Ich kann das gerne mal versuchen, an dem Material der Neuen Rechten zu illustrieren,
weil mir ist auch genau dieses Schillernde oder dieser Widerspruch sehr früh
aufgefallen und ich habe lange gebraucht, um das für mich irgendwie fassbar
zu machen und auch so konzeptionell zu greifen.
So ein Beispiel, in diesen rechten Texten findet man an verschiedenen Stellen
manchmal extrem widersprüchliche Aussagen.
Zum Beispiel, wir können den Entfremdungsbegriff nehmen.
Entfremdung ist ja auch so ein frühmarxischer Begriff, so eine Kritik an der
kapitalistischen Gesellschaft, eine romantische Kritik, die findet man durchaus auch im rechten Denken.
So eine romantische Entfremdungskritik, also die Vorstellung,
dass mit der Moderne, mit der Rationalisierung jetzt ursprüngliche Lebensentwürfe,
eine traditionell integrierte Welt unter die Dampfwalze kommt,
der Moderne. Und das ist schlecht.
Da beginnt quasi die Tragödie der Moderne. Das wäre so ein...
Da trifft sich das, so ein romantischer Entfremdungsbegriff.
Es gibt dann in der sogenannten konservativen Revolution in den 30er,
40er Jahren, gibt es Autoren, die beginnen jetzt plötzlich Entfremdung ganz
affirmativ aufzugreifen und so sagen,
nee, nee, diese ganze moderne technische Welt, die mag zwar vielleicht diese
traditionelle Welt vernichtet haben, aber that's it, so läuft Geschichte,
die schafft jetzt aber dafür wieder neue Autoritäten.
Also der Mensch kann sich jetzt quasi einfach in die Technik einfügen und Technik,
die ist eben unpolitisch, die funktioniert einfach.
Das sind so neue Institutionen, die man sich unterordnen kann und der Mensch
ist im Grunde ja schon immer ein entfremdetes Wesen.
Der Mensch, das unterscheidet ihn vom Tier, das wäre so die Figur von Arnold Gehlen,
einem konservativen Soziologen, der ist quasi entfremdet in der Welt,
das ist sein Grundmodus des Seins und quasi beide Formen Entfremdung als etwas
extrem Positives, Anthropologisches und als eine Tragödie, die findet man nebeneinander in der Neuen Rechten.
Was ähnliches findet man mit der Demokratie zum Beispiel. Demokratie ist was,
das wird im Zuge von 68, Willy Brandt tritt ja an mit mehr Demokratiewagen,
das wird massiv bekämpft.
Demokratie ist eine Perversion im Grunde für die Rechten, ist verbunden mit
einem Aufstieg von Leuten, die jetzt anfangen alles zu verändern.
Alles kontrollieren und kritisieren zu wollen. Gleichzeitig kann Demokratie
natürlich auch in Anspruch gebracht werden und ganz affirmativ besetzt werden,
wie das heute gemacht wird, vor allem von rechtspopulistischen Akteuren.
Und noch ein drittes, man hat das auch mit dem Verhältnis von Masse und Elite.
Ganz klassischerweise ist ein rechtes Denken ein elitäres Denken,
was die Massen verachtet, was Angst hat davor, dass der dritte Stand,
dass die proletarischen Massen jetzt plötzlich klassische hochkulturelle Formen sich aneignen.
Das ist geprägt mit Bildern von chaotischen, vulgären, formlosen Massen,
die die Gesellschaft überrennen und im Grunde all die klassische europäische
Zivilisation bedrohen.
Ähm, gleichzeitig, ähm, hat man heute aber auch gerade im Rechtspopulismus genau
die Umdrehung, dass man nämlich, ähm, die Eliten angreift, die vermeintlich
links, rot, grün, ähm, versüften, heißt es dann häufig noch,
Eliten, ähm, und dass man ja für sich beansprucht, für das Volk zu sprechen,
ähm, wo man jetzt in Klammern dahinter setzen kann, das ist ja dann auch eine
Aneignung dieses Massenbegriffs, ähm, ähm, und man findet ganz,
ganz viele, ähm, Beispiele, wo quasi in unterschiedlichen historischen Zeiten,
ähm, ganz widersprüchliche Aussagen möglich sind.
Ich versuche das in meiner Arbeit so zu lösen, dass ich sage,
es gibt diese rechten Krisennarrative und die sind doppelt konditioniert und
die können nämlich je nach politischer Sachlage in die eine oder in die andere
Richtung formuliert werden.
Und letzter Punkt, das hat damit zu tun, dass das rechte Denken häufig in einer
sozialstrukturellen Mittellage ist.
Das heißt, man bekämpft einerseits Autoritäten oder herrschende Eliten,
die man selbst für illegitim betrachtet, die man angreift, die man ersetzen
möchte. Und gleichzeitig guckt man aber auch mit Skepsis auf die großen,
auf die Masse, die unter einem ist.
Und in beide Richtungen kommuniziert man eben anders.
Und man ist eben gleichzeitig hochgradig elitär und autoritär,
weil man möchte an die Stelle der Autorität.
Und gleichzeitig ist man aber anti-autoritär, weil man die aktuell herrschenden Eliten bekämpft.
Und da versucht natürlich auch die Massen mitzunehmen im Kampf gegen diese illegitimen Eliten.