, vielleicht auch, das hatten wir jetzt noch
dass sich dort auch Unmut äußert, vielleicht auch, das hatten wir jetzt noch
gar nicht erwähnt, natürlich durch die Frustration, die auch die staatliche
gar nicht erwähnt, natürlich durch die Frustration, die auch die staatliche
Corona-Politik mit sich gebracht hat?
Corona-Politik mit sich gebracht hat?
Ja, einmal ist das ja sehr interessant, weil die westliche Modernisierungstheorie
Ja, einmal ist das ja sehr interessant, weil die westliche Modernisierungstheorie
hat ja sehr lange gesagt,
hat ja sehr lange gesagt,
wirtschaftliche Entwicklung führt zum Entstehen einer Mittelschicht,
wirtschaftliche Entwicklung führt zum Entstehen einer Mittelschicht,
die läuft an Eigentum an, ist mehr gebildet und die möchte dann auch eines Tages
die läuft an Eigentum an, ist mehr gebildet und die möchte dann auch eines Tages
politische Mitbestimmung haben.
politische Mitbestimmung haben.
Also das ist ja interessant, dass da immer die Mittelschicht eigentlich als
Also das ist ja interessant, dass da immer die Mittelschicht eigentlich als
Triebkraft der Demokratisierung gesehen wurde.
Triebkraft der Demokratisierung gesehen wurde.
Die kommunistische Partei hat aber, glaube ich, sehr früh richtig erkannt,
Die kommunistische Partei hat aber, glaube ich, sehr früh richtig erkannt,
dass sie diese Mittelschicht herausbilden und fördern kann, um das System zu stabilisieren.
dass sie diese Mittelschicht herausbilden und fördern kann, um das System zu stabilisieren.
Das hat, denke ich, auch sehr lange funktioniert und der Wohlstand von breiten
Das hat, denke ich, auch sehr lange funktioniert und der Wohlstand von breiten
Teilen der Bevölkerung ist ja auch in den letzten 40 Jahren massiv gestiegen.
Teilen der Bevölkerung ist ja auch in den letzten 40 Jahren massiv gestiegen.
Und was natürlich jetzt interessant ist, dass jetzt eigentlich zum ersten Mal eine Situation ist.
Und was natürlich jetzt interessant ist, dass jetzt eigentlich zum ersten Mal eine Situation ist.
Da ist, wo es auch unklar ist, wie es weitergeht, weil die Wirtschaft schwächelt in China.
Da ist, wo es auch unklar ist, wie es weitergeht, weil die Wirtschaft schwächelt in China.
Auf jeden Fall gerade für diese akademisch gebildete Jugend ist die Situation
Auf jeden Fall gerade für diese akademisch gebildete Jugend ist die Situation
im Moment nicht einfach.
im Moment nicht einfach.
Mein persönlicher Eindruck jetzt von der letzten Reise war auch,
Mein persönlicher Eindruck jetzt von der letzten Reise war auch,
dass das im Moment noch dadurch abgefedert wird, dass halt viele länger zu Hause
dass das im Moment noch dadurch abgefedert wird, dass halt viele länger zu Hause
leben, von ihren Eltern Geld kriegen, dass manchen Menschen,
leben, von ihren Eltern Geld kriegen, dass manchen Menschen,
die das Leben in Shanghai und Peking zu teuer wird,
die das Leben in Shanghai und Peking zu teuer wird,
weil sie sich von dem Gehalt keine Wohnung mehr leisten können,
weil sie sich von dem Gehalt keine Wohnung mehr leisten können,
dann in die Städte auf sozusagen zweiten oder dritten Niveau im Städteranking
dann in die Städte auf sozusagen zweiten oder dritten Niveau im Städteranking
zurückgehen und da lieber eine Stelle annehmen.
zurückgehen und da lieber eine Stelle annehmen.
Und mein persönlicher Eindruck ist auch, dass eben die Corona-Politik diesen
Und mein persönlicher Eindruck ist auch, dass eben die Corona-Politik diesen
Vertrag zumindest auch zeitweise infrage gestellt hat.
Vertrag zumindest auch zeitweise infrage gestellt hat.
Also die Mittelschicht war ja gewohnt, sie werden im Konsum,
Also die Mittelschicht war ja gewohnt, sie werden im Konsum,
im Privatleben, bei ihren Auslandsreisen, bei diesen Dingen eigentlich vom Staat
im Privatleben, bei ihren Auslandsreisen, bei diesen Dingen eigentlich vom Staat
sehr wenig eingeschränkt.
sehr wenig eingeschränkt.
Und plötzlich war eine Situation da, wo einige Städte wie Shanghai dann einen
Und plötzlich war eine Situation da, wo einige Städte wie Shanghai dann einen
monatelangen Lockdown verhängt haben, wo denn die Leute wirklich in ihren Wohnungen eingesperrt waren,
monatelangen Lockdown verhängt haben, wo denn die Leute wirklich in ihren Wohnungen eingesperrt waren,
wo die Nachbarschaftskomitees, die vorher eigentlich belächelt wurden,
wo die Nachbarschaftskomitees, die vorher eigentlich belächelt wurden,
auf einmal wieder diktatorische Vollmachten hatten, wo Behörden anweisen konnten,
auf einmal wieder diktatorische Vollmachten hatten, wo Behörden anweisen konnten,
dass einzelne Menschen, die
dass einzelne Menschen, die
an Corona krank worden sind, in Lager eingewiesen werden und so weiter.
an Corona krank worden sind, in Lager eingewiesen werden und so weiter.
Und da hat dann die Mittelschicht, denke ich, für viele diesen autoritären Staat
Und da hat dann die Mittelschicht, denke ich, für viele diesen autoritären Staat
auch auf sehr negative Weise erlebt.
auch auf sehr negative Weise erlebt.
Und was noch dazu kommt, dass Xi Jinpings Argument ist ja die ganze Zeit,
Und was noch dazu kommt, dass Xi Jinpings Argument ist ja die ganze Zeit,
dass die Zentralisierung der Macht.
dass die Zentralisierung der Macht.
Und die Wiederherstellung eines handelsfähigen Staates unter einer zentralen
Und die Wiederherstellung eines handelsfähigen Staates unter einer zentralen
Führung der Kern ist, um die gesellschaftlichen Probleme Chinas zu lösen.
Führung der Kern ist, um die gesellschaftlichen Probleme Chinas zu lösen.
Und er hat sich auch bei der Corona-Politik sehr weit aus dem Fenster gelehnt,
Und er hat sich auch bei der Corona-Politik sehr weit aus dem Fenster gelehnt,
indem er gesagt hat, dass er persönlich die Maßnahmen mit entwerfen würde und
indem er gesagt hat, dass er persönlich die Maßnahmen mit entwerfen würde und
persönlich sozusagen für die Umsetzung sorgen würde.
persönlich sozusagen für die Umsetzung sorgen würde.
Und deswegen wird er auch sozusagen als Person mit den Maßnahmen, denke ich, verbunden.
Und deswegen wird er auch sozusagen als Person mit den Maßnahmen, denke ich, verbunden.
Und in der Vergangenheit war es ja üblich, also dann Probleme auf lokale Kader abzuschieben.
Und in der Vergangenheit war es ja üblich, also dann Probleme auf lokale Kader abzuschieben.
Und ja, da denke ich schon, dass einiger Unmut vorhanden ist.
Und ja, da denke ich schon, dass einiger Unmut vorhanden ist.
Und es gab ja dann auch Proteste gegen die Corona-Maßnahmen in vielen Städten.
Und es gab ja dann auch Proteste gegen die Corona-Maßnahmen in vielen Städten.
Allerdings waren das im Vergleich zur Gesamtbevölkerung natürlich eine sehr
Allerdings waren das im Vergleich zur Gesamtbevölkerung natürlich eine sehr
winzige Masse an Menschen.
winzige Masse an Menschen.
Aber diese Proteste haben ja mit dazu beigetragen, dass dann diese Corona-Maßnahmen
Aber diese Proteste haben ja mit dazu beigetragen, dass dann diese Corona-Maßnahmen
ganz plötzlich aufgehoben worden sind.
ganz plötzlich aufgehoben worden sind.
Und das, denke ich, zeigt, dass die chinesische Regierung doch nicht so losgelöst
Und das, denke ich, zeigt, dass die chinesische Regierung doch nicht so losgelöst
ist von der Stimmung in der Bevölkerung, dass sie machen können.
ist von der Stimmung in der Bevölkerung, dass sie machen können.
Was sie wollen, dass sie sehr empfindlich auf Proteste reagieren und da sicherlich
Was sie wollen, dass sie sehr empfindlich auf Proteste reagieren und da sicherlich
auch die Proteste, kann man sagen, teilweise erfolgreich gewesen sind.
auch die Proteste, kann man sagen, teilweise erfolgreich gewesen sind.
Wiederum diese unvorbereitete Öffnung und Abschaffung der meisten Corona-Maßnahmen
Wiederum diese unvorbereitete Öffnung und Abschaffung der meisten Corona-Maßnahmen
hat dann dazu geführt, dass in China besonders also gegen Ende der Pandemie
hat dann dazu geführt, dass in China besonders also gegen Ende der Pandemie
viele Menschen gestorben sind,
viele Menschen gestorben sind,
was auch wiederum natürlich viele kritisch sehen.
was auch wiederum natürlich viele kritisch sehen.
Aber insgesamt muss man sagen, also wenn sich keine gesellschaftliche oder politische
Aber insgesamt muss man sagen, also wenn sich keine gesellschaftliche oder politische
Kraft, die in der Lage oder Willens wäre, das Machtmonopol der kommunistischen
Kraft, die in der Lage oder Willens wäre, das Machtmonopol der kommunistischen
Partei herauszufordern.
Partei herauszufordern.
Vor einiger Zeit ließen sich ja auch so eine ganze Welle von Streiks beobachten,
Vor einiger Zeit ließen sich ja auch so eine ganze Welle von Streiks beobachten,
wo dann auch progressivere Beobachter da so ein bisschen ihre Hoffnungen mit verbunden haben.
wo dann auch progressivere Beobachter da so ein bisschen ihre Hoffnungen mit verbunden haben.
Das hat sich inzwischen auch wieder so ein bisschen zerschlagen,
Das hat sich inzwischen auch wieder so ein bisschen zerschlagen,
diese Hoffnung auch auf gewerkschaftliche Akteure oder vielleicht auch andere
diese Hoffnung auch auf gewerkschaftliche Akteure oder vielleicht auch andere
zivilgesellschaftliche Kräfte,
zivilgesellschaftliche Kräfte,
die an den Machtverhältnissen jetzt nachhaltig etwas verändern.
die an den Machtverhältnissen jetzt nachhaltig etwas verändern.
Die chinesische Regierung hat natürlich diese ganzen Farbenrevolutionen im Ausland
Die chinesische Regierung hat natürlich diese ganzen Farbenrevolutionen im Ausland
genau beobachtet, vom arabischen Frühling bis zu den Maidan-Protesten und so weiter.
genau beobachtet, vom arabischen Frühling bis zu den Maidan-Protesten und so weiter.
Und daraus natürlich die Schlussfolgerung gezogen, dass sie die NGOs und die
Und daraus natürlich die Schlussfolgerung gezogen, dass sie die NGOs und die
Zivilgesellschaft stärker unter Kontrolle nehmen müssen. Und das ist sehr interessant.
Zivilgesellschaft stärker unter Kontrolle nehmen müssen. Und das ist sehr interessant.
Also zeitweise hat die chinesische Regierung den Begriff Zivilgesellschaft selber
Also zeitweise hat die chinesische Regierung den Begriff Zivilgesellschaft selber
positiv genutzt und meinte, es müsste jetzt eine Zivilgesellschaft mit chinesischer
positiv genutzt und meinte, es müsste jetzt eine Zivilgesellschaft mit chinesischer
Besonderheit herausgebildet werden.
Besonderheit herausgebildet werden.
Das ist sozusagen mittlerweile aus dem positiven Vokabular verschwunden.
Das ist sozusagen mittlerweile aus dem positiven Vokabular verschwunden.
Und das war vor allen Dingen 2010, da gab es eine große Streikwelle in China,
Und das war vor allen Dingen 2010, da gab es eine große Streikwelle in China,
wo auch zum Beispiel die Produktion von Honda lahmgelegt worden ist.
wo auch zum Beispiel die Produktion von Honda lahmgelegt worden ist.
Es gab eine Selbstmordwelle bei dem Konzern Foxconn, ein taiwanesischer Konzern,
Es gab eine Selbstmordwelle bei dem Konzern Foxconn, ein taiwanesischer Konzern,
der vor allen Dingen in China für Apple, für Microsoft, für andere westliche
der vor allen Dingen in China für Apple, für Microsoft, für andere westliche
Tech-Konzerne produziert.
Tech-Konzerne produziert.
Und das war so ein Moment, wo doch in China und im Westen auch einige Linke
Und das war so ein Moment, wo doch in China und im Westen auch einige Linke
geglaubt haben, jetzt geht es los, jetzt steht die chinesische Arbeiterinnenklasse auf.
geglaubt haben, jetzt geht es los, jetzt steht die chinesische Arbeiterinnenklasse auf.
Und die chinesische Regierung hat damals auch über Gewerkschaftsreform diskutiert,
Und die chinesische Regierung hat damals auch über Gewerkschaftsreform diskutiert,
dass also die offiziellen staatlichen Gewerkschaften doch stärker eine vermittelnde Rolle spielen.
dass also die offiziellen staatlichen Gewerkschaften doch stärker eine vermittelnde Rolle spielen.
Einnehmen sollten und nicht einfach nur sozusagen Instrument der staatlichen Behörden sein sollten.
Einnehmen sollten und nicht einfach nur sozusagen Instrument der staatlichen Behörden sein sollten.
Und man muss also im Nachhinein sagen, dass also diese Hoffnung ja übertrieben
Und man muss also im Nachhinein sagen, dass also diese Hoffnung ja übertrieben
war und enttäuscht wurde.
war und enttäuscht wurde.
Also es gibt in China auch weiterhin noch Streiks. Vor allem zum Beispiel in
Also es gibt in China auch weiterhin noch Streiks. Vor allem zum Beispiel in
der Plattformökonomie gab es von dem, wie es hier auf Neudeutsch heißt,
der Plattformökonomie gab es von dem, wie es hier auf Neudeutsch heißt,
Riders, auch immer wieder Proteste,
Riders, auch immer wieder Proteste,
wo man auch einige Verbesserungen im Arbeitsrecht dann gemacht hat.
wo man auch einige Verbesserungen im Arbeitsrecht dann gemacht hat.
Man muss aber sagen, diese Streiks sind in der Regel lokal isoliert und die
Man muss aber sagen, diese Streiks sind in der Regel lokal isoliert und die
Streikenden bemühen sich auch sehr,
Streikenden bemühen sich auch sehr,
den Eindruck zu erwecken, dass es ihnen nur um konkrete Forderungen geht,
den Eindruck zu erwecken, dass es ihnen nur um konkrete Forderungen geht,
die die Arbeitsverhältnisse betreffen, dass sie nicht versuchen,
die die Arbeitsverhältnisse betreffen, dass sie nicht versuchen,
eine Gewerkschaftsbewegung ins Leben zu rufen und auch nicht den Staat herausfordern.
eine Gewerkschaftsbewegung ins Leben zu rufen und auch nicht den Staat herausfordern.
Sondern auf jeden Fall sozusagen von dieser Seite ist im Moment jetzt auch kein
Sondern auf jeden Fall sozusagen von dieser Seite ist im Moment jetzt auch kein
großer Aufstand oder eine Herausforderung des Systems in Sicht.
großer Aufstand oder eine Herausforderung des Systems in Sicht.
Jetzt ist natürlich schon der Name Xi Jinping gefallen, der mit dieser wieder
Jetzt ist natürlich schon der Name Xi Jinping gefallen, der mit dieser wieder
stärker autoritären Politik verbunden ist.
stärker autoritären Politik verbunden ist.
Kann man sagen, dass das schon auch sein tatsächlich persönliches Programm auf eine Weise ist?
Kann man sagen, dass das schon auch sein tatsächlich persönliches Programm auf eine Weise ist?
Oder gibt es sozusagen auch nach diesen Jahren der Öffnung, die ja für so ein
Oder gibt es sozusagen auch nach diesen Jahren der Öffnung, die ja für so ein
System immer sozusagen und für so eine Partei immer gefährlich ist,
System immer sozusagen und für so eine Partei immer gefährlich ist,
auch eine Strömung, mit der er an die Macht gekommen ist, sodass sozusagen auch
auch eine Strömung, mit der er an die Macht gekommen ist, sodass sozusagen auch
ohne ihn es einen anderen gäbe?
ohne ihn es einen anderen gäbe?
Also das kann man natürlich nie beantworten, weil das ja auch eine alternative Geschichte bräuchte.
Also das kann man natürlich nie beantworten, weil das ja auch eine alternative Geschichte bräuchte.
Aber wie sehr kann man doch vielleicht sagen, es ist doch Person oder allgemeine Bewegung?
Aber wie sehr kann man doch vielleicht sagen, es ist doch Person oder allgemeine Bewegung?
Ja, ich glaube, es ist eine Antwort auf die Probleme, die es vorher gab,
Ja, ich glaube, es ist eine Antwort auf die Probleme, die es vorher gab,
also das Ausufern der Korruption und stärkere soziale Ungleichheiten,
also das Ausufern der Korruption und stärkere soziale Ungleichheiten,
dass es einen Kultursektor gibt, der völlig kommerzialisiert ist,
dass es einen Kultursektor gibt, der völlig kommerzialisiert ist,
dass es eine Entpolitisierung der Jugend gibt, was als Problem gesehen wurde.
dass es eine Entpolitisierung der Jugend gibt, was als Problem gesehen wurde.
Es gab ja auch dann 2008 einen Aufstand in Tibet, 2009 die Unruhen in Urumschi,
Es gab ja auch dann 2008 einen Aufstand in Tibet, 2009 die Unruhen in Urumschi,
wo man auch Angst hatte, dass sozusagen da die Minderheiten an der Peripherie
wo man auch Angst hatte, dass sozusagen da die Minderheiten an der Peripherie
das System destabilisieren.
das System destabilisieren.
Und Xi Jinping und sein Programm ist, denke ich, eine Antwort auf diese Probleme
Und Xi Jinping und sein Programm ist, denke ich, eine Antwort auf diese Probleme
mit dem Versprechen, dass eben stärkere Zentralisierung und Kontrolle die Lösung ist,
mit dem Versprechen, dass eben stärkere Zentralisierung und Kontrolle die Lösung ist,
um diese ganzen Probleme wieder in den Griff zu bekommen.
um diese ganzen Probleme wieder in den Griff zu bekommen.
Was ist dabei jetzt seine persönliche Note?
Was ist dabei jetzt seine persönliche Note?
Das ist schwer zu sagen. Was natürlich ganz interessant ist,
Das ist schwer zu sagen. Was natürlich ganz interessant ist,
dass er auch seine Person sehr in den Vordergrund rücken lässt,
dass er auch seine Person sehr in den Vordergrund rücken lässt,
wie also kein anderer Parteiführer nach Mao's Tod.
wie also kein anderer Parteiführer nach Mao's Tod.
Dann gibt es jetzt die Xi Jinping-Ideen für den Umweltschutz und die Xi Jinping-Ideen
Dann gibt es jetzt die Xi Jinping-Ideen für den Umweltschutz und die Xi Jinping-Ideen
für das Militärwesen und so weiter.
für das Militärwesen und so weiter.
Eine ganze Staatsideologie für alle möglichen Bereiche entwickelt,
Eine ganze Staatsideologie für alle möglichen Bereiche entwickelt,
die immer mit seinem Namen verbunden ist.
die immer mit seinem Namen verbunden ist.
Das unterscheidet ihn sicherlich von den anderen Parteiführern von Jiang Zemin
Das unterscheidet ihn sicherlich von den anderen Parteiführern von Jiang Zemin
und Hu Jintao, die seine Vorgänger gewesen sind.
und Hu Jintao, die seine Vorgänger gewesen sind.
Und er bringt ja auch sehr stark die Moral und auch die Ideologie wieder ins Spiel.
Und er bringt ja auch sehr stark die Moral und auch die Ideologie wieder ins Spiel.
Das war zwar nie ganz verschwunden, Aber ich kenne das noch aus den frühen 2000er Jahren.
Das war zwar nie ganz verschwunden, Aber ich kenne das noch aus den frühen 2000er Jahren.
Das wurde immer oft nicht sehr besonders ernst genommen und es wurde dann halt abgenickt.
Das wurde immer oft nicht sehr besonders ernst genommen und es wurde dann halt abgenickt.
Und er hat auch den Anspruch, dass die Kommunistische Partei die Ursprünge nicht ganz vergessen soll.
Und er hat auch den Anspruch, dass die Kommunistische Partei die Ursprünge nicht ganz vergessen soll.
Und im Prüfungs- und im Bildungssystem ist das alles auch wieder wichtiger geworden,
Und im Prüfungs- und im Bildungssystem ist das alles auch wieder wichtiger geworden,
die patriotische Erziehung, wo es dann doch jetzt erwartet wird,
die patriotische Erziehung, wo es dann doch jetzt erwartet wird,
dass man an diese Dinge wirklich glaubt und nicht nur sozusagen als Lippenbekenntnisse
dass man an diese Dinge wirklich glaubt und nicht nur sozusagen als Lippenbekenntnisse
oder als Prüfungsfragen dort abspulen kann.
oder als Prüfungsfragen dort abspulen kann.
Und ich glaube aber, das chinesische politische System ist nicht die Diktatur
Und ich glaube aber, das chinesische politische System ist nicht die Diktatur
von einer einzelnen Person.
von einer einzelnen Person.
Diese Partei mit über 90 Millionen Mitgliedern ist doch ein riesiger Apparat,
Diese Partei mit über 90 Millionen Mitgliedern ist doch ein riesiger Apparat,
wo es auch verschiedene Interessensgruppen gibt, wirtschaftlich-politische Konflikte
wo es auch verschiedene Interessensgruppen gibt, wirtschaftlich-politische Konflikte
zwischen Provinzregierungen, unterschiedliche lokale Partikularinteressen usw.
zwischen Provinzregierungen, unterschiedliche lokale Partikularinteressen usw.
Die sich alle in dieser Partei auch widerspiegeln.
Die sich alle in dieser Partei auch widerspiegeln.
Und die westlichen Medien haben ja dann auch berichtet, Xi hätte sich jetzt
Und die westlichen Medien haben ja dann auch berichtet, Xi hätte sich jetzt
zum Lebenszeit, auch zum Diktator ernannt.
zum Lebenszeit, auch zum Diktator ernannt.
Also faktisch ist richtig, die Beschränkung der Amtszeit des Präsidenten auf
Also faktisch ist richtig, die Beschränkung der Amtszeit des Präsidenten auf
zwei Amtszeiten wurde aufgehoben. Es ist jetzt Xi Jinpings dritte Amtszeit.
zwei Amtszeiten wurde aufgehoben. Es ist jetzt Xi Jinpings dritte Amtszeit.
Und ich halte es jetzt nicht für völlig ausgeschlossen, dass wenn...
Und ich halte es jetzt nicht für völlig ausgeschlossen, dass wenn...
Zumindest die politischen Eliten zu dem Ergebnis kommen, dass er nicht liefert
Zumindest die politischen Eliten zu dem Ergebnis kommen, dass er nicht liefert
und sich das Land nicht in eine positive Richtung entwickelt,
und sich das Land nicht in eine positive Richtung entwickelt,
dass es auch zu einem Führungswechsel durchaus kommen kann.
dass es auch zu einem Führungswechsel durchaus kommen kann.
Also China ist, glaube ich, wirklich anders organisiert als so Lehrbuchautokratien
Also China ist, glaube ich, wirklich anders organisiert als so Lehrbuchautokratien
mit einem Alleinherrscher an der Spitze.
mit einem Alleinherrscher an der Spitze.
Vielleicht noch eine letzte Frage in Ihrem gemeinsam herausgegebenen Sammelband
Vielleicht noch eine letzte Frage in Ihrem gemeinsam herausgegebenen Sammelband
über die Zukunft mit China und wie man sie denken könnte,
über die Zukunft mit China und wie man sie denken könnte,
schreibt Ihre Kollegin und ich meine auch akademische Lehrerin Weigelin-Schwizik,
schreibt Ihre Kollegin und ich meine auch akademische Lehrerin Weigelin-Schwizik,
dass die Europäische Union sich auch
dass die Europäische Union sich auch
eher an einem realistischen Stil der China-Politik orientieren sollte,
eher an einem realistischen Stil der China-Politik orientieren sollte,
also durchaus eigene Interessenpolitik in Bezug auf China betreiben sollte,
also durchaus eigene Interessenpolitik in Bezug auf China betreiben sollte,
nicht zu sehr jetzt an einer irgendwie naiven Vorstellung von werteorientierter
nicht zu sehr jetzt an einer irgendwie naiven Vorstellung von werteorientierter
Außenpolitik vielleicht auch hängen bleiben.
Außenpolitik vielleicht auch hängen bleiben.
All diese komplexe Gemengelage, über die wir jetzt gesprochen haben im Hinterkopf,
All diese komplexe Gemengelage, über die wir jetzt gesprochen haben im Hinterkopf,
wie könnte denn aus europäischer Sicht eine einigermaßen progressive China-Politik
wie könnte denn aus europäischer Sicht eine einigermaßen progressive China-Politik
aussehen? Ist es einfach nur Verfahren?
aussehen? Ist es einfach nur Verfahren?
Ist es dann doch eigentlich letzten Endes, geht es dann darum,
Ist es dann doch eigentlich letzten Endes, geht es dann darum,
möglichst die eigenen vor allem ökonomischen Interessen zu sichern oder gibt
möglichst die eigenen vor allem ökonomischen Interessen zu sichern oder gibt
es irgendwelche anderen politischen Perspektiven auch noch, die der Außenpolitik offen stehen?
es irgendwelche anderen politischen Perspektiven auch noch, die der Außenpolitik offen stehen?
Ja, ich sehe jetzt meine Rolle nicht, dass ich irgendwie Politikberatung betreiben muss.
Ja, ich sehe jetzt meine Rolle nicht, dass ich irgendwie Politikberatung betreiben muss.
Also gerade jetzt bei dieser Zuspitzung dieses Konfliktes zwischen China und
Also gerade jetzt bei dieser Zuspitzung dieses Konfliktes zwischen China und
den USA und auch der immer undifferenzierteren Berichterstattung in den Medien,
den USA und auch der immer undifferenzierteren Berichterstattung in den Medien,
sehe ich es eher als meine Aufgabe,
sehe ich es eher als meine Aufgabe,
sozusagen dazu Abstand zu wahren Ja,
sozusagen dazu Abstand zu wahren Ja,
und mich nicht zum unkritischen Fürsprecher der einen oder anderen Seite zu
und mich nicht zum unkritischen Fürsprecher der einen oder anderen Seite zu
machen oder dort Ratschläge zu erteilen.
machen oder dort Ratschläge zu erteilen.
Also mit der Susanne Weideligen-Schwürzig sind wir beide uns sicher einig, dass wir sehr bedauern,
Also mit der Susanne Weideligen-Schwürzig sind wir beide uns sicher einig, dass wir sehr bedauern,
dass sich vor allem die deutsche Politik im Moment so nah an den USA ausrichtet
dass sich vor allem die deutsche Politik im Moment so nah an den USA ausrichtet
und dort wenig eigene Akzente zu erkennen sind.
und dort wenig eigene Akzente zu erkennen sind.
Und generell denke ich, wäre es fatal, sich von China abzukoppeln und dort alle
Und generell denke ich, wäre es fatal, sich von China abzukoppeln und dort alle
Brücken niederzubrennen.
Brücken niederzubrennen.
Also gerade zu Beginn der Ampelregierung hörte sich das ja aus dem Außenministerium
Also gerade zu Beginn der Ampelregierung hörte sich das ja aus dem Außenministerium
so an, dass man jetzt China eigentlich als Feind wie Russland sieht und dort
so an, dass man jetzt China eigentlich als Feind wie Russland sieht und dort
ja möglichst alle Beziehungen und alles,
ja möglichst alle Beziehungen und alles,
was es sonst an Austausch gibt, zurückfährt.
was es sonst an Austausch gibt, zurückfährt.
Ich würde das für fatal halten. Also ich habe auch gerade auf meiner letzten
Ich würde das für fatal halten. Also ich habe auch gerade auf meiner letzten
Forschungsreise wieder gemerkt.
Forschungsreise wieder gemerkt.
Wie sehr sich die Kolleginnen und Kollegen gefreut haben, dass zum Beispiel
Wie sehr sich die Kolleginnen und Kollegen gefreut haben, dass zum Beispiel
der Wissenschaftsaustausch wieder angelaufen ist und gerade die kritischen Kräfte in China,
der Wissenschaftsaustausch wieder angelaufen ist und gerade die kritischen Kräfte in China,
die wollen ja auch den Austausch in jeder Form und von dieser Blockbildung,
die wollen ja auch den Austausch in jeder Form und von dieser Blockbildung,
Dass man die Welt in Gut und Böse,
Dass man die Welt in Gut und Böse,
in Freund und Feind einteilt und dann den ganzen Austausch, den man miteinander hat, zurückfährt.
in Freund und Feind einteilt und dann den ganzen Austausch, den man miteinander hat, zurückfährt.
Das, denke ich, würde auch in China eher den Kräften helfen,
Das, denke ich, würde auch in China eher den Kräften helfen,
die sehr ultranationalistisch sind und in der Abschottung des Landes dann eher einen Vorteil sehen.
die sehr ultranationalistisch sind und in der Abschottung des Landes dann eher einen Vorteil sehen.
Wie sieht eine progressive Außenpolitik aus?
Wie sieht eine progressive Außenpolitik aus?
Also ich würde die Frage anders stellen. Wie sehe eigentlich eine gerechtere
Also ich würde die Frage anders stellen. Wie sehe eigentlich eine gerechtere
Weltordnung aus, die nicht von den Profit- und Machtinteressen weniger Akteure dominiert ist?
Weltordnung aus, die nicht von den Profit- und Machtinteressen weniger Akteure dominiert ist?
Und gut, da gab es ja lange die Hoffnung, dass jetzt sich die Welt mit dem Aufstieg Chinas neu ordnet.
Und gut, da gab es ja lange die Hoffnung, dass jetzt sich die Welt mit dem Aufstieg Chinas neu ordnet.
Aber ich muss sagen, ich bin im Moment auch sehr pessimistisch.
Aber ich muss sagen, ich bin im Moment auch sehr pessimistisch.
Also China fordert als Nummer zwei die Nummer eins die USA heraus.
Also China fordert als Nummer zwei die Nummer eins die USA heraus.
Aber für mich ist jetzt auch nicht erkennbar, dass China eine grundsätzlich
Aber für mich ist jetzt auch nicht erkennbar, dass China eine grundsätzlich
andere Weltordnung möchte als die bisher bestehende kapitalistische.
andere Weltordnung möchte als die bisher bestehende kapitalistische.
Was ich dann doch sozusagen vielleicht, wo ich den progressiven Element sehe,
Was ich dann doch sozusagen vielleicht, wo ich den progressiven Element sehe,
ist, dass sich gerade durch den Aufstieg Chinas jetzt auch die westlichen Staaten
ist, dass sich gerade durch den Aufstieg Chinas jetzt auch die westlichen Staaten
wieder mehr Gedanken machen und sich die Meinung auch wieder weiter durchsetzt.
wieder mehr Gedanken machen und sich die Meinung auch wieder weiter durchsetzt.
Man kann nicht alles dem Markt überlassen, sondern
Man kann nicht alles dem Markt überlassen, sondern
es muss auch gezielte staatliche und gesellschaftliche Planung
es muss auch gezielte staatliche und gesellschaftliche Planung
bei einigen Dingen wie zum Beispiel die Infrastruktur geben und das jetzt auch
bei einigen Dingen wie zum Beispiel die Infrastruktur geben und das jetzt auch
in westlichen Staaten in der USA noch mehr als in Deutschland zum Beispiel dann
in westlichen Staaten in der USA noch mehr als in Deutschland zum Beispiel dann
die Industriepolitik auch wieder zurück ist und es eine gewisse Abkehr von der,
die Industriepolitik auch wieder zurück ist und es eine gewisse Abkehr von der,
sagen wir mal, radikaleren Form des Neoliberalismus gibt, die mal da war.
sagen wir mal, radikaleren Form des Neoliberalismus gibt, die mal da war.
Und das wäre sicherlich ohne den Aufstieg Chinas in dieser Form nicht gekommen.
Und das wäre sicherlich ohne den Aufstieg Chinas in dieser Form nicht gekommen.
Jetzt habe ich vielleicht doch noch eine letzte Frage. Jetzt hast du gesagt,
Jetzt habe ich vielleicht doch noch eine letzte Frage. Jetzt hast du gesagt,
dass die Berichterstattung auch so mittelmäßig hierzulande ist.
dass die Berichterstattung auch so mittelmäßig hierzulande ist.
Vielleicht auch, das hat man ja doch manchmal bei solchen Bereichen dann der
Vielleicht auch, das hat man ja doch manchmal bei solchen Bereichen dann der
Politik eher folgend, als sie zu hinterfragen.
Politik eher folgend, als sie zu hinterfragen.
Jetzt sozusagen als Laie, wer eben kein China Studies Professor ist,
Jetzt sozusagen als Laie, wer eben kein China Studies Professor ist,
wie informiert man sich jetzt am besten über China, wenn man eben doch ein differenzierteres
wie informiert man sich jetzt am besten über China, wenn man eben doch ein differenzierteres
Bild haben will? Hast du da Tipps?
Bild haben will? Hast du da Tipps?
Ja, also was natürlich immer sehr bedauerlich ist, dass oft überhaupt keine
Ja, also was natürlich immer sehr bedauerlich ist, dass oft überhaupt keine
Stimmen aus China zu Wort kommen.
Stimmen aus China zu Wort kommen.
Was ich sehr verdienstvoll finde, es gibt also die Webseite Reading the China
Was ich sehr verdienstvoll finde, es gibt also die Webseite Reading the China
Dream heißt die, wo allerdings nur auf Englisch immer aktuelle Debatten in China
Dream heißt die, wo allerdings nur auf Englisch immer aktuelle Debatten in China
zwischen den fast verschiedenen Strömungen der Intellektuellen übersetzt werden.
zwischen den fast verschiedenen Strömungen der Intellektuellen übersetzt werden.
Und auch Daniel Lese und Schimming haben ein Band herausgegeben im Beck-Palag,
Und auch Daniel Lese und Schimming haben ein Band herausgegeben im Beck-Palag,
wo sie diese Debatten auch mal einem deutschen Publikum zugänglich gemacht haben.
wo sie diese Debatten auch mal einem deutschen Publikum zugänglich gemacht haben.
Man merkt ja, in China gibt es nicht nur Xi Jinping, sondern es ist wie jedes
Man merkt ja, in China gibt es nicht nur Xi Jinping, sondern es ist wie jedes
andere Land, dort gibt es auch unterschiedliche politische, kulturelle Strömungen und so weiter.
andere Land, dort gibt es auch unterschiedliche politische, kulturelle Strömungen und so weiter.
Und Interessensgruppen. Ich lese auch regelmäßig die Le Monde Diplomatiek,
Und Interessensgruppen. Ich lese auch regelmäßig die Le Monde Diplomatiek,
die, finde ich, auch ein differenzierteres Bild auf die Welt hat als die deutschen Mainstream-Medien.
die, finde ich, auch ein differenzierteres Bild auf die Welt hat als die deutschen Mainstream-Medien.
Und ich will ja auch gar keine Medien- und Journalisten-Schelte betreiben.
Und ich will ja auch gar keine Medien- und Journalisten-Schelte betreiben.
Es ist nur, denke ich, sehr auffällig, dass in den deutschen Medien sich immer
Es ist nur, denke ich, sehr auffällig, dass in den deutschen Medien sich immer
mehr Leute zu China äußern, die also weder die Sprache können,
mehr Leute zu China äußern, die also weder die Sprache können,
keine China-Expertise haben und noch nicht mal im Land selber gewesen sind.
keine China-Expertise haben und noch nicht mal im Land selber gewesen sind.
Und das war vorher, glaube ich, anders.
Und das war vorher, glaube ich, anders.
Da galt China noch so als exotisch und man war da lieber vorsichtig.
Da galt China noch so als exotisch und man war da lieber vorsichtig.
Aber mittlerweile kann dort in den Talkshows fast jeder Politikwissenschaftler
Aber mittlerweile kann dort in den Talkshows fast jeder Politikwissenschaftler
etwas zu sagen. Und dabei spielt natürlich auch immer eine Rolle,
etwas zu sagen. Und dabei spielt natürlich auch immer eine Rolle,
welche Narrative man vertritt.
welche Narrative man vertritt.
Also wenn man jetzt sagt, also China ist jetzt die große Bedrohung und so weiter,
Also wenn man jetzt sagt, also China ist jetzt die große Bedrohung und so weiter,
dann wird man dann auch eher eingeladen, als wenn man irgendwie ein differenzierteres
dann wird man dann auch eher eingeladen, als wenn man irgendwie ein differenzierteres
Bild hat oder auch die Entwicklung der deutschen Außenpolitik kritisch sieht.
Bild hat oder auch die Entwicklung der deutschen Außenpolitik kritisch sieht.
Dann sagen wir, Herr Felix Wehmheuer, herzlichen Dank für das Gespräch.
Dann sagen wir, Herr Felix Wehmheuer, herzlichen Dank für das Gespräch.
Ja, mich hat es auch gefreut, ja.
Ja, mich hat es auch gefreut, ja.
Das war die 91. Folge von Das Neue Berlin.
Das war die 91. Folge von Das Neue Berlin.
Felix Wemheuers Buch China, Land von Widersprüchen und Vielfalt ist gerade beim
Felix Wemheuers Buch China, Land von Widersprüchen und Vielfalt ist gerade beim
Papi-Rossa-Verlag erschienen.
Papi-Rossa-Verlag erschienen.
Wir danken euch natürlich auch noch, wie immer, fürs Zuhören und bitten euch,
Wir danken euch natürlich auch noch, wie immer, fürs Zuhören und bitten euch,
empfehlt auch unser Format weiter, online und offline, lasst uns eine gute Bewertung
empfehlt auch unser Format weiter, online und offline, lasst uns eine gute Bewertung
da und unterstützt unser Format auch gerne finanziell.
da und unterstützt unser Format auch gerne finanziell.
Dafür findet ihr weitere Informationen in der Episodenbeschreibung.
Dafür findet ihr weitere Informationen in der Episodenbeschreibung.
Dann soweit erstmal und bis zum nächsten Mal. Macht's gut.
Dann soweit erstmal und bis zum nächsten Mal. Macht's gut.
Tschüss.
Tschüss.
Tschüss.
Tschüss.