Transkript von Episode 94: Rechtes Denken und Fühlen – mit Felix Schilk und Florian Spissinger

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Florian Spissinger
Da braucht es einen Übersetzungsschritt, da braucht es ein Deutungsangebot dazwischen
oder ein Gefühlsangebot, würde ich sagen.
Und diese Übersetzung leistet die politische Rechte mit den Narrativen,
mit den Gefühlswelten, die sie verbreitet, sozusagen Gesellschaft zu deuten,
gesellschaftliche Entwicklung zu deuten.
Und dann wird aus Migration Islamisierung, aber das hat eben keinen Automatismus.
Felix Schilk
Deshalb nenne ich das Ganze Krisennarrative. Diese Krisennarrative,
die sind relativ losgelöst von dem, was wir empirisch in der Gesellschaft sehen
können. Also die sind quasi da und völlig egal, wie die Gesellschaft aussehen
würde, würden die Rechten genau diese Krisennarrative mobilisieren und beschreiben.
Und dann funktioniert genau das, was Florian gesagt hat. Dann kann ich nämlich
selektive Evidenzen suchen und das im Alltag validieren.
Hier ist das neue Berlin.
Jan Wetzel
Hallo und herzlich willkommen zur 94. Folge von Das neue Berlin.
Mein Name ist Jan Wetzel.
Leo Schwarz
Und ich bin Leo Schwarz.
Jan Wetzel
Und gemeinsam versuchen wir hier Gegenwart und Gesellschaft zu verstehen.
Hintergründe für den Rechtsruck in vielen westlichen Ländern gibt es viele derzeit.
Wirtschaftliche Transformation, Abwanderung, auch Zuwanderung oder fehlende
staatliche Daseinsvorsorge.
Hört man rechten Agitatoren aber zu, scheint all das mit besonderer Bedeutung aufgeladen zu sein.
Wirtschaftliche Transformation wird zum Irrsinn einer grünen Elite.
Zuwanderung bei manchen zum großen Austausch der Bevölkerung.
Und die Regierung zum Totengräber der Nation stilisiert.
Rechtsruck ist also weit mehr als eine Reaktion auf Probleme.
Rechtes Denken und Fühlen bedeutet eigene Sinngebung in Politik und Alltag.
Sie rechtfertigt politische Entgleisung, die Absage an Demokratie und Menschenrechte,
zumindest in der eigenen Wahrnehmung.
Wir haben heute zwei Gäste in der Sendung, die sich in ihrer Arbeit Rechtem
Denken und Fühlen gewidmet haben, der Erzählgemeinschaft der Neuen Rechten in
intellektuellen Zeitschriften einerseits und der Gefühlsgemeinschaft der AfD andererseits.
Felix Schilk und Florian Spissinger, herzlich willkommen.
Felix und Florian, eure beiden Dissertationen, ich habe es gerade schon gesagt,
sind zu zwei Aspekten eigentlich des selben Themas erschienen.
Sie ergänzen sich, glaube ich, ganz gut.
Sie sprechen auch beide von einer Gemeinschaft schon im Titel und deswegen ist
es schön, beide hier heute gemeinsam zu haben.
Jetzt muss ich am Anfang fragen, gemeinsam entstanden sind sie aber nicht.
Felix Schilk
Nee, das können wir hier mal aufklären. Ich glaube, wir danken uns beiden auch in den Büchern.
Wir kennen uns schon eine ganze Weile. Wir haben gegenseitig verfolgt,
was jeweils andere Personen macht, uns mal gegenseitig besucht haben,
diskutiert, aber kannten jetzt tatsächlich gegenseitig die Manuskripte nicht.
Und ich fand es schön, als ich das dann gelesen habe nach dem Erscheinen,
wie gut das doch tatsächlich ineinander aufgeht und dass das,
obwohl wir aus sehr unterschiedlichen Denktraditionen kommen,
auch aus unterschiedlichen Fächern, in denen wir publiziert haben,
dass doch recht ähnliche Beschreibungen sind, aber mit einem völlig anderen Vokabular.
Jan Wetzel
Der Gedanke war, zum Beginn der Sendung erstmal quasi auf eure Perspektiven
zu blicken und dann zu schauen, wie sich eben diese Perspektiven ergänzen.
Ich habe es jetzt eben Denken und Fühlen genannt. Das werden wir ja dann sozusagen
im Verlauf der Sendung sehen, wie das zusammenpasst.
Vielleicht erstmal zu dir, Felix. Wie bist du zu dem Thema gekommen?
Felix Schilk
Im Studium mit dem Kompaktmagazin beschäftigt, da eine Diskursanalyse gemacht,
das war so der methodische Zugriff darauf, den ich danach weitergeführt habe.
Ich fand das spannend, also das Kompaktmagazin ist wahrscheinlich mittlerweile
bekannt nach der großen Verbotsdebatte, ein rechtsextremes Magazin,
was aber durchaus sehr, sehr vielschichtig ist.
Das stand lange unter dem, oder es wurde zugeschrieben, dass es ein Querfront-Magazin
ist, wo man quasi linke Versatzstücke, rechte Versatzstücke findet.
Und das fand ich immer interessant, wie quasi Leute, die eigentlich eine gewisse
Gesellschaftskritik haben oder teilen, dann doch am Ende in einem rechten Denken landen können.
Das sieht man ja bei dem Chefredakteur von Kompakt so biografisch ganz, ganz stark.
Das hat mich immer fasziniert und dem wollte ich nachgehen, indem ich mir die
Neurechte anschaue, die ja zum Teil auch so ein Schillern hat von irgendwie
Gesellschaftskritik, von auch Kapitalismuskritik und das aber verbunden mit ….
Ja, einem extrem rechten Menschenbild mit einer Affinität für Autorität und
wie das zusammengeht, das fand ich spannend.
Noch einen zweiten Punkt, den ich ergänzen würde, wäre, dass in der Zeit,
als ich das geschrieben habe, das war 2016, ging das los, habe ich so überlegt an der Dissertation.
Und das war eine Zeit, wo die Populismusdiskussion ganz, ganz stark war und
wo es sehr, sehr viele Zeitdiagnosen gab, woran das jetzt liegt.
Also gesellschaftliche Krisenerscheinungen verbunden waren mit Beschreibungen
von Gouvernementalität, von einer neuen Form der Subjektivierung,
der Ansprache und mich haben diese Zeitdiagnosen immer sehr, sehr angesprochen.
Ich fand das sehr plausibel und habe jetzt aber im Laufe der Beschäftigung in
der Dissertation gemerkt,
wie anschlussfähig eigentlich auch Zeitdiagnosen sind an rechte Narrative und
wie schnell quasi Zeitdiagnosen auch kippen können in sehr plakative und von
Stereotypen gezeichnete Gesellschaftsbilder.
Und das könnte man sagen, ist es schon ein bisschen das Ergebnis und deutet
auch auf diesen Titel der Erzählgemeinschaft hin,
dass man eben von Zeitdiagnosen recht schnell wegkommen kann,
von einem soziologisch-analytischen Blick hin zu einer einfach nur Erzählung
von einer plakativen Gesellschaftserzählung,
die sich im Grunde kaum ändert.
Und das ist das, was ich dann versucht habe herauszuarbeiten in dem Buch.
Jan Wetzel
Ich habe schon gesagt, am Beispiel von intellektuellen Zeitschriften,
was du aber auch in der Arbeit machst und was glaube ich ganz wertvoll ist,
ist doch auch so eine längere historische Perspektive nochmal einzunehmen und
auch das fand ich interessant,
du führst das schon zurück auf so einen Denkstil des Konservatismus,
also das heißt, diese neuen Rechten sind für dich so eine Fortentwicklung des Konservatismus,
was ist da so dein Grundgedanke, warum ist der Konservatismus da so zentral?
Felix Schilk
Das kommt tatsächlich auch schon aus meiner Abschlussarbeit, wo ich begonnen habe,
mich mit rechtspopulistischer Agitation zu beschäftigen und damals bin ich auf
ein Buch gestoßen von Karin Priester, einer deutschen Soziologin,
die sich viel mit Populismus beschäftigt hat und die hat damals Karl Mannheims
Konservatismustheorie genutzt, um den Rechtspopulismus analytisch einzufangen.
Sie ist da eine der wenigen, die für mich herausgestochen hat aus der ganzen
eher politikwissenschaftlich geprägten Populismusdiskussion und ich habe dann
Mannheim gelesen und fand das Buch unglaublich instruktiv.
Jan Wetzel
Was ist da so der Unterschied zu der politikwissenschaftlichen Forschung?
Felix Schilk
Mal so grob zusammengefasst könnte man sagen, die Politikwissenschaft hat erstmal
einen anderen Konservatismusbegriff.
Da steht Konservatismus häufig für erstmal was Parteiförmiges.
Es ist ganz, ganz stark verbunden mit deutschen christdemokratischen Parteien
und im Grunde auch mit etwas, was
dann im politischen Handgeben als Liberalkonservatismus oft gelabelt wird.
Mit Karl Mannheim könnte man sagen, eine Konstruktion wie Liberalkonservatismus,
die ist ein völliger Widerspruch in sich selbst.
Mannheim versteht den Konservatismus als eine Ideologie oder als einen Denkstil
und als einen Denkstil, der quasi der Antipode ist des liberalen Denkstils.
Und er ist Wissenssoziologe und rekonstruiert in einer Analyse von konservativen
Texten so die Grundepisteme des konservativen Denkens.
Also das heißt ein Menschenbild, ein Zeitverständnis, ganz wichtige Grundbegriffe und Kategorien.
Und das hat jetzt erstmal gar nichts damit zu tun, wie das in der Politik verortet
ist, sondern das ist quasi der Versuch, eine Weltanschauung zu rekonstruieren.
Jan Wetzel
Auch zu einer anderen Zeit muss man natürlich sagen.
Felix Schilk
Aber natürlich ist das eine Weltanschauung, die fortwirkt, die natürlich ganz,
ganz stark unsere Denkkategorien prägen, unser politisches Koordinatensystem
und als Soziologe finde ich das erstmal viel, viel ansprechender, weil…,
Ich mich jetzt eben weniger für Politik interessiere, oder ich interessiere
mich für Politik, aber jetzt nicht quasi mit der analytischen Perspektive,
sondern eben für Wissensphänomene.
Und ich würde den Konservatismus dann im Anschluss an Mannheim als eine Wissensformation verstehen.
Und das ist natürlich auch viel anschlussfähiger an eine Diskursanalyse,
die versucht auch Episteme, Vorstellungswelten herauszuarbeiten aus Texten.
Jan Wetzel
Also Weltanschauung ist da glaube ich auch schon so ein Begriff,
der ist ja immer, also auch in der Wissenschaft glaube ich kaum verwendet.
Irgendwie ist der dann doch so ein bisschen zu poetisch vielleicht,
aber eigentlich trifft er das schon auch immer ziemlich gut, worum es doch geht.
Also mancher denke ich, den müsste man auch wieder so ein bisschen prominenter wieder verwenden.
Naja, das kann man vielleicht noch dazu sagen, Mannheim natürlich in der Zwischenkriegszeit,
also das heißt, genau, es ist auch noch eine offenere, ein bisschen Gemengelage.
Das ist vielleicht auch so der Unterschied, weil heute das eher so,
weil man jetzt so 60, 70 Jahre Bundesrepublik hat und das so ein bisschen Normalität
ist, die Parteienlandschaft, wie man sie kannte, diese Normalität geht ja gerade verloren.
Kannst du nochmal jetzt sagen, weil da gehst du ja dann eben natürlich über Mannheim hinaus,
diese Verhältnisse so ein bisschen klar zu machen, wie du dann eben insbesondere
die neue Rechte, die du dir dann angeguckt hast, aber auch du hast gesagt,
du kommst von dieser Rechtspopulismusfrage und des Konservatismus,
wie das so zusammenpasst für dich.
Felix Schilk
Ja, gerne. Ich würde nochmal mit den Zeitdiagnosen einsteigen und ich glaube,
das ist vielleicht so ein Missing Link.
Man könnte sagen, Zeitdiagnosen, die haben was Soziologisches,
was Wissenschaftliches.
Auch der Rechtspopulismus hat was Zeitdiagnostisches, der greift nämlich häufig
soziologische Beschreibungen auf, spitzt die zu und verbreitet die.
Der Kern, der dahinter steht, ist im Grunde eine Krisentheorie.
Also die Beschreibung, die Gesellschaft, die aktuelle Gesellschaft ist in der
Krise, es gibt Polarisierung.
Man blickt zurück zu einem gesellschaftlichen Zustand, wo das Ganze,
wo die Krise noch nicht eingesetzt hat. Das ist verbunden mit einer gewissen Nostalgie.
Auch Zeitdiagnosen funktionieren so, dass sie quasi zwei gesellschaftliche Zustände
schreiben, einen integrierteren Zustand und einen Zustand in der Gegenwart,
der quasi durch Desintegration gekennzeichnet ist.
Ist jetzt erstmal bloß so eine Beschreibung, die ist jetzt auch eine unpolitische
Beschreibung, das ist halt eine soziologische Beschreibung.
Soziologie interessiert sich für Krisen, interessiert sich für das,
für gesellschaftliche Integration und Anomie-Phänomene.
Und für mich war jetzt interessant in der Beschäftigung mit dem Konservatismus,
dass der in der Anfangszeit recht stark zusammenhängt mit der Soziologie.
Dass zugespitzt gesagt viele oder zumindest einige soziologische Denkfiguren
und Strömungen geradezu aus dem Konservatismus heraus entstanden sind.
Und das liegt daran, dass der Konservatismus in sich auch ein Krisenphänomen ist.
Er entsteht, das wäre jetzt Mannheims These, in der Gemengelage der französischen
Revolution und er ist das Denken einer bestimmten Gruppe, man kann ihn sozialstrukturell verorten.
Er ist das Denken derer, die gesellschaftliche Hegemonie haben,
die Privilegien haben und die diese jetzt verlieren.
Und ein bisschen plump skizziert könnte man sagen, in der französischen Revolution
hat man eben den Absolutismus, man hat den Adel und die werden jetzt herausgefordert.
Und das führt dazu, dass bestimmte gesellschaftliche Strukturen,
die bis dahin einfach Geltung haben, die nicht in Frage gestellt werden,
die werden jetzt plötzlich zum Gegenstand eines politischen Kampfes.
Und dadurch werden sie sichtbar.
Ich illustriere das immer ganz gern. In der Soziologie gibt es die Methode des
Krisenexperiments in der qualitativen Sozialforschung.
Das funktioniert im Grunde ganz ähnlich. Wir leben im Alltag,
das gibt einen Common Sense, es gibt Alltagswissen, das funktioniert so lange,
bis es irgendwann infrage gestellt wird.
Und dann gibt es die Möglichkeit quasi zu versuchen zu verstehen,
wie ist eigentlich das Alltagswissen strukturiert, wie funktioniert das.
Das macht jetzt auf einer anderen, anders skaliert, auch der Konservatismus.
Das heißt, er beginnt mit der französischen Revolution ein Gespür zu entwickeln
für den eigenen gesellschaftlichen Hintergrund.
Er beginnt plötzlich für davor einfach im Kommensens verankerte Erfahrungen
Begriffe zu entwickeln, Beschreibungen zu entwickeln.
Er beginnt auch eine Hegemonie-Theorie zu entwickeln, nämlich eine Analyse der
Gesellschaft mit dem Ziel, seine Privilegien zu verteidigen und auch in dieser
Gesellschaft weiterhin wirken zu können.
Also so kurz gesagt, Mannheim fasst das schön zusammen, indem er sagt,
der Konservatismus ist das Reflexivwerden des Traditionalismus.
Das ist genau diese Beschreibung, die ich gerade geleistet habe.
Also Traditionalismus heißt, wir sind in einer Lebenswelt, die funktioniert
einfach, dann kommt es zu Störungen, es kommt zu Machtkämpfen und das führt
dazu, dass sich der Konservatismus selbst befragen muss.
Und dann beginnt er zu einer Ideologie im modernen politischen Sinne zu werden.
Und wenn ich jetzt Ideologie sage, dann meine ich das erstmal ganz wertneutral.
Mannheim hat einen, er nennt das totalen Ideologiebegriff. Das heißt,
jede sozialstrukturell verankerte Gruppe hat eine bestimmte Weltanschauung,
hat ein bestimmtes Denken, hat Interessen, hat Werte,
hat Vorstellungswelten und die kann man jetzt eben versuchen analytisch abstrakt
erstmal zu beschreiben und das kann man dann als Ideologie beschreiben.
Also das wären dann Ideologien für Mannheim und der Konservatismus ist eben
eine davon, die man rekonstruieren kann.
Und letzter Punkt, meine These wäre jetzt, dass auch die neue Rechte ganz,
ganz viel dieser konservativen Weltbeschreibungen teilt und tradiert und dadurch auch gut erklärbar ist.
Jan Wetzel
Also das erste Mal denken, was entsteht, wie du es gesagt hast.
Die Welt ändert sich und die eigene Position verschlechtert sich oder wird hinterfragt,
ist nicht mehr selbstverständlich. Und jetzt muss man irgendwie gucken,
wie man dafür eine Erklärung findet und seine eigenen Positionen dafür eine Erklärung findet.
Und der Gedanke ist jetzt, dass solche Gemengelagen auch immer wieder sozusagen
in den letzten 250 Jahren auftreten.
Das heißt, es gibt immer wieder neue Konstellationen, in denen dann dieser Konservatismus
von neuen Gruppen mit neuen Begriffen in neuen Gestalten doch eine Tradition dann entwickelt.
Felix Schilk
Das wäre eine These, die ich mache, genau. Und das sage ich gleich vorweg,
ich habe jetzt keine griffige Konservatismus-Definition in der Arbeit,
sondern ich versuche mich denen aus verschiedenen Perspektiven zu nähern.
Das eine, was du gerade gesagt hast, wäre, den sehr, sehr relativ zu verstehen
und einfach als ein Denken von Gruppen zu verstehen, die mal gesellschaftlich
in einer hegemonialen Position waren und jetzt vom Abstieg bedroht sind.
Und das kann eben der Adel sein, das können die Großgrundbesitzer sein,
das kann das Bürgertum sein, das können heute auch eine Lebenswelt der Industriearbeiter
sein, die von einem sozialstrukturellen Wandel bedroht ist.
Und da könnte man quasi sagen, die Konstellationen, in der sich diese sozialstrukturellen
Gruppen befinden, die sind quasi anfällig erstmal für konservative Erfahrungswelten,
also quasi für einen ähnlich gelagerten Reflexionsprozess und den Versuch,
es gibt ja dieses plakative Wort des Privilegienverlusts in der Populismusforschung,
das aufzuhalten, aber nicht nur das, sondern auch die ganze Weltanschauung quasi
irgendwie zu verteidigen und aufrechtzuerhalten. Das ist das eine.
Das zweite ist jetzt, wenn man sich den Konservatismus anguckt,
dann ist das nichts Statisches, sondern eine hochgradig dynamische Ideologie,
die sich im Verlauf des historischen Wandels immer wieder anpasst.
Ein Beispiel wäre, wie sich der Konservatismus im 19.
Jahrhundert den Volksbegriff angeeignet hat. Also eigentlich ist er in der französischen
Revolution ja ein Elite-Phänomen und die Kategorie des Volkes,
auch der Nation, das sind hochgradig revolutionäre Begriffe,
progressive Begriffe in dem Sinne, die gegen...
Die feudale Lebenswelt und den Adel formuliert werden. Das verändert sich im Laufe der Zeit.
Die Nation wird irgendwann auch eine positive Bezugsgröße für konservative Gruppen. Das ist im 19.
Jahrhundert. Genau das Volk beginnt dann erst im 20. Jahrhundert in den 10er,
20er Jahren reclaimed zu werden von den Konservativen.
Heute könnte man auch sagen, wenn man sich den Rechtspopulismus anguckt,
passiert was ganz ähnliches mit der Demokratie.
Wenn Rechtspopulisten, Populistinnen für sich in Anspruch nehmen,
die wahren Demokraten zu sein.
Das sind alles ganz typische Phänomene, die wir schon seit der Französischen
Revolution beobachten können.
Wie der Konservatismus sich versucht, Sprache seiner politischen Gegner anzueignen
und zu besetzen und damit erfolgreich zu sein.
Leo Schwarz
Da würde ich auch gerne nochmal nachfragen, wie ist jetzt die Beziehung wirklich
zur neuen Rechten? Weil für mich war Konservatismus immer schon auch irgendwie
was anderes als die Rechte im starken Sinne.
Also das ist jetzt noch nicht immer automatisch Faschismus,
aber da steht für mich beim rechten Denken schon auch tatsächlich wieder so
ein politischer Gestaltungsanspruch im Vordergrund, der eigentlich auch für
mich fast wieder was so was eigenständig modernistisches hatte.
Wogegen das Konservative eigentlich für mich immer eher das Bewahrende war,
das Zurückhaltende, das Bestehende sozusagen nur behalten möchte.
Aber das wirklich rechtsreaktionäre Denken schien mir immer noch ein bisschen
darüber hinaus zu gehen.
Also auch eine größere Dynamik, auch einen größeren Gestaltungsanspruch mitzubringen.
Ist das ein falscher Eindruck oder wie würdest du da die Beziehung jetzt genau
herstellen, überhaupt auch die Kontinuität?
Felix Schilk
Ich würde da erstmal versuchen, die Begriffe zu klären, zu beschreiben,
wie man diese Begriffe verstehen kann.
So die klassischen Begriffe wären ja rechtsreaktionär, konservativ,
die werden durchaus unterschiedlich verwendet.
Rechts und links kommt historisch aus einer Sitzordnung. Man könnte sagen,
die Linken sind die Anhänger der Menschenrechte der Revolution, des Dritten Standes.
Die Rechten sind eher die Verteidiger des Auktionregimes, das wäre die eine Aufteilung.
Konservativ ist im Grunde der Gegenbegriff zu progressiv.
Also quasi ein Denken, du hast gesagt, was Bewahrendes hat,
was quasi gesellschaftliche Institutionen versucht zu bewahren,
während das Progressive viel stärker den Anspruch hat, die umzugestalten,
einen viel stärkeren positiven Zeitbezug hat, sich Geschichte vorstellt,
also einen fortschreitenden Prozess der Entwicklung.
Man hat dann noch reaktionär, das ist quasi der Gegenbegriff zu revolutionär,
könnte man sagen, oder man hat Aktion, Reaktion.
Die Reaktion reagiert quasi jetzt historisch auch auf die französische Revolution
oder auf die entstehende bürgerliche Gesellschaft, die Aufklärung.
Die Begriffe, die schillern, die werden jetzt unterschiedlich verwendet und
natürlich sind die auch immer Gegenstand von Deutungsprozessen.
Interessant ist zum Beispiel historisch, aber...
Der Konservatismus wurde ganz unterschiedlich verwendet. Einer der ersten,
der ihn verwendet, ist zum Beispiel Napoleon, der ihn benutzt,
um die Errungenschaften der Revolution konservieren zu wollen.
Also eine ganz andere Vorstellung als dann später, als dann die Restauration einsetzt.
Ich würde jetzt sagen, das ist jetzt weder richtig noch falsch,
sondern politische Akteure kämpfen natürlich um Deutungen von solchen Begriffen.
Mich als Soziologe interessiert es erstmal, das zu verstehen und ich würde die
relativ synonym verwenden und darauf hinweisen, dass ganz, ganz viel davon abhängt,
in welcher historischen Lage wir uns befinden.
Das gibt mal bewahndere Zeiten und die gleichen politischen Akteure,
die können mal als bewahnte Akteure auftreten, aber auch als hochgradig disruptive
Akteure. Das ist ja auch was, was wir aktuell überall beobachten auf der Welt.
Eine große Verwunderung, wie einst integrative, christdemokratische Parteien
der Mitte oder die Republikaner in den USA plötzlich zu extrem disruptiven Parteien werden.
Und das hat meines Erachtens damit zu tun, dass diese Parteien ja vor allem
auch Machtapparate sind, Machtmaschinen, die sehr gut verstehen,
wie sie jetzt, welche Kommunikation sie anlegen müssen, welche Themen sie bespielen
müssen, um einfach auch politisch erfolgreich zu sein.
Da steckt eine gewisse Skrupellosigkeit dahinter und aus meiner historischen
Beschäftigung mit dem Konservatismus würde ich sagen,
dass der Konservatismus ja als Ideologie einfach relativ skrupellos ist und
bereit ist, viele inhaltliche Kompromisse zu machen,
um einfach weitere Machtperspektiven zu haben.
Und das unterscheidet ihn auch von zum Beispiel einer liberalen Ideologie,
die viel, viel stärker durch gewisse Werte und Grundeinstellungen geprägt ist.
Die hat der Konservatismus nicht in dem Sinne und ...
Das sagt er ja auch immer wieder, oder sagen konservative Autoren immer wieder,
wenn sie reklamieren, selbst ideologiefrei zu sein.
Das ist nämlich genau diese Beschreibung, dass man im Grunde relativ anpassungsfähig
ist an gesellschaftliche Konjunkturen und nicht so stark an dem hängt,
was man schon früher gesagt hat.
Jan Wetzel
Jetzt hast du schon von den Autoren gesprochen, vielleicht dazu noch ein Wort.
Ich habe gesagt, es geht ums Denken. Du hast vor allem dir Zeitschriften angeschaut,
auch rechtsextremmende Zeitschriften, könnte man sagen, aus Frankreich und Deutschland.
Wie kam es zu dieser Quellenwahl?
Felix Schilk
Es gibt eine sehr, sehr starke Verflechtung der deutschen und der französischen
neuen Rechten. Das wäre die eine gegenstandsbezogene Begründung.
Es ist natürlich sinnvoll, für eine Diskursanalyse einen gewissen Kontrast zu
haben, um einfach mehr sehen zu können im Material. Und dann jetzt eine ganz
pragmatische Entscheidung war, dass ich Französisch ist eine Sprache,
die ich spreche und ich wollte das gerne nochmal auffrischen.
Ich hatte Lust nach Frankreich zu gehen und insofern hat sich das angeboten,
quasi diese Perspektive damit reinzubringen. Man kann jetzt auch weitergehen
und sagen, dass für die Soziologie natürlich die französische Ideengeschichte
und die politische Geschichte auch extrem interessant ist, viel stärker als andere Länder.
Und dass ich jetzt in dieser Beschäftigung mit der französischen neuen Rechten
auch nochmal sehr, sehr viel über die Entstehung der Soziologie gelernt habe,
viel gelernt habe über darüber, wie Soziologie in Frankreich funktioniert,
darüber auch wie Schreiben, auch wie bestimmte Textgattungen,
bestimmte Darstellungsweise in Frankreich funktionieren.
Und das hat mir, würde ich sagen, sehr, sehr stark geholfen,
viele auch zeitgenössische Debatten besser zu verstehen.
Also Stichwörter, Postmoderne, Poststrukturalismus, das ist ja manchmal auch
gekoppelt mit so einer Auseinandersetzung von Populismus, von Links, Rechts etc.
Jan Wetzel
Ja, zu der Verknüpfung solcher theoretischen Texte und Zeitschriften mit dem
Alltag sozusagen, dem rechtspopulistischen, kommen wir dann glaube ich später
in der Sendung. Dann doch erstmal noch zu dir, Florian.
Jetzt habe ich gesagt, wir haben Denken und Fühlen heute.
Du hast dir die AfD in dem Fall ganz
praktisch als Gefühlsgemeinschaft angeguckt. Wie kam das bei dir dazu?
Florian Spissinger
Es war, wie bei Felix, ein langer Weg dahin, würde ich mal sagen,
bis ich dann am Ende bei meinem Forschungsthema, meiner Forschungsfrage war.
Also anfangs, also ich während der Feldforschung, ich habe ja ethnografische
Feldforschung betrieben zur Datenerhebung, wie man sagen würde,
da war das Forschungsthema noch sehr viel breiter.
Und es hat sich erst so während dem Analysieren und Schreiben so richtig rauskristallisiert,
dass jetzt, denke ich, auch erstmal für so ein Forschungsprojekt nichts, ja, was ganz Übliches.
Initial war so das Forschungsinteresse an rechter Politik allgemein,
würde ich mal sagen, kam so verstärkt im Masterstudium, also irgendwie 2016, 17, 18.
Da hatte ich dann auch so die ersten Berührungspunkte mit Emotionssoziologie,
Affekttheorie, von denen ich ja auch dann einige Konzepte im Dissertationsprojekt
dann für rechte Forschungskontexte fruchtbar gemacht habe.
Prägend war, denke ich, sich dann stark auf dieses Thema, ich sage mal,
rechte Gefühlspolitik, Affektpolitik zu konzentrieren.
Das ist da so eine, ja, ich hatte den Eindruck, alle haben da bestimmte Bilder,
bestimmte Vorstellungen im Kopf, auch wenn man die Literatur so durchgeguckt hat.
Aber tatsächlich habe ich da zumindest 2018 nur sehr wenige Bücher gefunden,
die mir irgendwie überzeugend erklären konnten, wie das genau funktioniert.
Und das hat mich, muss ich schon sagen, angetrieben.
Und ja, für so den endgültigen Fokus auf dieses rechte Wohlfühlen,
wie ich es ja nenne, also auch diese, ja, ich sag mal, attraktive Facette rechter Politik.
War dann letztlich meine Feldforschung.
Weil ich dort eben beobachten konnte, dass diese rechte Gefühlspolitik im Detail
ganz anders funktioniert, als ich das mir, oder nicht ganz anders,
sondern schon anders funktioniert, als ich mir das auf der Basis quasi von damaliger
Literatur vorgestellt habe.
Und dann gab es eben auch diese Überraschungsmomente in der Feldforschung.
Und es war dann eben auch anders, als man es so vielleicht medial und lebenswertlich sich so vorstellt.
Also nicht so diese vereinfachten Vorstellungen bei AfD-Veranstaltungen,
wenn die Leute zum Beispiel nur top-down verführt werden oder so.
Man könnte diese Gefühlspolitik auf so eine Handvoll negativer Emotionen reduzieren wie Hass, Wut, Angst.
Manchmal wird noch Nostalgie hinzugenommen. Kurz gesagt, ich habe dann Forschungsbedarf auch gesehen,
sich diese, ich nenne es neue rechte Gefühlsarbeit, mal näher anzugucken und
da hatte ich die Hoffnung, die Erwartung, dass diese Kombination aus ethnografischer
Forschung, also Forschung aus der Nähe und Ansätzen, die.
Erstmal nicht aus dem Kontext kommen, aber mir ein so begriffliches Sensorium
bieten, einen sehr nuancierten Zugang zu Affekten, Emotionen, Gefühlen.
Und ja, insofern kann man glaube ich schon erahnen, dass diese Arbeit ja so
eine andere Perspektive auf die AfD bietet, als man es jetzt vielleicht aus
der politikwissenschaftlichen Parteienforschung oder Populismusforschung.
Jan Wetzel
Es gibt ja diese bekannten, also zumindest wer aus Ostdeutschland kennt hier
diese T-Shirts mit solchen Sprüchen, da muss ich immer mal dran denken.
Da gibt es zum Beispiel eins, da steht dann irgendwie so Ostdeutschland in so
einer Frakturschrift, da wo man noch sagt, was man denkt.
Und wenn ich sozusagen immer diese Sprüche lese, ab und zu sieht man ja dann
noch sowas, da muss ich dann jetzt beim Lesen deiner Arbeit dran denken,
dass es dort oft um so ein Wohlgefühl geht, irgendwie sowas Trotziges,
aber niemals eigentlich mit einer negativen Emotion,
sondern so irgendwie wir sind hier irgendwie noch ganz wir selbst.
Und wie du schon gerade gesagt hast, wenn man das ernst nimmt erstmal,
dann ist die Beschreibung offenbar falsch, einfach zu sagen,
das ist eine Politik der Angst und so weiter.
Das finde ich auf jeden Fall einen interessanten Ansatz. Du hast jetzt gesagt,
du hast Feldforschung gemacht,
das heißt, du hast dich unter so AfD-Stammtische und so weiter gemischt und
dann einfach geguckt, was machen die und wie entstehen eigentlich sozusagen
dort diese Kohäsionen über gemeinsame Gefühle oder wie kann man sich das vorstellen?
Florian Spissinger
Im Prinzip kann man sich das so vorstellen. Gemischt erweckt aber,
glaube ich, so ein falsches Bild.
Also ich bin da jetzt nicht sozusagen investigativ hingegangen,
sondern ich bin da offen in der Rolle als politikwissenschaftlicher Doktorand,
damals der Universität Leipzig, eben hingegangen.
Und im Prinzip waren das auch unterschiedliche Formate. Also du hast jetzt so
diese Stammtisch-Formate genannt, das sind dann eher, so würde ich zumindest,
diese kleineren AfD-Veranstaltungen, die in Nebenzimmern von Gasthöfen oder so eher stattfinden.
Es gibt auch größere natürlich, die ja so im Vortragsstil sind mit Podiums,
manchmal mit Podium und so, die habe ich auch besucht, wo dann am Ende quasi
erst das Publikum mit Fragen oder so Raum bekommt.
Und dann war ich aber auch viel an Wahlkampfständen einfach.
Und habe dort beobachtet, bin ins Gespräch gekommen, ja, habe auch Leute dann
bei den Veranstaltungen angesprochen, gefragt.
Vor allem habe ich eigentlich, muss man tatsächlich sagen, viel zugehört.
Also ich habe nicht sonderlich viele Fragen gestellt in der Regel bei der Forschung,
sondern zugehört und ja, habe dann manchmal Leute für Gruppeninterviews rekrutiert, solche.
Genau, also es ist so eine ganz bunte Mischung, aber es ist jetzt auch nicht
nur, also das ist so der Feldforschungsteil.
Ich habe das Ganze, weil ich ja die AfD jetzt nicht ganz solitär betrachten
wollte und ja sowas wie so eine Gefühlswelt, die ich Neurechte-Gefühlswelt nenne,
herausarbeiten wollte.
Und dafür habe ich auch Materialien aus anderen Ecken des Neurechten-Gefühlsnetzwerks sozusagen verwendet.
Also neurechte Literatur, natürlich nicht in der Intensität,
wie das jetzt Felix gemacht hat, aber sozusagen die auch mit einbezogen,
aber auch so, sagen wir mal, Flyer von der AfD,
also andere Materialien eben, Flyer, Videos und so weiter, die ich in die Analyse
dann mit einbezogen habe.
Also es ist so ein Mix an Materialien, aber Basis sind diese ethnografischen Beobachtungen.
Jan Wetzel
Im Gegensatz zu Felix warst du sozusagen im direkten Kontakt dann eben mit der AfD.
Welche Erfahrungen hast du da gemacht? Waren die Leute grundsätzlich offen oder
das ist ja immer spannend, wenn man sich sozusagen da reinbegibt.
Und ach das vielleicht noch, du hast sozusagen einfach die Ortsverbände und
so weiter angeschrieben und gefragt, kann ich da vorbeikommen?
Florian Spissinger
Und tatsächlich habe ich den nicht angeschrieben so bin einfach hingegangen
ich halte das auch für die also ich das war die erfolgsversprechende taktik
gewissermaßen als ich bin einfach hingegangen und,
Und habe mich vorgestellt und dann war ich da und dann kommen wir eigentlich
schon zu deiner Frage. Dann war es im Prinzip so, dass anfänglich gab es dann
schon so eine Teilskepsis oder Irritation, dass jetzt irgendwie ein Wissenschaftler vor Ort ist.
In der Regel überwog dann aber so das Verlangen, sich mitzuteilen,
sich zu erklären, auch sich zu rechtfertigen, warum man jetzt bei der AfD,
bei einer AfD-Veranstaltung ist.
Und einige zeigten sich, würde ich sagen, auch sehr froh, dass mal jemand mit
ihnen redet und sozusagen nicht nur aus der Ferne über sie schreibt.
Und ja klar, das war auch mit der Hoffnung verbunden, dass da eine,
wie sie sagen oder wie mir auch klar gesagt wurde, neutralere,
objektivere Wissenschaft herauskommt.
Und damit meinten sie gewissermaßen schon eine ihre Ansichten entlastende Forschung.
Also es ging immer auch oder mit auch darum, mich sozusagen von ihrer Sicht
der Dinge zu überzeugen.
Ja, generell würde ich sagen, die Leute, die ich erlebt habe,
waren vor allem bei den kleineren AfD-Veranstaltungen oder die lokalen Wahlkämpferinnen
und waren eher redselige Gesprächspartnerinnen.
Also wie gesagt, ich habe da nicht allzu viele Fragen stellen müssen.
Oft habe ich auch nur zugehört.
Und die haben mir gegenüber auch sehr ungehemmt mit Überzeugung,
auch aus einer Selbstverständlichkeit heraus, Dinge gesagt, die ich jetzt nicht wiederholen würde.
Also das hat mir dann schon während der Forschung, könnt ihr euch vorstellen,
mindestens Bauchschmerzen bereitet.
Also diese da war schon so eine Gleichzeitigkeit, das natürlich auch trägt noch
zu dem Gefühl bei, also diese,
Gleichzeitigkeit, dass unsere Interaktionen zwar so höflich im Umgang miteinander
abliefen, aber dass ich mich sozusagen aufgrund der Aussagen permanent am falschen
Ort geführt habe, also wie so ein Gefühlsfremder im Raum, also der einzige Gefühlsfremde
im Raum bei einer AfD-Veranstaltung.
Leo Schwarz
Wieso hast du denn überhaupt dich zu erkennen gegeben eigentlich?
Also du hättest ja auch inkognito dahin gehen können oder irgendeinen anderen
Vornamen sagen, wenn dich jemand fragt.
War das irgendwie forschungsethisch begründet oder so?
Weil du wirst ja dann auch anders behandelt und du hast natürlich dann auch
eine andere Situation für die anderen geschaffen, die dann gleich wissen,
da hört jetzt jemand mit, der nicht unbedingt Gesinnungsgenosse ist, oder?
Florian Spissinger
Ja, das hätte primär forschungsethische Gründe, würde ich sagen.
Und ich halte auch nichts von der Vorstellung, dass es sozusagen natürliche
und unnatürliche Forschungssituationen gibt, also das scheint mir eine bisschen merkwürdige Idee.
Tatsächlich finde ich auch gerade die Reaktionen auf mich,
also was ich jetzt gerade gesagt habe, die Rechtfertigung, die Selbstnarrative,
die wollte ich erforschen, also insofern ist es total sinnvoll,
dass ich als Person da war und natürlich muss man reflektieren,
dass es sich sozusagen um um rechtfertigungs narrative handelt aber genau das
da ich ja das rechte wohlfühlen heraus,
arbeiten will wollte dazu gehört ja auch diese diese narrative moralische entlastung
und wenn die sozusagen sich mir gegenüber moralisch entlasten ist es natürlich sehr eindrücklich.
Jan Wetzel
Also was man ja ich habe selber jetzt noch nicht so eine arbeit gemacht auch
was man ja auch immer hört ist das vielleicht am anfang so ein bisschen die
distanz da ist und so weiter aber dass man dann relativ das schnell vergisst
und wenn du sagst, du hast da wirklich das volle Programm an menschenverachtenden Aussagen gehört,
dann spricht das ja zumindest auch dafür, dass sie da keine große Scheu hatten.
Vielleicht können wir nochmal auf so, was wir eben schon hatten,
so diese Grundthese eingehen, dass eben, dass dort keine Veranstaltung von Angst
und Hass nur ist, sondern eben eigentlich so Wohlfühl, Wohlfühlatmosphäre herrscht.
Das ist schon sozusagen deine Grundthese und die würdest du auch sagen,
das ist ganz wichtig für die, für das das Selbstverständnis und den Zusammenhalt
und die Vergemeinschaftung.
Du sprichst ja auch von einer Gemeinschaft dieser Gruppe.
Florian Spissinger
Ja, genau. Also ich spreche da von rechtem Wohlfühlen.
Man darf sich das aber nicht, glaube ich, so vorstellen, als wäre das so eine
ganz bequeme Situation, die dieses rechte Wohlfühlen hat.
Dazu habe ich auch ein Kapitel geschrieben, auch viel mit Schimpfen zu tun.
Aber das Schimpfen wird dann eben auch als befreiend erlebt,
befreiend, dass man hier überhaupt schimpfen kann, so wie man möchte und so.
Also das ist ein Komplex, was ich damit meine.
Die Grundidee ist erstmal...
Dass ich so den Begriff überhaupt setze, ist wegzukommen von dieser vereinfachten
Vorstellung, wie du es vorhin auch genannt hast, so, ja, da geht es allein um Hass und Angst.
Also wir haben diese, ich meine, das ist erst mal naheliegend auf diese,
ich sage mal, negativen Emotionen zu schauen und darauf zu fokussieren.
In Anbetracht der offenkundig rassistischen Empathielosigkeit,
dem Abarbeiten an Feindbildern, worum es bei dem Schimpfen natürlich zum Beispiel
auch viel geht. oder auch diesen ganz da destruktiven Folgen dieser Politik.
Aber wenn man eben, so wie ich, dieses rechte Wohlfühlen verstehen will oder
die Anziehungskraft, die Attraktivität, dann hilft es eben auch, den Blick zu weiten.
Und meine Forschung ist jetzt quasi keine Absage an Forschung zu negativen Emotionen,
sondern ich verstehe das eher nicht als Ersatz, sondern als eine Ergänzung,
als eine Vorkomplizierung.
Hin, ja, sensibel zu werden für diese Identitätsstiftung, das du jetzt gerade
vergemeinschaften, moralisch entlastenden, ja, ermächtigend auch ermutigenden
Selbstnarrative der Akteurin selbst zu bekommen.
Also auch diese ganzen attraktiven Gefühlspositionen, die für rechte Anhängerinnen
da sozusagen bereitstehen.
Jan Wetzel
Jetzt könnte man ja sagen, dass letzten Endes jede Partei, auch Bewegungen,
vor allem politische Bewegungen, solche Räume brauchen.
Also man braucht natürlich irgendwie so ein auch gutes Gefühl,
ein moralisches Selbstverständnis auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen und so weiter.
Das heißt, es ist jetzt erstmal nicht überraschend, dass auch eben rechte Bewegungen
oder in dem Fall der Rechtspopulismus, die AfD, sowas hat.
Du hast jetzt natürlich keine vergleichende Forschung gemacht und warst dann
bei den anderen Wahlständen sozusagen,
aber würdest du trotzdem sagen, dass eben diese Gefühle und auch dieses rechte
Wohlfühlen doch nochmal was anderes ist als zum Beispiel eben ein grünes Wohlfühlen
oder spielen die Emotionen da doch vielleicht eine besondere Rolle?
Florian Spissinger
Ich muss tatsächlich sagen, dass ich habe jetzt keine vergleichende Arbeit geschrieben,
aber meine Feldforschung war durchaus von Kontrasten geprägt.
Also nicht nur, dass ich sozusagen an zwei Orten war und dass ich mir ganz unterschiedliche
Materialien angeguckt habe, sondern während der Feldforschung hatte ich noch
die Idee, dass ich die AfD in so lokalen Affektdynamiken betrachte.
Und deshalb war ich tatsächlich auch bei anderen Wahlkampfständen.
Und das hat mich gewissermaßen schon auch sensibilisiert, die Dinge,
die ich bei der AfD beobachtet habe oder im AfD-Kontext beobachtet habe,
nochmal klarer zu sehen.
Dennoch ist es natürlich jetzt richtig, was du gesagt hast, Gefühlspolitik oder
politische Gefühle sind jetzt irgendwie kein Spezifikum, kein rechtes Spezifikum.
Und es ist sicherlich irgendwie so eine falsche Vorstellung,
dass es sowas wie emotionsbefreite Politik gibt.
Das Spezifische ist sicherlich, oder ein Spezifikum ist, denke ich,
dass, wenn du jetzt auf das rechte Wohlfühlen ansprichst, die AfD stark mit
so Rechtfertigungsnarrativen arbeitet.
Also man sich auch das Gefühl hat, sich rechtfertigen zu müssen.
Und das ist der eine Punkt.
Ansonsten gibt es ziemlich viele Dinge, die nicht so spezifisch sind.
Vielleicht fange ich mal an denen erstmal an.
Das eine ist, klar, die aufgerufenen Emotionen, also irgendwie diese Einteilung
in einerseits Wut, Hass und Angst für regressive Politik und irgendwie Hoffnung
und Liebe für progressive Politik, das funktioniert nicht, würde ich sagen.
Das zeige ich, glaube ich, in meiner Arbeit ganz deutlich. Das haben aber auch
andere Arbeiten gezeigt.
Fängt schon damit an, dass es so eine Umkehr zum Beispiel gibt,
hat schon Sarah Ahmed gezeigt, dass rassistischer Hass im Gewand von Liebe präsentiert wird.
Oder einer meiner Gesprächspartnerinnen zum Beispiel, so etwas wie sein Einsatz
für die AfD als, ich sage mal, sorgenden Einsatz für...
Seinen weißen deutschen Nachbarn präsentiert hat und auch so erlebt hat.
Ja, oder auch wenn man von der umgekehrten Seite gucken will,
es gibt natürlich auch viel progressive Proteste, über Wut funktioniert.
Also diese Einteilung gute, schlechte Emotionen, das funktioniert nicht.
So das vielleicht als erstes und dann, wenn man auf so einer abstrakten, formalen Ebene guckt,
gibt es vielleicht auch nicht so richtig spezifisch rechte Dinge oder Mechanismen,
so dieses Vergemeinschaften, Identität stiftende, ermächtigende,
das Das findet man sicher in verschiedenen Gruppen.
Auch das, was ich da als kollektives Schimpfen und Spotten herausarbeite.
Ich nenne es ja Identitäts- und Gefühlstraining.
Also kürzlich kam nach einem Vortrag auf mich jemand aus einem Klimaprotest
auf mich zu und sagte, ja, das machen wir auch.
Also das ist offenkundig nichts super Spezifisches.
Das kann man sich auch vorstellen, als sich man in der Alltagspraxis gewissermaßen schimpfen.
Aber was letztlich das ganz spezifisch Rechte an dieser Gefühlsarbeit ist,
Das scheint mir relativ banal und offensichtlich, nämlich es geht letztlich
einfach um die rassistisch-nationalistische Ideologie,
um die damit verbundenen Feindbilder, die Brutalität ist spezifisch,
das Vertiefen und Intensivieren des Bruchs mit der Welt des verachteten Mainstreams und so weiter.
Also um nochmal beim Beispiel vom kollektiven Schimpfen und Spotten zu bleiben.
Also die Frage, über wen wird da geschimpft? Die Grünen, Geflüchtete,
Medien, Merkel, Habeck und so weiter. Wer wird themisch verlacht?
Sogenannte Gutmenschen, Schlafschafe, Geschlechterforscherin und so weiter.
Also das sind schon, das ist, würde ich sagen, spezifische. Und ja.
In gewisser Weise ist zwar jede Politik emotional aufgeladen,
aber es gibt doch sehr unterschiedlich, gerade dessen, wie gezielt man als politische
Gruppierung auf Gefühle in der Kommunikation setzt.
Und wenn man sich so Kampagnenvideos beispielsweise der AfD anguckt,
dann sieht man finde ich schon, dass es ein sehr reflexiver.
Intensiver Einsatz von affektiven Bildern, Sprache, Akustik und so weiter ist.
Jan Wetzel
Ja, du hast schon gesagt, mit Emotion arbeitet jede Politik,
aber es ist eben ein Unterschied in der Politik und was dort gefühlt wird und
wie die Welt wahrgenommen wird, dann kommen wir so ein bisschen dazu.
Vielleicht jetzt diese Elemente und wenn man beide Bücher nebeneinander liegt,
sind da finde ich auch immer wieder interessante Spiegelungen aus dieser Themen.
Deswegen blicken wir da also darauf, immer vielleicht aus diesen beiden Perspektiven,
was glaube ich schon sich durchzieht und das hatten wir ja auch eben schon am
Beispiel des Konservatismus ist schon so ein grundsätzliches Gefühl und ich
glaube, das kann man schon auch als Gefühl bezeichnen,
weil es wird ja nicht immer gut belegt mit Zahlen und mit tatsächlichen analytischen Beschreibungen.
Ein Gefühl, dass irgendwie die Welt ins Wanken gekommen ist und eigentlich untergeht
und sozusagen es in einem Ausnahmezustand jetzt sich die Welt und insbesondere
eben Deutschland befindet und
das als Rechtfertigung eigentlich die ganze Zeit so im Hintergrund ist,
jetzt eben zu tun, was man tut. Kann man das so sagen?
Felix Schilk
Ich würde mal historisch einsteigen und sagen, wenn man das rechte Denken nimmt,
dann unterscheidet sich das ganz grundlegend von einem liberalen oder linken
Denken dadurch, dass Rechte keine Utopie haben,
sondern sie haben ein grundlegend pessimistisches Menschenbild und ein Bild
der Welt, der man sich unterordnen muss.
Also kurz gesagt, der Mensch ist in die Welt geworfen, er ist abhängig von der
Welt, er ist abhängig von äußeren Strukturen, von Autoritäten,
er muss sich dem Ganzen unterordnen.
Und jeder Versuch jetzt daran, was zu verändern, sich zu emanzipieren,
die Welt so einzurichten, dass sie nach den Bedürfnissen der Menschen eingerichtet
ist, ist etwas, was Rechte eigentlich ablehnen, mal so auf einer ganz abstrakten Ebene.
Und daraus erwächst jetzt natürlich schon so ein ganz starkes Grundgefühl von
einer permanenten Krisenstimmung,
die aber eigentlich gar nicht schlecht ist, sondern die gewollt ist,
weil die führt dazu in der rechten Vorstellungswelt, dass der Mensch die ganze
Zeit sich anstrengt, dass er arbeitet, dass er leistungsbereit ist, dass er was schafft.
Das ist so der Grundgedanke. Und der Vorwurf an den politischen Gegner wäre
quasi, ihr wollt die Welt ja so einrichten, dass das Hedonismus blüht,
dass jeder einfach nur auf seine Kosten kommt.
Und der Vorwurf wäre dann so, ist Gesellschaft überhaupt nicht möglich.
Jetzt ist das natürlich nicht die Vorstellung, die Rechtspopulisten formulieren,
sondern die haben, würde ich durchaus auch sagen, ich würde es nicht Utopie
nennen, aber so inhaltlich steckt da natürlich trotzdem auch ein positiverer
Zukunftsentwurf drin, Nämlich indem man sich selber als Lösung,
als Bewältiger einer großen Krise inszeniert.
Meine Antwort darauf wäre aber, dass man am Ende die gar nicht so wirklich will,
sondern man braucht die permanente Krisenmobilisierung.
Die ist ja eigentlich das Move-ins der gesamten politischen Identität und der
gesamten politischen Kampagnen. Genau.
Deshalb wäre meine kurze Antwort darauf, es ist überhaupt nicht denkbar,
dass rechte politische Akteure jemals aufhören, von der permanenten Krise zu
erzählen, sondern die ist eingeschrieben in ihr Weltbild und die wird nie weggehen.
Was am Ende auch dazu führt, dass ihre Politik letztendlich trotzdem immer Frustration
erzeugen wird, die ihnen entweder zugutekommt oder die irgendwann völlig crasht.
Florian Spissinger
Ja, das deckt sich ziemlich, denke ich, mit meiner Beobachtung oder meiner Analyse,
was du jetzt zum Schluss ausgeführt hast.
Also dieses, ich nenne es ambivalente Gefühlsarbeit, also so ein produktives
Wechselspiel aus Untergang und Rettung, Bedrohung und Erlösung.
Und da geht es, deshalb ist es auch übrigens so einseitig, finde ich,
wenn man dann redet, es geht nur um Angstpolitik.
Also bloße Angstpolitik würde nicht, also die erzeugt Handlungsdruck und diese
ganzen Untergangsszenarien, was weiß ich, angefangen von Islamisierung,
ethnische Bürgerkriege, Öko-Diktatur, systematische Deindustrialisierung.
Also gibt es einen ganzen Haufen im Kontext von Antimigration,
Antiklimaschutz, die jetzt zum Beispiel die AfD betrifft.
Massiv verbreitet. Aber die sozusagen nur als eine Angstpolitik zu lesen,
ist zu einseitig, weil es, wie Felix sagt, letztlich nicht um die Utopie geht, aber immer darum,
sich sozusagen als Aufhalterin der Apokalypse, die AfD, als Bewältigerin ins
Spiel zu bringen, als Rettung.
Und wer dann mitmacht, kann sich dann eben auch als Retterin Deutschlands fühlen.
Also da kommt wieder dieses Feelgood rein.
Gleichzeitig ist es aber genau nicht, also wird es eben auch nicht funktionieren,
nur als Politik der Hoffnung, sondern es braucht immer permanent sozusagen die
Beschwörung des Untergangs.
Genau, also das ist ein ganz, ganz, würde ich sagen, ambivalentes Verhältnis.
Jan Wetzel
Ich höre immer mal, das verlinken wir auf jeden Fall mit Knowledge Fight,
ein amerikanischer Podcast, in dem immer die Sendungen von Alex Jones auseinandergenommen werden.
Daher kenne ich das auch und finde das immer beeindruckend, dass da sozusagen
von Satz zu Satz manchmal, entweder alle fünf Minuten, aber es kann auch von
Satz zu Satz sein, entweder immer gesagt wird, jetzt sind sie schon kurz davor,
die Globalisten daran unterzugehen und wir sehen überall die Zeichen,
dass es jetzt endgültig vorbei ist.
Macht er seit 20 Jahren in jeder Sendung, es ist schon kurz vorbei.
Aber dann kann es auch wieder so, jetzt haben sie uns erledigt.
Und es muss sozusagen immer, also es ist so eine richtige Gefühlsachterbahn,
um jetzt mal so einen Begriff zu verwenden, was ich wirklich erstaunlich finde.
Also es muss so richtig, also es ist eigentlich billig, also gerade in diesem
permanenten Wechsel, vor allem wenn man das über Jahrzehnte,
jeden Tag macht, wo man ja sich irgendwann fragen muss, Also wenn jetzt die
Entscheidung jeden Tag ansteht, seit 20 Jahren, dann kommt man sich irgendwann blöd vor.
Aber irgendwie funktioniert das halt, dass man sich doch immer wieder reinbegibt
in diesen Film und irgendwie das auch so ein bisschen genießt.
Also das habe ich auch manchmal das Gefühl, dass man so richtig geil wird daran,
an diesem Gefühlsspiel.
Also ja.
Florian Spissinger
Ich weiß nicht, ob es ein geil daran sein... Also ich weiß nicht,
ob ich den Punkt teilen würde.
Aber ich finde die Beobachtung, die du hast, total interessant.
Ich habe mir auch die Frage gestellt, wie kann es eigentlich sein, dass Leute,
die da ewig lange dabei sind, sozusagen immer die gleichen Storys erzählen,
dass Deutschland untergeht, aber es offensichtlich bisher nicht geschehen ist.
Und immer ist es kurz davor.
Wie bleibt es glaubhaft? Und eine Erklärung, die ich zumindest ins Spiel bringe in der Arbeit,
ist, Also wir reden ja jetzt sozusagen als Beobachter zweiter Ordnung darüber
und dann hat man es natürlich relativ leicht.
Also für meine Gesprächspartnerin ist halt der Untergang Deutschlands keine Story.
Das ist, denke ich, der entscheidende Punkt. Also die Stories verdichten sich zu einer Gefühlswelt.
Und aus dieser Gefühlswelt heraus nimmt man Alltag und Politik anders wahr.
Und diese Gefühlswelt wirkt dann gewissermaßen permanent selbstbestätigend.
Also dann werden die lokale Zunahme von Dönerimbissen wird dann zum gefühlten
Beweis dafür, dass die Islamisierung stattfindet.
Und dann hat man sozusagen immer, ich will mal mikroskopische Evidenzen alltäglich,
dafür, dass das, was man in rechten Zeitschriften liest und bei AfD-Vereinstaltungen
hört, man es auch beobachtet.
Und man geht dann sozusagen mit so einem präfigurierten Blick durch die Welt.
Um es mal vielleicht an einem ganz drastischen Beispiel zu machen.
Ich hatte eine Gesprächspartnerin, die hat so wie selbstverständlich davon gesprochen,
dass die syrische Flagge, die sie vor kurzem an einem Fenster in ihrem Wohnort
gesehen hat, ganz klar eine Kriegserklärung sei.
Und in den Körpern von Geflüchteten, männlichen Geflüchteten hat sie sozusagen
wörtlich Kampfmaschinen erblickt.
Und wenn man davon ausgeht, dass eben, wie sie, davon ausgeht,
dass infolge von Zuwanderung es zu ethnischen Bürgerkriegen kommen wird,
dann blickt man eben ganz anders in diesen Alltag.
Das konfiguriert die Wahrnehmung. Und diese Konfiguration, die kann man,
würde ich sagen, affektive Metapolitik benennen oder Gefühlsarbeit.
Und was da entsteht, ist sozusagen, dass der komplette Alltag mit so verdächtigen
Körpern, Veränderungen und so weiter besetzt ist, das affektive Druckstellen
des nationalen Liedergangs, weil die sozusagen permanent antreiben und.
Quasi so zwei Funktionen haben.
Einerseits verwahrheiten sie sozusagen im Gefühl diese Dystopien und andererseits
treiben sie permanent an.
Und das wäre zumindest eine Erklärung, weshalb das nie für die Leute,
die in dieser Gefühlswelt sind, diese Dringlichkeit nicht abnimmt.
Felix Schilk
Ich kann das gerne auch nochmal versuchen zu ergänzen, weil ich finde das total
instruktiv, wie Florian das schildert.
Ich beschreibe das bei mir anders, ich mache eine Unterscheidung zwischen Narrativen
und Narrationen, die im Grunde ganz ähnlich funktioniert, nämlich ich würde
sagen, Narrative sind so die großen Untergangserzählungen, die auf einer abstrakten
Ebene immer gleich bleiben.
Seit Jahrzehnten, seit Jahrhunderten kann man die rekonstruieren,
immer wieder werden diese Erzählungen reproduziert und aber natürlich nicht
abstrakt, sondern konkret.
Die werden angedockt an aktuelle Ereignisse, an Konjunkturen,
an aktuelle Druckstellen, wie du es genannt hast. Das nenne ich Narration.
Also das heißt, diese Narrative, die werden über Narration kommuniziert.
Und so ein bisschen auch eine Idee meiner Arbeit und eine Hoffnung wäre,
dass man jetzt historisch zeigen kann quasi, dass diese Narrationen einfach
überhaupt nicht innovativ sind, überhaupt nicht neu, sondern quasi immer wieder
die gleiche Geschichte sind auf so einer abstrakten Ebene.
Und um das aber zu erkennen, muss man natürlich in die Geschichte schauen,
braucht man viel historisches Wissen, historische Erfahrung,
die jetzt wir als Sozialwissenschaftlerinnen, wir können uns die Zeit nehmen
quasi, das zu rekonstruieren, aber wer hat das schon im Alltag?
Wir leben in einer unglaublich schnelllebigen Zeit und ich glaube,
die meisten Menschen leben eben in der Gegenwart und ihnen fehlt dann auch dieser
Kontrast und damit auch eine Möglichkeit quasi abzuchecken, was du gerade geschildert hast,
dass das seit Jahrzehnten, seit Jahrhunderten die gleiche Nummer ist.
Dazu kommt noch so ein letzter Punkt.
Ist der Blick auf Gesellschaft. Man könnte jetzt erstmal sagen,
in der Moderne, das wäre so eine soziologische Banalität, wird die Krise zum Dauerzustand.
Die moderne Gesellschaft ist eben eine, die sich unglaublich schnell wandelt,
die instabil ist, die durch mehr soziale Mobilität gekennzeichnet ist und als
Soziologe würde ich sagen, das ist so und Gesellschaft ist unglaublich resilient.
Also es wird quasi immer wieder neue Formen geben, wie sich Gesellschaft organisiert,
und Rechte haben das aber nicht, sondern die gucken ganz, ganz stark mit einer
Angst vor Anomie auf Gesellschaft.
Und deshalb ist diese Krise auch so wichtig. Also quasi gesellschaftliche Strukturen,
Institutionen, die sind permanent bedroht, zusammenzubrechen.
Das ist eine ganz, ganz große Angst.
Und die ist quasi, das hat was mit der Anthropologie der Rechten zu tun.
Und deshalb geht die quasi auch nicht weg.
Und bloß, weil es jetzt noch nicht zusammengebrochen ist, heißt es ja nicht,
dass es morgen nicht passieren kann.
Also plausibel kann diese Erzählung trotzdem sein, wenn ich eben diese Anthropologie teile.
Jan Wetzel
Also das würde ich auch sagen, nur weil man zum Beispiel auch darum weiß,
Diese Erzählung hat es schon mal gegeben,
kann man ja auch trotzdem immer sagen, Geschichte wiederholt sich und Gott sei
Dank können wir auch so Geschichte lernen,
weil wenn wir, also das ist ja zum Beispiel ein Ostdeutschland,
was man immer wieder hört, weil wir schon mal Diktatur erlebt haben und sozusagen
eben dieses so ein bisschen, dieses doppelte Weltbild haben,
das was in Medien kommt und das was Wirklichkeit ist, was man in der DDR ja
durchaus so entwickelt hat,
kann man jetzt sagen, okay, das ist gut, dass wir das drauf haben,
weil jetzt können wir wiedersehen.
Also das heißt, man kann natürlich zeigen, dass sich das wenig variiert historisch,
aber genau, die Evidenz ist wahrscheinlich einfach zu deutlich sozusagen im Alltag, das zu sehen.
Ich glaube, was auf jeden Fall wichtig ist, also genau, ob man da wirklich so
richtig sich daran aufgeilt, ist natürlich die eine Frage.
Aber dass es auf jeden Fall so ein Treiber ist, das ist glaube ich schon ganz offensichtlich.
Also dass man auch in den Kulturkämpfen sozusagen, in den rechten Kulturkämpfen,
da ist das ja ganz offensichtlich, dass man sozusagen die kleinsten Symbole
irgendwie nimmt und dann aufbläst zu riesigen Geschichten und plötzlich die
allerkleinsten Dinge verbunden sind mit so Jahrhunderten historischer Antike oder Jahrzehnten.
Also das heißt, es wird so richtig die ganze Welt so eingedampft auf so Schemata,
also es bringt auf jeden Fall glaube ich schon diese, also was ja auch offensichtlich
ist in diesen Gefühlen, dieses Energische und dieses Drängende.
Also dass man jetzt wirklich was tun muss und dass man jeden Tag und in jedem
Ding fast eine Bestätigung dafür sieht, dass es jetzt so dringlich ist. Ja.
Felix Schilk
Ich würde da nochmal dran anknüpfen und den Punkt machen, wir sprechen ja beide
von Narrativen in unserer Arbeit, die spielen eine wichtige Rolle.
Narrative sind jetzt erstmal eine Art von Gesellschaftsbeschreibung mit einer zeitlichen Dimension,
da tauchen Akteure auf, da wird Verantwortung zugeschrieben,
die bieten Identifikationspotenzial, die arbeiten möglicherweise mit Sozialfiguren,
also quasi so verdichteten Beschreibungen von gesellschaftlichen Tendenzen.
Und diese Narrative, die sind natürlich viel, viel leichter kommunizierbar.
Also massenmedial, in Gesprächen, in der Kommunikation.
Also man könnte jetzt auch erstmal sagen, dass wir natürlich alle Narrative
brauchen, um uns verständlich zu machen.
Wenn wir jetzt, das ist jetzt gar nicht so klar zu trennen, aber ich mache es
mal ganz idealtypisch, wenn wir jetzt analytische Beschreibungen nehmen,
dann ist das viel, viel schwieriger, die zu kommunizieren.
Die sind tröge, die sind komplexe, die lassen sich einfach nicht gut erzählen,
die lassen sich auch nicht mal so gut merken, sondern Narrativ hat ja den Vorteil,
dass ich quasi während des Sprechens selbstständig Dinge dazufügen kann. Ich kann das variieren.
Ich kann quasi, weil das häufig so symbolisch verdichtet ist,
muss ich nicht jedes Detail wissen, sondern ich kann quasi selbst und ad hoc
Narrative benutzen und ausschmücken.
Und das ist natürlich in der Kommunikation ein riesiger Vorteil.
Und das ist auch der Grund, warum diese Krisennarrative so verfangen und warum
die so überall und permanent wiederholt werden und warum die so suggestiv sind.
Jetzt könnte man sagen, so funktioniert halt Gesellschaft. Davon werden wir
nicht wegkommen. Das ist jetzt vielleicht auch nicht problematisch,
aber was ich jetzt so als...
Irgendwie so soziologische, aber vielleicht auch pädagogische Konsequenz daraus ziehen würde,
wäre eine gewisse Sensibilität zu entwickeln und auch ein Verantwortungsbewusstsein
für politische Akteure es jetzt nicht zu übertreiben mit der Kommunikation von
solchen Krisennarrativen,
weil die eben auch eine sehr destruktive Eigenlogik entfalten können und auch
eine gesellschaftssprengende Kraft durchaus enthalten können.
Und die besteht darin, dass sie eben eine delegitimierende Funktion haben gegenüber
Institutionen, gegenüber Personen,
gegenüber Konventionen und da besteht eben eine große Gefahr drin und für Rechte
aber durchaus eine Hoffnung,
weil sie eben genau diese Konventionen und diese Institutionen natürlich abschaffen
wollen oder zumindest umbauen wollen, umgestalten wollen.
Jan Wetzel
Da können wir auch zu einem Thema kommen, was ich auch immer wieder beeindruckend
finde und das hat Leo vorhin schon angesprochen, nämlich diese einerseits dieses
Bewahrende und dieses Disruptive.
Also auch das fällt ja eben in dieser Kommunikation auf und in den Narrativen,
dass man einerseits eben diesen Verlust sozusagen von Autorität diagnostiziert,
da ist nach wie vor ungebrochen die 68er irgendwie so eine im Prinzip ausgedachte
Bezugsfigur des gesellschaftlichen Autoritätsverlusts von Geschlechternormen,
von allen möglichen Normen, die man sozusagen mit der Vergangenheit verbindet.
Das heißt, es wird einerseits eigentlich dieses autoritäre Gesellschaftsbild
hochgehoben, aber wenn man sozusagen auf die politische Praxis anguckt,
dann sind natürlich genau das die politischen Player,
die sich an gar keine Autorität halten und auch diese Anti-Autoritäre hat ja,
das ist deutlich eine Diagnose, die man durchaus so unterschreiben kann,
hat ja die politische Seite gewechselt.
Und die Anti-Autoritären, die sich sozusagen letzten Endes inzwischen ja allen
staatlichen Institutionen dann im schlimmsten Fall verweigern und den Staat
auch abschaffen wollen, das sind jetzt eben die Rechten.
Wie passt das zusammen, dieser sozusagen performative Selbstwiderspruch,
wie man das so schön nennt?
Florian Spissinger
Ich denke, das ist auch so eine...
Also den Widerspruch sozusagen, dass es so eine Kritik an Autoritäten gibt und
man gleichzeitig so ein rechtes Ordnungsdenken ja damit gleichzeitig voranbringen will,
ich glaube, den Widerspruch, den gibt es so in der Innenperspektive,
zumindest in der AfD-Innenperspektive nicht,
wenn man sich diese Gefühlswerte anguckt.
Weil es ist schon richtig, in der AfD-Gemeinschaft sieht man sich so als Kritikerin
totalitärer Verhältnisse, irgendwie
als letzte Demokratin in der linken Meinungsdiktatur, irgendwie als die,
die sich noch trauen, mutig hinzustehen und irgendwie auch die,
die für individuelle Freiheit eintreten. Darauf hast du ja auch eingespielt.
Beispiel, wir sind noch die Letzten, die den Diesel verteidigen,
uns soll alles verboten werden.
Und dass man als Rechte gleichzeitig selbst rigide Ordnungsvorstellungen verteidigt,
das fühlt sich, glaube ich, oder ich würde sagen,
in dieser Innenperspektive eben gar nicht so autoritär an, weil man sich halt
als eine antitotalitäre Befreiungsbewegung fühlt und es überstrahlt dann gewissermaßen.
Also diesen Widerspruch, das würde ich vermuten, nimmt man so in gar nicht wahr.
Felix Schilk
Ich glaube, am Ende kann man das mit einer religiösen Figur erklären.
Das rechte Autoritätsdenken, das geht ja davon aus, dass es Kräfte gibt,
denen man sich unterwerfen muss.
Das kann Schicksal sein, das kann jetzt ganz klassisch Gott sein.
Das ist die wahre Autorität. Und die historische genealogische Erzählung ist
jetzt, es gibt den Sündenfall, der Mensch stellt diese Autorität in Frage und
ist der Meinung, er kann selbst Gesellschaft viel besser gestalten.
Das ist quasi der Sündenfall, der ursprüngliche Sündenfall der Kritik,
der Infragestellung von Autorität. Und diese Menschen, die maßen sich jetzt
quasi an, die Gesellschaft umzugestalten. Das sind quasi die falschen Autoritäten.
Das ist das, wo Totalitarismus daraus entsteht. Das sind die utopischen Bewegungen.
Und die werden bekämpft. Und die haben jetzt ganz unterschiedliche Inkarnationen.
Das ist die klassische Utopie mit Moros, das ist die französische Revolution,
das sind die liberalen Eliten, das sind die Grünen, das ist der Kommunismus,
der Bolschewismus, das...
All diese Akteure, die jetzt politische Gegner darstellen können in bestimmten
historischen Situationen, werden als falsche Autoritäten bekämpft und gleichzeitig
aber wird im Hintergrund eine wahre Autorität reklamiert.
Jan Wetzel
Also es gibt ja auch, müssen wir eigentlich auch mal vielleicht in der Sendung
mit reinholen, auch diesen Begriff von Nachtweihe und Amlinger,
des libertären Autoritarismus.
Also das heißt, es werden auf so eine ganz merkwürdige Weise libertäre Elemente,
also eigentlich zu reklamieren, ich will einfach machen, was ich will und mir
gar nichts vorschreiben lassen.
Das aber kombiniert mit, ich will eigentlich allen vorschreiben,
was sie zu tun und zu lassen haben wollen,
dass das auf so eine merkwürdige Weise kombiniert wird, die,
ich meine, Florian, du hast das richtig gesagt, die auch jetzt nicht als Widerspruch
sozusagen empfunden wird, die nur von der anderen Außenbeobachtung irgendwie als Widerspruch ist.
Habt ihr das auch irgendwie im Material gesehen, wie das so verflochten wird
oder ob das aufgegriffen wird und wie das so funktioniert? Also ich denke da
nur dran, weil du hast ja zum Beispiel schon das Thema Diesel irgendwie aufgenommen.
Also sozusagen, dass man den Anspruch hat, ich will mir nicht vorschreiben lassen
vom Staat, wie ich konsumiere und was ich mache in meinem Leben und wie ich mein Leben gestalte.
Aber gleichzeitig das vollkommen selbstverständlich zu halten,
dann zu sagen, keine Ahnung, es soll keine Elektroautos geben.
Also ich bin dann sozusagen meistens liberal und sage, erstmal muss man doch,
wenn man so libertär sich fühlt, muss man doch sagen, ich will Diesel fahren,
also muss ich die anderen Leute auch Elektroauto fahren lassen.
Also da soll der Markt, wenn man dann wirklich sich mit dem Anspruch hingeht,
müsste man ja eigentlich sagen, jeder darf das Auto kaufen, was er will.
Aber das ist bei den Leuten dann doch nicht so. Also die haben dann bei jedem,
der jetzt sich so ein Elektroauto kauft, ist das auch schon so ein Symbol,
wo man denkt, ist der jetzt auch einer von sozusagen der linken Verschwörung.
Aber das wird nie irgendwie zum Problem sozusagen.
Florian Spissinger
Es ist halt auch Missverständnis, wenn man sozusagen darauf schaut,
als wäre das eine liberale Politik.
Also darum geht es halt nicht. Wenn die AfD hinstellt und sagt,
wir sind eine Freiheitspartei, dann geht es gar nicht um Liberalismus in dem Sinne.
Sondern wenn sie sagt, wir sind gegen Dieselfahrverbote und setzen uns für den
Verbrennungsmotor ein, dann ist es zwar eine Geste, die in Motiven von Freiheit daherkommt.
Aber letztlich würde ich sagen, ist das ja alles, also muss man das ja im Kontext
sehen von Antiklimapolitik.
Also da ist gewissermaßen was Instrumentelles drin, wo es einfach darum geht
zu sagen, wo es darum geht, die Grünen den Klimaschutz zu diskreditieren und zu delegitimieren.
Und das ist halt sozusagen eine Weise, das zu tun, so würde ich das verstehen,
die natürlich attraktiv ist, weil man sich dann sozusagen in der Semantik von
Freiheit aufheben kann und es natürlich wieder zu dieser Vielgutpolitik passt,
wenn man sozusagen dann als Partei der Freiheit auftreten kann.
Felix Schilk
Ich kann das gerne mal versuchen, an dem Material der Neuen Rechten zu illustrieren,
weil mir ist auch genau dieses Schillernde oder dieser Widerspruch sehr früh
aufgefallen und ich habe lange gebraucht, um das für mich irgendwie fassbar
zu machen und auch so konzeptionell zu greifen.
So ein Beispiel, in diesen rechten Texten findet man an verschiedenen Stellen
manchmal extrem widersprüchliche Aussagen.
Zum Beispiel, wir können den Entfremdungsbegriff nehmen.
Entfremdung ist ja auch so ein frühmarxischer Begriff, so eine Kritik an der
kapitalistischen Gesellschaft, eine romantische Kritik, die findet man durchaus auch im rechten Denken.
So eine romantische Entfremdungskritik, also die Vorstellung,
dass mit der Moderne, mit der Rationalisierung jetzt ursprüngliche Lebensentwürfe,
eine traditionell integrierte Welt unter die Dampfwalze kommt,
der Moderne. Und das ist schlecht.
Da beginnt quasi die Tragödie der Moderne. Das wäre so ein...
Da trifft sich das, so ein romantischer Entfremdungsbegriff.
Es gibt dann in der sogenannten konservativen Revolution in den 30er,
40er Jahren, gibt es Autoren, die beginnen jetzt plötzlich Entfremdung ganz
affirmativ aufzugreifen und so sagen,
nee, nee, diese ganze moderne technische Welt, die mag zwar vielleicht diese
traditionelle Welt vernichtet haben, aber that's it, so läuft Geschichte,
die schafft jetzt aber dafür wieder neue Autoritäten.
Also der Mensch kann sich jetzt quasi einfach in die Technik einfügen und Technik,
die ist eben unpolitisch, die funktioniert einfach.
Das sind so neue Institutionen, die man sich unterordnen kann und der Mensch
ist im Grunde ja schon immer ein entfremdetes Wesen.
Der Mensch, das unterscheidet ihn vom Tier, das wäre so die Figur von Arnold Gehlen,
einem konservativen Soziologen, der ist quasi entfremdet in der Welt,
das ist sein Grundmodus des Seins und quasi beide Formen Entfremdung als etwas
extrem Positives, Anthropologisches und als eine Tragödie, die findet man nebeneinander in der Neuen Rechten.
Was ähnliches findet man mit der Demokratie zum Beispiel. Demokratie ist was,
das wird im Zuge von 68, Willy Brandt tritt ja an mit mehr Demokratiewagen,
das wird massiv bekämpft.
Demokratie ist eine Perversion im Grunde für die Rechten, ist verbunden mit
einem Aufstieg von Leuten, die jetzt anfangen alles zu verändern.
Alles kontrollieren und kritisieren zu wollen. Gleichzeitig kann Demokratie
natürlich auch in Anspruch gebracht werden und ganz affirmativ besetzt werden,
wie das heute gemacht wird, vor allem von rechtspopulistischen Akteuren.
Und noch ein drittes, man hat das auch mit dem Verhältnis von Masse und Elite.
Ganz klassischerweise ist ein rechtes Denken ein elitäres Denken,
was die Massen verachtet, was Angst hat davor, dass der dritte Stand,
dass die proletarischen Massen jetzt plötzlich klassische hochkulturelle Formen sich aneignen.
Das ist geprägt mit Bildern von chaotischen, vulgären, formlosen Massen,
die die Gesellschaft überrennen und im Grunde all die klassische europäische
Zivilisation bedrohen.
Ähm, gleichzeitig, ähm, hat man heute aber auch gerade im Rechtspopulismus genau
die Umdrehung, dass man nämlich, ähm, die Eliten angreift, die vermeintlich
links, rot, grün, ähm, versüften, heißt es dann häufig noch,
Eliten, ähm, und dass man ja für sich beansprucht, für das Volk zu sprechen,
ähm, wo man jetzt in Klammern dahinter setzen kann, das ist ja dann auch eine
Aneignung dieses Massenbegriffs, ähm, ähm, und man findet ganz,
ganz viele, ähm, Beispiele, wo quasi in unterschiedlichen historischen Zeiten,
ähm, ganz widersprüchliche Aussagen möglich sind.
Ich versuche das in meiner Arbeit so zu lösen, dass ich sage,
es gibt diese rechten Krisennarrative und die sind doppelt konditioniert und
die können nämlich je nach politischer Sachlage in die eine oder in die andere
Richtung formuliert werden.
Und letzter Punkt, das hat damit zu tun, dass das rechte Denken häufig in einer
sozialstrukturellen Mittellage ist.
Das heißt, man bekämpft einerseits Autoritäten oder herrschende Eliten,
die man selbst für illegitim betrachtet, die man angreift, die man ersetzen
möchte. Und gleichzeitig guckt man aber auch mit Skepsis auf die großen,
auf die Masse, die unter einem ist.
Und in beide Richtungen kommuniziert man eben anders.
Und man ist eben gleichzeitig hochgradig elitär und autoritär,
weil man möchte an die Stelle der Autorität.
Und gleichzeitig ist man aber anti-autoritär, weil man die aktuell herrschenden Eliten bekämpft.
Und da versucht natürlich auch die Massen mitzunehmen im Kampf gegen diese illegitimen Eliten.
Florian Spissinger
Und dazu vielleicht noch als so ein Zusatz. Ich habe so einen ähnlichen Punkt
in meiner Arbeit gefunden, was du jetzt gerade so, ich sag mal,
dieses widersprüchliche Positionen, nennt man sich als Volk oder Elite.
Und da ist ja die Populismusforschung, finde ich, so eindeutig.
Aber das ist ja genau wie du zeigst und das habe ich in meiner Arbeit auch gefunden,
ist das ja irgendwie so ein Positionsspiel.
Also beispielsweise, wenn man sich AfD-Veranstaltungen anguckt,
dann präsentieren sich einerseits Politikerinnen gerne irgendwie mit ihren bodenständigen
Berufen, um zu zeigen, die anderen sind die Abgehobenen.
Die machen, wörtliches Zitat, Geschwätzwissenschaften.
Und wir sind sozusagen hier von Beruf Dachdecker, Polizist, Rechtsanwältin und so weiter.
Also stehen mitten im Leben. Das ist so, würde ich sagen, die übliche populistische Geste.
Und dann gibt es aber auch natürlich das genau umgekehrte Moment,
wo man sich sozusagen wie so eine epistemische Elite präsentiert,
epistemische Avantgarde,
dass man in diesem Narrativ von der Rest ist medial verblendet und wir sind
sozusagen die letzten Erwachten, die wissen, was hier vor sich geht.
Und das ist ja eine Gefühlsemanzipation, das ist ein Positionswechsel nach oben
und das funktioniert gleichzeitig.
Leo Schwarz
Ich würde gerne nochmal ein bisschen eine Ebene höher gehen.
Ihr beide liefert ja in euren Büchern sehr umfangreiche Beschreibungen,
wie diese Instrumentarien der Sinnkonstitution und auch der sozusagen affektiven
Situation funktionieren.
Dennoch, nichtsdestotrotz und trotz der wahrscheinlich verheerenden Wahlergebnisse,
die uns jetzt in den nächsten Landtagswahlen bevorstehen, gibt es ja auch in
der Forschung Debatten darüber, gibt es überhaupt einen richtigen Rechtsruck
und worin besteht der eigentlich? Also was ist sozusagen der Kern des Rechtsrucks?
Gibt es wirklich mehr Leute, die diese Weltbilder haben, die die Gesellschaft
so sehen oder ist es jetzt einfach nur eine neue Form der Kanalisierung sozusagen
in der Parteienpolitik durch diese neue Partei?
Gibt es eigentlich sowas wie ein echtes rechtes Momentum in Deutschland,
das jetzt an diese teils Strategien, teils einfach nur sozialen Erscheinungen
anschließt, die ihr beschreibt?
Oder, also in welcher Situation befinden wir uns da gerade?
Ist da wirklich irgendwas ganz Neues auch strategisch gelungen den Rechten,
den rechten Intellektuellen, den rechten Parteien?
Oder haben wir es eigentlich, wir haben ja auch auf die Wiederholungen,
auf das immer Gleiche, auf die Widersprüche und auch auf die Parallelen zu anderen
ideologischen Formationen hingewiesen.
Also ein bisschen, also mir fehlt noch so ein bisschen die zeitdiagnostische Pointe sozusagen.
Wagt die einer von euch oder ist das schon zu viel gewollt sozusagen auch?
Felix Schilk
Ja, ich kann das gerne mal versuchen. Und ich würde da zwei Dinge unterscheiden,
die, glaube ich, medial häufig nicht getrennt werden.
Wenn wir von Rechtsruck sprechen, dann können wir natürlich einerseits meinen,
wir können uns Wahlergebnisse angucken, wir können uns realen Machtzugewinn
anschauen von rechten, rechtsextremen, rechtspopulistischen Parteien,
wie auch immer wir sie nennen möchten.
Das wäre die eine Dimension. Und eine andere Dimension wäre ja jetzt,
dass man sich Weltbilder anguckt, dass man sich Einstellungen anguckt.
Das korreliert natürlich.
Sicherlich ist die Verbreitung von rechten Vorstellungswelten erstmal,
geht möglicherweise rechten Wahlergebnissen voraus. Aber möglicherweise sind
auch beide Phänomene, können auch ein Stück weit entkoppelt sein.
Und ich glaube, beides gibt's.
An beiden Arbeiten verschiedener Akteure.
Jan Wetzel
Entkoppelt vielleicht, das kurz entkoppelt, weil eben auch wenn man so ein Weltbild
hat, muss man ja nicht zur Wahl gehen, entweder nicht wählen oder man sagt,
ich traue es mich nicht und wähle dann doch CDU.
Felix Schilk
Es gibt ja ganz unterschiedliche Gründe, weshalb Menschen bestimmte Parteien wählen.
Denn nicht alle, die jetzt die AfD wählen, haben ein geschlossen rechtsextremes Weltbild.
Nicht alle, die jetzt AfD oder andere rechte Parteien wählen,
teilen diese rechten Narrative vollumfänglich, die ich jetzt geschildert habe.
Das ist ja durchaus ambivalenter und widersprüchlicher.
Ich würde jetzt sagen, wenn man von einem Rechtsruck spricht und so wie sich
das die Neurechte vorstellt, sie sprechen ja von einer rechten Hegemonie,
sie sprechen von Metapolitik, das ist das, was man machen möchte und das heißt,
man möchte langfristig Begriffe prägen, man möchte Vorstellungswelten prägen,
man möchte Mentalitäten prägen.
Deswegen, das besteht natürlich darin, dass die Menschen ein bestimmtes Grundgefühl
haben, wie sie der Welt gegenüber treten.
Dass man eine bestimmte Anthropologie vermittelt, ein bestimmtes Menschenbild,
bestimmte Werte, dass man auch Feindbilder vermittelt und all das würde ich
sagen, das läuft ja eher auf so einer narrativen Ebene.
Das sind Narrative, die sich durchsetzen, Stimmungen, die sich durchsetzen,
symbolische Beschreibungen, Topoi, die dann aufgegriffen werden.
Und wie kann man das jetzt messen, wäre jetzt so eine sozialwissenschaftliche Frage.
Da kann man ja gucken, was äußern Menschen in Beschreibungen,
wie schreiben Zeitungen, wie äußern sich Politikerinnen und Politiker,
hat sich da was verschoben.
Und das ist eine andere Frage, als wenn wir uns jetzt eine ganz konkrete politische
Programmatik angucken.
Ich glaube, wenn man das sieht, dann versteht man auch, wie jetzt andere Parteien
und Politiker anderer Parteien möglicherweise einem Rechtsruck zuarbeiten können,
weil sie eben die gleichen Beschreibungen aufgreifen und verbreiten,
aus welchen Gründen auch immer.
Und damit quasi langfristig zur Verbreitung von rechten Weltbeschreibungen zuarbeiten.
Florian Spissinger
Ja, und ich finde dieses, was du jetzt gerade zum Schluss gesagt hast,
dieser Blick nach vorn, das ist natürlich schon schwierig, weil ich würde zum
Beispiel nicht davon ausgehen, dass, und das hattest du jetzt ja auch schon so angedeutet,
Oftmals wird ja so gedacht, als würde rechte Politik nur bestehende Einstellungen
abholen, sag ich mal, oder aktivieren.
Und dem würde ich schon ergänzend hinzufügen, dass gewissermaßen,
wenn man jetzt in diesem Bild von Angebot und Nachfrage bleiben will,
die gegenwärtige Rechte schon affektive Nachfrage auch produziert.
Also das, was ich als Gefühlsarbeit oder affektive Metapolitik bezeichne,
das konfiguriert, wie gesagt, den Blick, ändert die Wahrnehmung,
verbreitet Weltbilder.
Und hat Felix gesagt, genau, also da geht es ja schon darum,
eine Saat zu sehen, die geht dann nicht vielleicht direkt morgen auf,
aber es verändert so, ich sage mal, die gesellschaftliche Gefühlslandschaft
mit dem Horizont, dass sich Rechtsein an mehr und mehr Orten normal,
unproblematisch, vielleicht sogar gut anfühlt. Und das gelingt ja mitunter schon.
Felix Schilk
Man kann das ja vielleicht auch nochmal mit so einem historischen Vergleich
illustrieren. Wenn wir in die 20er Jahre gucken, da hat man ganz einflussreiche rechte Bücher.
Das meistgelesenste Buch dieser Jahre ist der Untergang des Abendlandes von
Oswald Spengler und der transportiert natürlich eine ganz starke Kulturkritik
und eine ganz starke Krisenstimmung.
Und man kann jetzt schlecht rekonstruieren, wie war tatsächlich die Wirkung
dieses Buches auf die damalige Politik,
aber ich halte es jetzt schon für relativ plausibel, dass Bücher wie dieses
und das ist eben das Einflussreichste natürlich stark dazu beitragen zu einer
gewissen Stimmung in der Gesellschaft,
die dann die politische Konsequenzen zeitigt.
Und so würde ich das auch heute schildern, dass diese ganzen...
Die rechte Gefühlspolitik und die Krisennarrative, so wie ich das Ganze beschreiben
würde, die bleiben ja nicht folgenlos, die machen was.
Die fordern politische Konsequenzen und die führen, glaube ich,
langfristig schon zu einer Neujustierung der politischen Landschaft.
Und da steckt auf jeden Fall eine Gefahr drin.
Jan Wetzel
Also zumindest auch in Umfragen sind ja solche Indikatoren, zum Beispiel Zukunftspessimismus
oder Zukunftsoptimismus. Das ist ja glaube ich schon ein robustes Ergebnis der
letzten Jahre, dass da der Optimismus zurückgeht, auch gerade bei jungen Leuten.
Also das sind ja glaube ich schon so Gemengelagen, in die dann ja sowas reingeht
und das Ziel letzten Endes der Strategie ist solchen Indikatoren,
die ja alles mögliche bedeuten können, doch sozusagen,
das ist dann dieses Narrativ, das so zu verknüpfen irgendwie. Irgendwie.
Natürlich die ganzen Indikatoren, wo man sieht, es wird auch immer besser.
Viele Sachen, die müssen natürlich alle rausgenommen werden und an den Tisch geschoben.
Und man zieht sozusagen die hoch, die irgendwie die Horrormeldung sind oder die Unsicherheit.
Man denkt sich auch noch so ein paar Sachen aus und webt das dann irgendwie zusammen.
Kann man das vielleicht so beschreiben? Und wenn ich noch eine Sache anfügen
darf, Florian, du zitierst auch den Kubitschek und der spricht von so einer
emotionalen Barriere, dass das das Ziel sei,
diese Barriere, die die Deutschen immer noch gegenüber diesen ganzen rechten
und rechtsextremen Sachen halt durch die Vergangenheit natürlich,
dass die eigentlich abgebaut werden muss, so Step by Step, sodass man halt irgendwann
sagt, wenn der Höcke jetzt ein Nazi ist, dann interessiert mich das jetzt eigentlich
auch nicht mehr. Hauptsache, der macht was.
Kann man das auch so beschreiben, dass eben, also um sozusagen auf Leos Frage
da anzuschließen, dass das so ein bisschen verschoben wird nach und nach,
sodass dann irgendwann man eben sagt, ist mir jetzt auch egal.
Florian Spissinger
Ja, das ist im Prinzip das, was ich gerade meinte mit so einem Streben nach
rechter Gefühlshoheit oder so, dass die Skepsis, also Kubitschek,
das ist ein Text von 2017,
der gibt da sozusagen der AfD Tipps, wie sie durch Selbstverharmlosung mehr
Wählerinnenstimmen generieren, empfiehlt ihnen die Strategie der Selbstverharmlosung
und beklagt sozusagen gleichzeitig,
dass die AfD aus rechter Perspektive völlig ohne Grund medial und politisch kritisiert wird.
Und genau das fasst er sozusagen in diesem Begriff der emotionalen Barriere zusammen.
Und genau, ich würde schon sagen, es gibt viele Orts, insbesondere in Ostdeutschland.
Aber nicht nur eben Menschen, die sich ganz unproblematisch,
sogar mit Stolz irgendwie zur AfD bekennen.
Und für die sozusagen diese emotionale Barriere außer Kraft gesetzt ist oder
Menschen, die je nachdem, wie man die Metapher jetzt nimmt, zumindest mühelos überspringen.
Und diese Gefühlsarbeit, wie ich sie verstehen würde, die arbeitet eben ganz
stark an dieser rechten Normalisierung und da gehören diese ganzen Dinge dazu,
die ich so kurz erwähnt hatte.
Also diese Arbeit an Narrative, die auch moralische Entlastung bieten und diese
ganzen Techniken der Immunisierung,
dass man Kritik eben gar nicht an sich heranlassen muss, weil man,
also um das vielleicht kurz auszuführen, wenn man sich ohnehin in einer linken
Meinungsdiktatur fühlt und umgeben von einer Medienpropaganda,
dann ist es sehr leicht, nicht, ja, sagen wir mal, einen Verfassungsschutzbericht
als Symptom oder als Ausdruck dieser linken Meinungsdiktatur einzuordnen.
Oder jeder Medienbericht ist dann bloß Propaganda.
Oder aber auch selbst, ich sag mal, befreundete Leute, die es irgendwie vielleicht
auf eine höfliche Art versuchen,
irgendwie ins Gespräch zu kommen, die kann man dann ganz leicht als verblendete
Schlafschlafe abtun und kann die dann eher bemitleidenswert angucken.
Also da gibt es, da stellt die AfD und die gegenwärtige Rechte insgesamt ein
ganzes Repertoire an entlastenden und immunisierenden Deutungen bei.
Leo Schwarz
Da würde ich auch gerne nochmal anschließen, also mit dieser emotionalen Barriere,
das schien ja aber eine Zeit lang wirklich existiert zu haben,
auch wenn man jetzt in irgendwelchen Querschnittsstudien durchaus sah,
okay, da gibt es durchaus Einstellungspotenziale, auch die im Neurechtenbereich
sicherlich hineinpassen.
Man hat vielleicht, und vielleicht ist das ja auch was, was sich verändert hat,
also tatsächlich auch eine gewisse Skrupel gehabt, bestimmte Sachen zu äußern auch.
Und das hat mich wirklich jetzt schon auch länger beschäftigt,
wie viel sozusagen auch als Demokrat, wie viel...
Auf brutale Normalität und auf brutale, einen zivilisierten Konsens dessen,
was man sagen darf und was man nicht sagen darf, eigentlich man auch beharren müsste.
Also ich habe an dieses unsägliche Sylt-Video noch öfter denken müssen und wie
das dann hinterher diese Leute alle gleich durch den Boulevard gezogen worden
sind und teilweise alle ihre Jobs verloren haben.
Und erstmal ist das überhaupt kein Umgang mit Leuten, der mir jetzt sozusagen
Freude bereitet oder den ich irgendwie gut finde.
Andererseits, das sind sozusagen ja eigentlich normale gesellschaftliche Mechanismen
gewesen, quasi an den Pranger gestellt werden, beschämt werden, erniedrigt werden,
sanktioniert werden, die sozusagen dafür gesorgt haben, dass Leute sich tatsächlich
an bestimmte Sachen nicht rangewagt haben.
Aber ich rede schon zu lange,
ich will eigentlich auf dieses Spannungsverhältnis hinweisen,
dass das durchaus auch was irgendwie Illiberales und ein bisschen Autoritäres hat,
was ich gerade beschreibe, andererseits aber irgendwie auch in dieser sozusagen
möglicherweise auch tatsächlich so eine Art wie so eine demokratische Brandmauer
möglicherweise auch solche Elemente mal enthalten hat und jetzt nicht mehr enthält.
Ergibt das irgendwie Sinn, vielleicht für dich, Florian, erstmal als Gefühlsspezialist?
Florian Spissinger
Ja, mein Punkt ist quasi, dass jetzt sozusagen in der Arbeit nicht,
ich versuche das jetzt sozusagen nicht normativ zu bewerten,
sondern ich versuche den Mechanismus dahinter zu verstehen.
Und da wäre ich sozusagen, ich sage mal vorsichtig, den Begriff von Kubitschek
einfach als Diagnose zu nehmen. Also so die Rede von emotionaler Barriere.
Faschismus-Kreude ist ein anderer Begriff. Das sind metapolitische Begriffe,
die letztlich auch dazu dienen,
sozusagen das, was für der politische Mainstream gehalten wird,
zu diskreditieren und im Umkehrschluss rechte Positionen zu normalisieren.
Und also es geht im Prinzip immer um so eine, das könnte ich jetzt an vielen
Beispielen durchdeklinieren, eigentlich so um so eine Umverteilung von politischer Legitimität.
Und es funktioniert immer über diese Umkehr von Zuschreibung.
Also und dieser Mechanismus ist dann sozusagen in der,
das bietet die neue rechte Gefühlswelt, dass dann am Ende, wenn man in diese
Gefühlswelt drin ist, es ganz klar ist, dass unterdrückerisch,
ausgrenzerisch, ideologisch, extremistisch, totalitär hat man schon oder auch
Hass- und Angstpolitik,
um dann eben die Wählerin mit einer Faschismuskeule einzuschüchtern und so weiter.
Das sind dann immer die anderen und spiegelbildlich wird dann die AfD ganz,
und das ist natürlich das legitimierende, moralisch entlastende,
ermächtigende, wird dann die AfD ganz automatisch oder noch mehr sozusagen im
Gefühl zur Partei der Freiheit, der Hoffnung, Rettung Deutschland.
Wir sind die Mutigen, wir stehen für Demokratie, die anderen sind die Antidemokraten.
Also das ist sehr entlastend, weil am Ende ist in dieser Gefühlswelt problematisch
nie, was die AfD macht, also nie.
Sondern was hängen bleibt ist, wir sind die Guten, wir machen das Richtige und
der Rest sind die Ausgrenzerinnen.
Und das ist natürlich ein Gefühl, was haften bleibt und was ganz stark ist.
Felix Schilk
Ich würde da auch noch eine gewisse Skepsis formulieren, weil was du geschildert
hast, ist im Grunde ja auch eine Zeitdiagnose, die ganz ähnlich suggestiv funktioniert, nämlich ...
Man schildert zwei Zustände in einer ganz linearen Entwicklungsdynamik. Und es geht so nicht auf.
Ich glaube, man muss sich Gesellschaft viel eher vorstellen als eine,
wo permanente Kämpfe geführt werden um den Raum des Sagbaren,
um Hegemonie, um das, was möglich ist.
Und wenn wir uns die Geschichte der Bundesrepublik angucken,
dann haben wir eben Aufs und Abs, dann ist diese Gesellschaft mal rechter,
die ist mal weniger rechts, das gibt mal mehr staatliche Repression,
das gibt mal mehr Einschränkungen, mehr Tabus, es gibt rechte Erfolge,
diese Tabus zu brechen und das Ganze ist nicht linear.
Und quasi sich heute hinzustellen und eine Erzählung zu machen,
eine zunehmende Einengung des Raumes des Sagbaren, das ist historisch einfach
völlig falsch und ist genau diese historische Amnesie, wo man quasi vergisst,
dass genau diese Geschichte und diese Erzählung, die machen Rechte auch schon
seit den 50er Jahren und auch schon länger. Also das ist quasi auch so ein Evergreen.
Und ich glaube, man muss, vielleicht müssen wir auch wirklich davon wegkommen
von diesen seltsamen Zeitdiagnosen und wirklich genau hinzuschauen,
was passiert eigentlich,
wie sind die Mechanismen und nicht so viel denken, dass, also ich bin mittlerweile
sehr, sehr skeptisch, so stark gesellschaftliche Ursachen für den Rechtsruck zu sehen.
Ich würde sagen, die werden halt auch in Narrativen herbeikonstruiert,
sofern sie nützlich sind, den Rechten.
Und sie werden quasi völlig egal, was man macht, auch in Reaktion auf sie,
wird es ihnen immer gelingen oder werden sie immer versuchen,
ein Narrativ zu gestalten, was ihnen nützlich ist.
Ein Narrativ, wo sie selbst als Opfer erscheinen und wo die Gesellschaft als totalitär erscheint.
Das ist halt der Plot, der immer passiert.
Florian Spissinger
Ich würde noch hinzufügen, ich denke, man muss auch, es gibt ja vielschichtige
gesellschaftliche Entwicklung, also es passieren Dinge gleichzeitig,
also es kann Liberalisierungsprozesse gleichzeitig geben, während es einen Rechtsruck gibt.
Also Gesellschaft bewegt sich ja eben nicht nur in eine Richtung,
sondern und dann, wie gesagt, schaut man sich unterschiedliche Regionen,
habe ich auch schon erwähnt, an, ist es von Region zu Region auch anders,
dann manchmal noch von Ort zu Ort.
Also das ist schon komplex und das verpassen natürlich Sozialdiagnosen ziemlich
notwendigerweise, weil sie sehr grob am Ende sein müssen, abstrakt sein müssen.
Und den zweiten Punkt, den Felix gemacht hat, den wollte ich auch nochmal bestärken.
Also diese Vorstellung, dass es sowas gibt wie eine bestimmte sozialstrukturelle,
sozioökonomische Lage oder eine bestimmte gesellschaftliche Entwicklung,
die dann automatisch zu was führt, da würde ich tatsächlich widersprechen.
Auch widersprechen, weil Gefühle sind keine Reflexe, sind keine automatischen
Reaktionen auf sozialstrukturelle Entwicklungen, gesellschaftliche Entwicklungen,
soziale Lagen, sondern, und das finde ich, das habe ich Felix auch verstanden,
ist genau das Angebot sozusagen.
Also da braucht es einen Übersetzungsschritt, da braucht es ein Deutungsangebot
dazwischen oder ein Gefühlsangebot, würde ich sagen.
Und diese Übersetzung leistet die politische Rechte mit den Narrativen,
mit den Gefühlswelten, die sie verbreitet, sozusagen Gesellschaft zu deuten,
gesellschaftliche Entwicklung zu deuten.
Und dann wird aus Migration Islamisierung, aber das hat eben keinen Automatismus.
Felix Schilk
Und wenn ich noch eine Ergänzung machen darf, deshalb nenne ich das Ganze Krisennarrative.
Diese Krisennarrative, die sind relativ losgelöst von der...
Von dem, was wir empirisch in der Gesellschaft sehen können.
Also die sind quasi da und völlig egal, wie die Gesellschaft aussehen würde,
würden die Rechten genau diese Krisennarrative mobilisieren und beschreiben.
Und dann funktioniert genau das, was Florian gesagt hat. Dann kann ich nämlich
selektive Evidenzen suchen und das im Alltag validieren.
Und das wird quasi immer funktionieren. Völlig egal, wie stark die Migrationsbewegungen
sind, werde ich das immer als ein Problem framen können und begründen können.
Und das heißt jetzt aber auch für die politische Auseinandersetzung mit den
neuen Rechten, dass es eigentlich unmöglich ist, die Probleme zu lösen,
die die Rechten beschreiben.
Weil dann geht das Spiel einfach weiter. Dann gehen sie auf ein anderes Terrain,
dann wechseln sie ihre Beschreibungen, aber man kommt quasi aus dieser Logik nicht raus.
Man kommt da meines Erachtens nur dann raus, wenn man die Erzählungen dekonstruiert
und quasi aufzeigt, dass Krisen eben nicht nur was sind, was jetzt empirisch
feststellbar ist, sondern was auch einfach erzeugt wird rhetorisch.
Was mit einem Gefühl verbunden ist und was vielleicht auch nicht immer politisch
ernst genommen werden muss, sondern wo auch die Politik einen Auftrag und eine Verantwortung hätte,
daran zu arbeiten und vor allem für Vertrauen und für Zuversicht zu sorgen und
nicht immer nach dem zugute zu reden, was die Menschen schon denken.
Das ist meines Erachtens so der Grundfehler, der aktuell ganz häufig passiert
im Umgang mit der Extremrechten.
Leo Schwarz
Das ging jetzt tatsächlich schon mehr in die Richtung, in die ich vielleicht auch noch wollte.
Also mir ging es jetzt auch nicht so sehr darum, eine lineare Zeitdiagnose zu machen,
sondern zu fragen, auch sowohl strategisch als auch ethisch oder aus einer liberalen
oder progressiven Perspektive, was zu tun ist,
wie adressiert man sozusagen diese Formationen?
Ist es sozusagen eine Frage einfach
nur der Aufklärung, das scheint es ja offensichtlich nicht zu sein.
Funktioniert in bestimmten Bereichen doch eher sozusagen die klassische Härte
sozialer Normierung oder geht es um was ganz was anderes?
Geht es eben um den progressiven Gegenentwurf, die Gegennarrative, Gegengefühlswelten?
In diese Richtung wollte ich mich noch so ein bisschen bewegen,
wenn ihr dazu Gedanken habt.
Jan Wetzel
Also wenn ich das auch nochmal, also eine Dynamik, die auch Leo implizit so
ein bisschen angesprochen hat, ist ja tatsächlich die institutionell zu reagieren.
Also das heißt zu sagen, ihr wollt den Staat abschaffen, also spürt ihr die
Konsequenzen, die so ein Staat, ihr findet ja Autoritäten eigentlich auch so
gut, jetzt spürt ihr mal Autorität.
Und da wäre jetzt natürlich, dass man seinen Job verliert, ist was anderes,
aber zumindest, dass es in dem Moment, wo man eben die Grenzen des Rechts übertritt,
mit den Konsequenzen da zu rechnen hat.
Ich glaube, es ist in den staatlichen Behörden, in denen das funktioniert,
wird auch gerade bereinigt und die Polizisten, bei denen man das findet,
die werden jetzt rausgeworfen und so.
Also das heißt, der Staat hat ja Möglichkeiten sozusagen zu gucken und dann
entsprechend, wie gesagt, wie halt Autorität funktioniert,
dann die, die dann sich gegen den Staat richten, sozusagen auszusortieren und
ihnen sozusagen bestimmte Positionen wegzunehmen oder sozusagen auf der weicheren
Ebene sozusagen sie zu beschämen und so weiter.
Trotzdem kann man ja sagen, okay, damit beginnt man eine Dynamik,
die sozusagen, wie das typischerweise ist, zu weiterer Radikalisierung führt,
zur Bestätigung dieses Weltbildes.
Ja, die Gesellschaft hat sich verschworen sozusagen gegen das Volk und jetzt
spüre ich das sozusagen auch persönlich.
Persönlich gleichzeitig, also das ist jetzt auch eher die Beobachtung,
würde ich halt auch sagen, das stimme ich glaube ich Leo so ein bisschen dazu,
sehe ich da aber auch keine Alternative dazu, weil so funktionieren Gesellschaften,
dass sozusagen die, die diese Gesellschaft zerstören wollen,
entsprechende Konsequenzen sozusagen spüren.
Felix Schilk
Mir wäre es wichtig darauf hinzuweisen, dass...
Die Bundesrepublik seit ihrer Entstehung, die ist natürlich schon immer eine
wehrhafte Demokratie und all das, was du beschrieben hast, hat es schon immer gegeben.
Berufsverbote, Parteienverbote, Verbote von verfassungsfeindlichen Bestrebungen.
Ich will das jetzt gar nicht im Einzelnen bewerten.
Manches würde ich vielleicht teilen, manches nicht. Aber ich glaube,
wir müssen weg von dieser Vorstellung, dass diese Gesellschaft mal liberal war
und heute immer autoritärer wird.
Das ist ja ein völlig rechtes Zerrbild, sondern die Bundesrepublik war schon
immer auch ein Staat, der mit starker politischer Repression arbeitet.
Und das kann man, das gehört vielleicht auch zu liberalen Gesellschaften dazu,
darüber werden Kämpfe geführt, das sind mal vielleicht Linke,
mal Rechte, mal Umweltgruppierungen, die stärker ins Visier geraten.
So würde ich erstmal soziologisch beschreiben, funktioniert diese Gesellschaft
und darüber werden jetzt Auseinandersetzungen geführt und Deutungen.
Das heißt jetzt aber nicht, dass diese Gesellschaft irgendwie am Rand steht,
illiberal oder totalitär zu werden.
Das sind Zerrbilder, die gezeichnet werden, um eine bestimmte missliebige politische
Handlung zu diskreditieren, weil sie gerade vielleicht einen politischen Akteur
trifft, der mir näher steht.
Und man könnte dann gucken, man hat vielleicht linke Beschreibungen während
der Berufsverbote nach 68, die natürlich das Bild des Faschismus an die Wand
malen, was natürlich auch völlig überzeichnet ist.
Und heute hat man eher rechte Akteure, die jetzt bei einem Kompaktverbot quasi
genau das gleiche an die Wand malen. Und auch das ist natürlich völlig überzeichnet.
Und ich glaube, was man sich dann fragen kann als Ordnungspolitiker wäre ja,
wie resilient ist Gesellschaft und wo muss sie eben auch mal reklimentieren?
Jan Wetzel
Ja, also ich würde jetzt auch nicht sagen, dass es illiberal ist.
Es gibt Regeln sozusagen, es gibt einen Rechtsstaat.
Also da würde ich da auch zustimmen. Es hat sich eigentlich nichts geändert.
Es gibt einen Rechtsstaat und wie gesagt, wer diesen Staat bekämpft,
muss sozusagen mit der Reaktion des Staates, das ist eigentlich das Natürlichste
der Welt, da hat sich überhaupt gar nichts geändert.
Was sich geändert hat, ist, dass es jetzt offenbar mehr Leute gibt,
die das auch für vollkommen selbstverständlich halten, eigentlich den Staat
abschaffen zu wollen und so eine Art jetzt eben sich zu Revoluzzern da hoch zu schwingen.
Und das ist glaube ich so ein bisschen mein Problem, also wenn man gerade auf
Thüringen blickt, wo wirklich so ein Nazi vorne steht,
also das ist ja nochmal auch anders als in anderen Ländern, weil es da nicht
solche Figuren wie Höcke gibt, aber wenn man eben gerade Thüringen nimmt,
wo das unmissverständlich vorne sozusagen so ein Nazi steht,
der sagt, dieses System hat abgewirtschaftet, hier wird jetzt erstmal ordentlich durchgefegt.
Und der bekommt richtig viele Stimmen von richtig vielen Leuten.
Dann hat man natürlich ein Problem.
Florian Spissinger
Ich glaube, man muss auch nicht, also ich würde ehrlich gesagt in meiner Antwort
auf Leos Frage, die ist ein bisschen anders eingestiegen als diese Repressionsfrage.
Und ich finde, also da steckt doch total viel Potenzial drin.
Warum muss man sich sozusagen auf die Leute nur konzentrieren,
die ohnehin jetzt durch Gegenmerative und so weiter nicht zu erreichen sind?
Ich finde, das kann ich im Prinzip bei meiner Arbeit ziemlich gut zeigen,
weshalb das so schwierig ist.
Es gibt doch genug Leute, die unentschlossen sind und die nicht sozusagen AfD
wählen, um die zu stärken und überlegen,
was und Räume zu schaffen, zum Beispiel, wie gesellschaftliche Utopien aussehen können.
Sondern weil, wie wir heute auch schon gehört haben, ja, Utopien ist eine rechte
Leerstelle. Und da liegt aber auch eine Leerstelle von anderen Gruppierungen,
also aus meiner Beobachtung aktuell.
Und das ist ein Raum, den man füllen kann. Und wenn nicht, dann führt die Rechte
die mit ihren Dystopien.
Insofern scheint mir darüber ein wichtiger Punkt.
Also wie das dann konkret aussieht, muss man sehen. Aber dafür mal Räume zu
schaffen, scheint mir wichtig.
Jan Wetzel
Kommen wir vielleicht so langsam zum Schluss und nochmal mit der Frage,
also im Prinzip sind wir ja schon mittendrin, wie man sozusagen darauf antwortet.
Eine Strategie, die jetzt in den Ostländern eventuell erfolgreich ist,
ist das Bündnis Sarah Wagenknecht, die ja natürlich eine sehr durchwachsene Linie fahren.
Einerseits würde ich sagen, diese Krisenerzählung 100 Prozent gewissermaßen
oder fast 100 Prozent unterschreiben und dann aber sagen, wir müssen sozusagen
doch eher mit einer sozialeren Politik und so weiter antworten.
Also mit so einer Gemengelage von man nimmt vieles Rechtes auf,
aber geht halt nicht mit und das ist natürlich das Entscheidende,
wird auch nicht mit den koalieren. Also das ist ja erstmal sozusagen noch das
entscheidende Element.
Das heißt, viele Rechtererzählungen aufgreifen, aber eben trotzdem tatsächlich
eben dann doch kein Rechter sein.
Wie kann man sowas einschätzen? Also ich meine, in den Umfragen sieht man,
dass es einen Teil von Leuten gibt, die offenbar sozusagen von diesem Gefühl,
was ja Sarah Wagenknecht auch über viele, viele Jahre in den Talkshows verbreitet,
dass Deutschland bergab geht und dass das die schlimmste Regierung in der ganzen
Geschichte Deutschlands ist und so weiter, aber trotzdem eben sagt,
naja, aber Nazi will ich trotzdem nicht sein und werde deswegen auch keine Nazipartei
wählen. Kann auch sowas funktionieren?
Felix Schilk
Ist die Frage, was man sich jetzt davon erhofft, kann das funktionieren?
Also das BSW ist ja augenscheinlich erfolgreich und meine Analyse wäre,
die sind deshalb erfolgreich, weil sie ja auch eine ganz ähnliche Gefühlswelt
wie die AfD mobilisieren.
Also klar, da wird viel geschimpft.
Ich glaube, das BSW ist nochmal stärker verbunden wahrscheinlich mit einer Hoffnungsvorstellung,
obwohl die da ja auch unglaublich diffus ist, was tatsächlich das Programm ist.
Ist politisch jetzt so viel gelöst, wenn das BSW an die Stelle der AfD tritt?
Ich glaube, die tragen genauso dazu bei, Institutionen zu delegitimieren,
das politische Klima zu vergiften.
BSW-Politikerinnen und Politiker arbeiten mit Desinformation.
Ich glaube, sie tragen auf jeden Fall nicht dazu bei, das Vertrauen in Demokratie
zu verstärken. Vor allem, weil ich in Frage stellen würde, ob sie,
wenn sie tatsächlich politische Verantwortung haben, in der Lage wären,
das zu liefern, was die Leute erwarten. Ich denke nicht.
Ich würde sagen, dass BSW mobilisiert Frustration und Ohnmacht,
ist damit erfolgreich und würde aber genauso die Wählerinnen und Wähler enttäuschen,
wenn sie an der Macht sind.
Das wäre das eine. Das zweite wäre, wir können ja mal schauen,
was hätte denn eine mutmaßliche BSW-Machtoption für Folgen.
Für mich wäre jetzt das, wo man das am ehesten sehen kann, Personen wie Fizo
in der Slowakei, der ja auch aus einem eher linkspopulistischen Background kommt,
wo es viele Überschneidungen gibt, inhaltlich, programmatisch zum BSW und wo
man genauso sehen kann, dass dort ein ähnlicher autoritärer Staatsumbau passiert
mit der Maßregelung von Kultur,
mit einem Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie man das in Ungarn sehen kann.
Insofern glaube ich jetzt nicht, dass das BSW erstens eine Machtoption hat in
den nächsten Jahren und direkt so autoritäre Politik machen würde,
aber ich würde da trotzdem auch mögliche Gefahren sehen hin zu einem illiberalen
Umbau der Gesellschaft, Die dann vielleicht nicht so rassistisch ist,
wie die, die sich die AfD vorstellt, aber die trotzdem zu einer starken Illiberalisierung
führt und zu einer problematischen Entwicklung in gesellschaftlichen Diskussionen, hin zu Desinformation,
hin zu Verschwörungstheorien und auch hin zu einer massiven Frustration.
Jan Wetzel
Also es ist ja auch immer die Frage, ich meine da kann man die AfD genauso nehmen,
wie sich dann so eine Bewegung entwickelt.
Das geht ja gerade erst los und die AfD, das kann man ja jetzt auch rückblickend
immer nochmal schön sehen, wie sich die AfD auch völlig verändert hat über die Jahre.
Eine Frage, die mich auf jeden Fall noch umtreibt, Felix, du hast es vorhin
eigentlich schon eindeutig gesagt,
dass es kaum eine so richtige Verknüpfung zwischen der empirischen Wirklichkeit
gibt, auf der man letzten Endes politisch ändern kann, die Lebensumstände in
diesem Land und die Rechte und so weiter.
Und dem, was eben diese Beschreibungen sind, die in solchen rechten Narrativen stattfindet.
Ich habe auch kürzlich von einer Begegnung gehört von einem Politiker,
für den das auch nochmal so eine Entmutigung war, durch den Osten da gereist
und hat eben damit auch so eine AfD-Überzeugte sozusagen gesprochen.
Und die hat halt genauso geschimpft, was sozusagen alles nicht funktioniert hier und so weiter.
Und dann hat er sie gefragt, was können wir denn machen?
Also wenn Sie jetzt mir sagen könnten, das muss sozusagen zum Beispiel auf bundespolitischer
Ebene geändert werden, da hat sie gesagt, sie haben das wirklich noch nicht
verstanden. Uns geht es gar nicht darum, es geht darum, dass sie weg müssen.
Also das heißt, es wird dann ganz offensichtlich schon kommuniziert,
ich habe mich hier schon lange von sozusagen politischen Debatten und Sachen,
die politisch geändert werden können, davon habe ich mich schon,
auf der Ebene wird ja gar nicht mehr diskutiert.
Es geht jetzt eigentlich nur noch darum, dass sie verschwinden.
Und von daher stimme ich da einerseits zu, dass es glaube ich auch zutreffend
ist im Bewusstsein dieser Leute, dass die politische Realität und über das,
was sozusagen in den Nachrichten diskutiert wird,
was sozusagen Teil auch des Gegeneinanders und Miteinanders von Regierung und Opposition ist,
dass auf der sozusagen sachlichen Ebene von dem, was politisch entschieden wird,
eigentlich nicht mehr das politische Bewusstsein stattfindet.
Trotzdem, lange Vorrede jetzt.
Muss man natürlich darauf reagieren, also das heißt, dass politische Veränderungen
natürlich irgendwie eine Gemengelage auch mitbestimmen, unter denen diese Narrative
funktionieren, das ist natürlich richtig und das ist auch eine deutsche Situation,
ist in anderen Ländern anders, aber dass insbesondere Ostdeutschland eben so
übel dasteht, hat natürlich auch was mit den letzten 30 Jahren zu tun,
völlig klar, mal unabhängig davon, ob man es jetzt viel besser hätte machen können.
So, jetzt wirklich lange Vorrede. Wie geht man aber trotzdem mit diesen strukturellen Fragen um?
Sind die dann wirklich egal und man kann die jetzt eigentlich ausklammern,
weil das Mandat sozusagen, um das man kämpft, das hat eigentlich gar nichts
mehr mit dem eigenen politischen Handeln zu tun.
Also wie ist sozusagen diese politische Position auf dieser narrativen Ebene
und auf der strukturellen Ebene, das was auf der politischen Wirklichkeit,
nenne ich sie jetzt mal, wie hängt das zusammen?
Felix Schilk
Ja, vielleicht erst mal, es gibt ja eine ganze Menge Probleme in diesem Land
auf der strukturellen Ebene und die sind natürlich nicht egal,
sondern die müssen gelöst werden. Das ist Aufgabe von Gesellschaft und von Politik.
Und ich glaube aber, dass man mit dem Lösen dieser Probleme,
das ist nicht die Antwort auf den Rechtsruck, sondern der ist,
der findet auch auf einer kommunikativen Ebene statt, auf die man andere Antworten finden muss.
Das wäre meine erste Antwort. Ich glaube, wenn man sich jetzt aktuell die Dynamik
des US-Wahlkampfs anschaut, da sieht man ja, wie ganz schnell Stimmungen kippen
können und wie plötzlich eine Euphorie entstehen kann. Ich glaube,
das wäre eine gute Antwort auf einen Rechtsdruck, zum Beispiel in Ostdeutschland.
Was es im Grunde bräuchte, wäre eine Politik, die auch eine Wohlfühlgemeinschaft schaffen kann,
die aber nicht politisch regressiv ist, die nicht mit Hass arbeitet oder die
nicht gesellschaftlich destruktiv ist, sondern die ein positives Angebot bildet.
Das wäre das eine. Das Zweite wäre,
ich will jetzt keine Politikberatung machen,
aber wenn man sich die Politik der Ampel anguckt, dann frage ich mich,
und das begreife ich wirklich nicht, warum es den Politikerinnen und Politikern
und politischen Kommentatoren nicht gelingt, auch mal die vielen Erfolge,
die man als Regierungskoalition hat, herauszustellen und darüber zu reden.
Und das kann man ja im Klein in klein machen. Also es gibt ja immer diese Forderung,
so ideologiefreie Sachpolitik zu machen im Kleinen und ich glaube,
das könnte tatsächlich auch eine Antwort sein auf den Rechtsruck,
wenn es denn passieren würde und wenn es nicht in einem Kulturkampf-Modus kommuniziert machen.
Ja, geht es darum Vertrauen, irgendwie Vertrauen herzustellen und das kann ich
natürlich nicht, wenn ich permanent eine Oppositionsarbeit mache,
die massiv, massive Krisenerzählungen verbreitet und damit das Vertrauen in
das politische, in die lösungsfähig oder in die Handlungskompetenz des politischen
Systems insgesamt untergrabe.
Das ist völlig destruktiv und auf lange Sicht fatal meines Erachtens.
Florian Spissinger
Aber ich denke auch, Politik ist dann erfolgreich, wenn sie sozusagen im alltäglichen
Gefühl der Menschen ankommt.
Also wenn man den Eindruck hat, es verändert sich was in meinem tatsächlichen Leben.
Das ist ja genau umgekehrt, was die Rechte sehr gut kann. nämlich zu zeigen,
zu beweisen im Gefühl, den Eindruck zu vermitteln,
dass, ich spitze mal zu, Habeck mir aus meinem Keller die Ölheizung herausreißen will.
Und ich denke, sowas wie das Deutschland-Ticket, wenn dann die Bahn besser funktionieren
würde, sind eigentlich solche Politiken, die im Alltag ankommen.
Aber dann bräuchte man halt eine andere Infrastruktur. Also ja,
aber Politik, die sozusagen eine alltägliche Andockung schafft,
ist sicher ein wichtiger Punkt.
Jan Wetzel
Ja, das ist wahrscheinlich wichtig. Also aus Berlin kann ich zumindest das Beispiel
nennen von Fahrradwegen,
wo man über Jahre lang an ganz, ganz schrecklichen Straßen jedes Mal mit Gefahr
um Leib und Leben langfährt und eines Tages ist da plötzlich ein wunderschöner
Fahrradweg und man hat so das Gefühl, hier ändert sich wirklich was.
Und ich habe hier wirklich jetzt plötzlich durch und sei es nur ein paar hundert
Meter richtig an Lebensqualität gewonnen, weil ich hier zumindest nicht mehr
die ganze Zeit in Lebensgefahr bin.
Das sind halt so kleine Symbole, aber das sind auch mehr auch Symbole.
Das sind tropische Bäume.
Leo Schwarz
Sind das teilweise.
Jan Wetzel
Genau.
Leo Schwarz
Am Oranienplatz gibt es so zehn Meter richtig breiten Fahrradweg und danach
verschwindet der wieder. Naja.
Jan Wetzel
Das sind die kleinen Symbole, die man braucht.
Hören wir damit vielleicht auf. Also die Aufgabe, sich tatsächlich dieses,
und vielleicht kann man das nochmal sagen, was du auch schon genannt hast, Felix,
dieser Stimmungswandel in den USA jetzt, der hat ja wirklich was ganz Merkwürdiges.
Also wo man auch selber sieht, dass man, gerade wenn man diese Politik auch
selber verfolgt, dass man selber auch schon, obwohl man natürlich auch kein Amerikaner ist,
da irgendwie mit einbezogen ist in diese Gefühlswelt der amerikanischen Politik
und auch plötzlich eine bessere Laune hat und irgendwie Donald Trump auch plötzlich
zehn Jahre älter und tattrig aussieht, obwohl er sich natürlich gar nicht verändert hat.
Das ist schon irgendwie verblüffend.
Vielleicht sollte man eben genau diese Wirkungen, die Narrative und dann auch
die Gefühle haben, da ernst zu nehmen.
Felix Schilk
Und vielleicht ergänzend daran, glaube ich, zeigt das Beispiel auch,
wie hilfreich das ist, immer mal den Blick über den Tellerrand zu wirken und
wegzuschauen von Deutschland auf andere Länder, die ja alle von den gleichen
Problemen, von den gleichen kommunikativen Dynamiken stehen.
Und wo man vielleicht noch eher erkennt, wie stark dort auch Krisen rhetorisch erzeugt werden.
Also Stichwort USA, diese Diskrepanz von realer wirtschaftlicher Lage,
Inflation von politischer Stimmung, wie entkoppelt das Ganze ist.
Jan Wetzel
Und trotzdem natürlich ganz unterschiedlich in den demokratischen Systemen.
Also das ist ja die nächste Frage, warum das manchmal dann so unterschiedlich ist.
Also vielleicht schließen wir damit ab, immer mal einen Schritt zurücktreten,
historisch vielleicht, vielleicht auch im Ländervergleich und sich sozusagen
die eigene Laune und den eigenen Blick auf die Welt da nicht von anderen Leuten vorgeben lassen.
Das war die letzte Folge von, nicht die letzte, aber das war mal wieder eine
Folge von Das Neue Berlin.
Wir hoffen, ihr seid mit ein bisschen Erkenntnis rausgegangen.
Empfehlt uns bitte wie immer weiter, sowohl persönlich als auch in den sozialen Medien.
Und dann bis zur nächsten Folge von Das Neue Berlin. Macht's gut, tschüss.
Leo Schwarz
Ciao.
Felix Schilk
Ja, herzlichen Dank für die Einladung, war schön mit euch zu quatschen.
Florian Spissinger
Ja, vielen Dank auch von mir.