Transkript von Episode 99: Kirche im Umbruch – mit Philipp Greifenstein

ACHTUNG: Das Transkript wird automatisch durch wit.ai erstellt und aus zeitlichen Gründen NICHT korrigiert. Fehler bitten wir deshalb zu entschuldigen.


Philipp Greifenstein
Ich bin, weil es ja auch mein Job ist, schon sehr dafür, auf die Ränder zu gucken,
auf die radikalisierten Ränder
der christlichen Kirchen und dann natürlich auch auf die politischen.
Aber wir neigen medial echt sowieso dazu, immer auf diese Extreme zu gucken,
weil die natürlich auch total aufregend sind.
Dafür geht so ein bisschen der Blick verloren auf das, was so eigentlich zum
Beispiel christliche Frömmigkeit in Deutschland ist.
Und ich würde mich manchmal echt freuen, wenn wir mal so ein bisschen mehr auf die Normalos gucken.
Auf die vielfältige Kirchenlandschaft, die es gibt.
Hier ist das neue Berlin.
Jan Wetzel
Hier ist das neue Berlin. Hallo und herzlich willkommen zur 99.
Folge von Das neue Berlin. Mein Name ist Jan Wetze.
Leo Schwarz
Ich bin Leo Schwarz.
Jan Wetzel
Und gemeinsam versuchen wir hier Gegenwart und Gesellschaft zu verstehen.
Fährt man durch Deutschland, blickt man über die Städtchen und die Dörfer ab,
dann leiten dem Blick noch immer die Türme der Kirchen.
Auch wenn sie eben ästhetisch noch immer dominieren für die Institutionen Kirche,
gilt das längst nicht mehr.
Die Anzahl der Kirchenmitglieder sinkt seit Jahrzehnten und sie sinkt auch erstmal weiter.
Missbrauchsskandale erschüttern ihre moralische Autorität und die Kirchensteuer
steht zunehmend in der Kritik.
Was sind die Herausforderungen der Kirche heute? Wie geht sie damit um?
Das sind Fragen, bei denen wir heute mal einen thematischen Rundumschlag wagen wollen.
Dafür haben wir Philipp Greifenstein zu Gast. Er ist freier Journalist und Autor
zu Kirchenthemen, vor allem bei der Eule, einem Online-Magazin zu Fragen von
Kirche, Politik und Kultur.
Dort betreibt er auch einen Podcast und ist deswegen der perfekte Gast für uns heute. Hallo Philipp.
Philipp Greifenstein
Hallo, danke für die Einladung.
Jan Wetzel
Vielleicht zunächst zu dir und der Eule. Ich habe jetzt natürlich schon gesagt,
dass die Kirche nicht irgendwie der heiße Scheiß ist, der kommt,
sodass man da ein neues Magazin, was dann sich eben auch noch online entwickelt,
das vielleicht nicht das Allernaheliegendste ist, was man macht.
Wie ist das gekommen und was machst du damit, wem machst du das?
Philipp Greifenstein
Also so neu ist die Eule schon nicht mehr. Wir werden alt.
Wir sind schon im achten Jahr jetzt. 2017 haben wir die Eule gegründet als reines Online-Magazin.
Auch das erste reine Online-Magazin für Kirchen, Nachrichten und Religionspolitik
im deutschsprachigen Raum.
Die Motivation dahinter ist, dahin zu schauen,
wo zunehmend die großen Medien nicht mehr hinschauen, weil die Religionsberichterstattung,
die Berichterstattung über Kirchen doch weniger Raum einnimmt.
Und zugleich aber die traditionelle Kirchenpresse, das heißt die Presse, Medien, die Magazine,
Websites, die direkt von den Kirchen finanziert werden, manchmal so blinde Flecken haben.
Und das sind zufällig genau die Themen, mit denen ich mich auch beschäftigen wollte und will.
Und so ist daraus die Idee entstanden, das einfach selbst zu machen an dem Magazin.
Und wir sind drei GründerInnen, die das 2017 gegründet haben und inzwischen
schreiben ganz viele Menschen bei uns in Kolumnenform oder als freie AutorInnen oder auch nur,
dass es Stimmen sind aus Kirche und Theologie,
die regelmäßig oder auch mal nur gelegentlich für die Eule schreiben.
Jan Wetzel
Also so eine kleine, also Gegenöffentlichkeit ist vielleicht zu viel gesagt,
aber schon als ein bisschen Gegengewicht.
Philipp Greifenstein
Ja, ich würde sagen, das ist ja der Begriff der alternativen Medien und der
unabhängigen Medien ist ja nachhaltig diskreditiert durch die Corona-Zeit und
durch das Aufkommen von rechtsradikalen Medien.
Insofern sind das Begriffe, die wir jetzt für uns in der Außendarstellung und
Werbung gar nicht mehr so häufig benutzen.
Aber der Faktor, dass wir nicht kirchenfinanziert sind, sondern alleine durch
unsere AbonnentInnen und gelegentlich Werbung im Magazin uns finanzieren,
der ist schon entscheidend, wenn man sehr ernsthafte und auch kontroverse Themen anfasst.
Die Missbrauchskrise wurde ja gerade schon angesprochen, aber das Gleiche gilt
auch für Rechtsradikalismus und Kirche.
Da tut es gut, wenn man möglichst große Unabhängigkeit hat.
Es ist jetzt nicht so, dass die Kirchenmedien
da gegängelt würden aus den Kirchenkanzleien oder Bischofsbüros.
Es ist aber vielmehr so, dass es schon auch eine inhaltliche Zurückhaltung gibt,
auch kontrovers zu sein, in den Streit zu gehen und das ist was,
was wir in der Eule doch recht regelmäßig machen.
Jan Wetzel
Und vielleicht noch zu den klassischen Medien- und der Kirchenberichterstattung.
Ist das was Spezifisches, dass die Kirchenthemen nicht mehr behandeln oder ist
das allgemein sozusagen Teil der Medienkrise,
dass es einfach weniger Journalisten gibt, die sich mit Sachen auskennen,
die da dran sind und gut recherchiert einfach zu Themen arbeiten?
Philipp Greifenstein
Ich glaube, es gibt eine große Wechselwirkung mit unterschiedlichen Krisen auch der Medienwelt.
Die darf man sicherlich nicht unterschätzen. Es läuft jedenfalls nicht einfach
darauf hinaus, dass man sagt, so und so viele Menschen treten im Jahr aus der
Kirche aus und deshalb wird wesentlich weniger über die Kirche berichtet.
Es wird ja auch nach wie vor viel berichtet, also es gibt in den öffentlich-rechtlichen
Sendern Kirchenredaktionen,
auch in Kooperation mit den beiden großen Kirchen und darüber hinaus gibt es
in den großen Zeitungen des Landes ja auch noch Redakteure und Redakteurinnen,
die Expertise mitbringen und regelmäßig also zumeist die beiden großen Kirchen im Blick haben.
Aber es ist klar, dass sich das im starken Wandel befindet und dass jetzt auch
gerade was jüngere KollegInnen angeht, das seltener wird.
Denn bei der schwindenden Kirchenmitgliedschaft, das wird kirchenintern und
auch, glaube ich, extern ganz häufig unterschätzt, geht es ja nicht um eine lineare Entwicklung,
sondern es gibt einen ganz, ganz starken Bauch bei den älteren Jahrgängen.
Und umso jünger man wird, desto weniger Kirchenmitgliedschaft.
Das heißt, heute ist es eher seltener, dass Menschen, die nach der Schule entscheiden
wollen, was sie mit ihrem Berufsleben so anfangen wollen, zum Beispiel Theologie studieren,
zum Beispiel einen Berufsweg im geistlichen Amt für sich in den Blick nehmen,
als Religionslehrerin in den Blick nehmen und eben auch so im Blick haben, naja,
ich könnte ja Journalismus im Raum der Kirche machen oder im kirchlichen Auftrag
gar oder über Religionsgemeinschaften berichten.
Und das ist ganz häufig so, dass man dann doch irgendwo einen Anker braucht
im eigenen Erleben, in der eigenen Erfahrungswelt.
Und wenn man die jetzt aus der kirchlichen Jugend und Kindheit nicht mitbringt,
dann ist das bei vielen Menschen nicht mehr so im Blick, dass man das machen könnte.
Obwohl das nach wie vor beide Organisationen, die großen Kirchen in Deutschland,
als auch als Thema natürlich, das sehen wir ja aktuell vor allem im Blick auf die USA,
total wichtige Dimensionen unseres Lebens sind, Religion und auch das Christentum
als prägende kulturelle Kraft, ja, will ich mal sagen,
also insofern, man muss ja nicht unbedingt total überzeugtes Kirchenmitglied
sein, um sich mit diesen Themen zu beschäftigen, wir sehen aber,
da gibt es eine Korrelation.
Jan Wetzel
Jetzt hast du schon die beiden Kirchen angesprochen, das haben wir auch,
so transparent kann man ja sein, im Vorgespräch schon besprochen,
wie wir das genau machen, ob wir sozusagen heute über die evangelische Kirche
sprechen, über beide große Kirchen, über Kirchen überhaupt.
Also du sagst, dass das in vielen Fällen eigentlich keinen so großen Unterschied
mehr macht, vielleicht kannst du dazu ein bisschen was sagen,
wie sich das eigentlich entwickelt hat, die Ökumene natürlich überhaupt.
Philipp Greifenstein
Ja, ganz am Anfang, vor 12, 13 Jahren, als ich damit begonnen habe,
wirklich publizistisch, journalistisch mich mit den Kirchen zu befassen,
da habe ich ganz, ganz viel Wert darauf gelegt, dass in Teasern und Überschriften
und selbst bei der Zuschreibung von Zitaten immer ganz genau steht,
evangelische Kirche, katholische Kirche, römisch-katholische Kirche,
altkatholische Kirche.
Und damals haben schon die Kolleginnen aus der Printwelt vor allen Dingen immer
ein bisschen schmunzeln müssen, wenn ich kritisiert habe, da steht einfach nur, die Kirche sagt.
Der Punkt ist, beides hat so ein bisschen eine Berechtigung.
Also es ist schon ganz wichtig, dass man in der Berichterstattung zum Beispiel
genau hinschaut, was sagt wer, in wessen Auftrag, für welche Organisation.
Das ist ganz selbstverständlich der Fall. Wir hatten ja jetzt im Bundestagswahlkampf erst so einen Moment,
wo die sogenannten KirchenbotschafterInnen, die PrelatInnen der Evangelischen
Kirche und der katholischen Kirche sich an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages
gewandt haben. Das hat im Wahlkampf ja eine Rolle gespielt.
Das war eine starke Kritik an der Union und an Friedrich Merz.
Und dann ist schon genau wichtig, wer spricht. Auf der anderen Seite passiert
das, was ihr vorhin im Teaser hier gemacht habt für diese Episode.
Wenn es darum geht, wer in der Gesellschaft allgemein die Stimme erhebt,
dann wird ganz häufig gesagt die Kirche oder die Kirchen, also so ein Kollektiv. Und.
Und insofern, weil sich die Kirchen da auch inhaltlich auf vielerlei Hinsicht einig sind,
muss man es mit, also mit der Binnendifferenzierung würde ich es sehr genau
halten und dann muss man schauen, was ist die gesellschaftliche Wirkung und
die entfaltet sich in unserer pluralen Gesellschaft ganz häufig eben dadurch,
dass die Kirchen was gemeinsam machen.
Und dann haben sie auch noch, finde ich, sehr großes Gewicht.
Wir reden ja immerhin von 29 Millionen Kirchenmitgliedern auf der römisch-katholischen
Seite, bisschen mehr als 27 Millionen bei der evangelischen Seite.
Dazu kommen noch Christinnen und Christen in anderen kleineren Kirchen dazu.
Also wir können sehr wohl und mit guten Gründen davon ausgehen,
dass so 55, 56 Millionen Menschen in unserem Land in einer Kirche Mitglied sind.
Und das sind sie ja, weil wir in unserem Land Religionsfreiheit haben,
auch freiwillig. Und ich finde, das kann man dann auch ernst nehmen und sagen,
ja, das kann man als gesellschaftliche Größe schon beschreiben.
Die Kirchen sind kollektiv die größten Organisationen jenseits von staatlichen
Zusammenhängen, die wir in Deutschland haben.
Jan Wetzel
Und wie ist das innerhalb der Kirchen? Also es ist natürlich klar,
dass die Wahrnehmung sich ändert.
Ist da eine Abgrenzung da? Also ich meine, das ist klar, dass es da immer Leute
gibt, die die Ökumene wichtiger finden.
Bei schwierigen Themen werden dann die Unterschiede wieder betont.
Die Lebensrealität von Menschen ist natürlich auch noch mal eine andere.
Ich glaube, es ist auch offensichtlich, dass es natürlich was anderes ist als
vor 150 Jahren oder so, wo man dann auch Kriege gegen die Katholiken hatte und
so weiter, Verschwörungstheorien und so.
Da würde man heute, glaube ich, nicht mehr direkt darauf kommen,
weil sich die Milieus nicht mehr so über die Religion bestimmen.
Aber also genau, wie ist das, wenn du da über diesen Wandel und die Ökumene
innerhalb der Kirchen nochmal was sagen könntest?
Philipp Greifenstein
Also das ist eine sehr kluge Beobachtung. Ich glaube, die Milieus,
das katholische Milieu oder auch spezifisch regionale evangelische Milieus,
die sind halt in Auflösung begriffen, ob wir da über den rheinischen Katholizismus
oder den Katholizismus in Bayern reden,
da schleift sich viel ab von so konfessionellen, regionalen Spezifika und.
Dann sehen wir durch religionssoziologische Untersuchungen, dass sich Menschen,
die sich in den Kirchen engagieren, die tatsächlich so ja auch in ihrem Alltag
Kirchenmitglieder sind,
dass die sich doch ganz häufig gleichen über die Konfession hinweg,
was Werteinstellung angeht, was Lebensgestaltung angeht.
Und dann gibt es die Zusammenarbeit in einem emphatischen Sinne,
die Ökomene, also die weltweite Zusammenarbeit der christlichen Kirchen und Gemeinden.
Da ist ja eine inhaltliche Qualifikation dahinter.
Ökomene kann ja unterschiedliche Ziele haben, nämlich die Einheit der Christen
und Christinnen, das steht immer im Vordergrund, aber die Frage ist,
ist damit auch eine Einheit der Organisation gemeint oder der Zusammenarbeit?
Nicht alles, was heute unter Zusammenarbeit in der Gesellschaft von den Kirchen
läuft, kann man quasi in diesem inhaltlichen Sinn als Ökumene bezeichnen.
Es ist ganz häufig einfach auch eine pragmatische Kooperation.
Und du hast ganz richtig schon gesagt, naja, wenn es hart auf hart kommt und
es manchmal ganz nett ist, sich voneinander absetzen zu können,
dann werden auch Unterschiede noch betont.
Das sind aber ganz häufig eben nicht mehr so die theologischen Unterschiede,
die vielleicht auch damals bei den Religionskriegen schon eher so ein bisschen
vorgeschoben waren vor Machtinteressen, sondern das sind auch so pragmatische
politische Fragen, wo man sagt, da wollen wir uns doch schon voneinander noch abgrenzen.
Aber es ist ganz wichtig, beide großen Kirchen, und das gilt in einem größeren
Zusammenhang auch für die Gemeinschaft der christlichen Kirchen in Deutschland,
haben für sich entschieden und das auch immer wieder kommuniziert,
gerade im letzten Jahr, man will ohne einander nicht Kirche sein.
Also es ist die Erkenntnis gewachsen über das lange 20.
Jahrhundert, dass man glaubwürdig christliches Zeugnis in der Gesellschaft nur
dann vertreten kann, wenn man das zusammentut.
Jan Wetzel
Das hast du schon gesagt oder schon über die Mitgliedszahlen gesprochen und
ich glaube, das ist auch erstmal ein wichtiger Punkt von dir,
dass das eben wahnsinnig große Organisationen sind, man unterschätzt das dann auch immer.
Aber trotzdem, wenn man sich natürlich die Grafen da anguckt mit der Mitgliederentwicklung, sinkt das.
Aber auch das weißt du besser, gehe ich glaube ich auch davon aus,
dass es jetzt nicht morgen aufhört.
Kannst du darüber ein bisschen was sagen, wie da, also einerseits wie sich das
entwickelt, aber auch was das für die Kirchen dann bedeutet?
Philipp Greifenstein
Ja, das kann ich. Wir reden ja sehr viel darüber, weil die Kirchen uns selbst dazu Anlass geben,
indem sie die Kirchenmitgliedschaft zahlen und ganz viele Zahlen zu Taufen, Bestattungen,
Hochzeiten, Gottesdienstbesuch selbst veröffentlichen.
Das hat man früher an einem Tag im Jahr gemacht. Jetzt gibt es einen katholischen
Termin und einen evangelischen Termin.
Und da sorgen halt die Kirchen selbst mit Zahlenmaterial dafür,
dass dann über sie berichtet wird.
Meistenteils eben, weil die Kirchenaustrittszahlen doch recht hoch sind.
Eigentlich negativ. Deshalb gibt es in den Kirchen auch immer wieder mal Stimmen,
die sagen, warum machen wir das eigentlich?
Denn andere gesellschaftliche AkteurInnen machen das ja nicht.
Also der ADAC oder die Gewerkschaften, Parteien, politische Parteien,
die geben ja nicht permanent an, ob jemand weggeht.
Die sagen höchstens, wann es in die andere Richtung geht.
Also im Bundestagswahlkampf haben wir das gut gesehen, dass es auch die Parteien
gab, die gesagt haben, bei uns treten gerade Leute ein und das wird dann positiv vermeldet.
Ja, also insgesamt ist es so, dass der größte Schwund an Mitgliedern in den
beiden großen Kirchen natürlichen Ursprungs ist, weil die Mitglieder versterben.
Also meistenteils aus Altersgründen dann.
Ja, und das ist ein regelmäßiges Abschmelzen der tatsächlichen Mitgliedschaft,
die ja in Deutschland enorm groß und auch formalisiert ist, dadurch,
dass wir das ja angeben können,
direkt beim Staat, in welcher Kirche wir sind und daraus resultiert ja dann
zum Beispiel auch der Kirchensteuereinzug.
Und das ist so eine zugleich stark formalisierte,
aber auch unpersönliche Form von Kirchenmitgliedschaft, die relativ untypisch
ist, wenn man jetzt mal auf die weltweite Christenheit schaut,
wo man einfach Mitglied einer Kirche oder einer Gemeinde vor Ort ist.
Da ist dann auch die finanzielle Unterstützung ganz anders als bei uns in Deutschland
über die Kirchensteuer.
Und der zweite große Grund des Mitgliederschwuns ist, dass in den letzten Jahren
die Kirchenaustrittszahlen in beiden Konfessionen doch sehr hoch sind,
induziert durch die Missbrauchskrise, zuerst in der katholischen,
jetzt auch vermehrt in der evangelischen Kirche.
Und so verlieren die Kirchen insgesamt im Jahr ungefähr zwei Prozent ihrer Mitgliedschaft,
was im Umkehrschluss auch heißt 98 Prozent bleiben.
Leo Schwarz
Vielleicht sollten wir an dieser Stelle dann auch auf die Missbrauchsskandale eingehen.
Du hast ja schon darauf hingewiesen, dass es nicht wie lange angenommen nur
ein Phänomen der katholischen Kirche ist, als Massenphänomen,
sondern auch durch einige Skandale und jetzt auch durch Studien nachgewiesen
in der evangelischen Kirche.
Wie ist das einzuordnen? Erstmal in einem deiner Artikel habe ich gelesen,
dass man nicht davon ausgehen sollte, dass es wirklich einen großen quantitativen
Unterschied zwischen den beiden Kirchen gibt.
Und ist dann sozusagen die institutionelle Verfassung dieser beiden Konfessionen
auch als zentrale Ursache dieser Zusammenhänge zu sehen?
Wie genau sind diese Skandale und diese Missstände zu deuten?
Das ist natürlich ein großes Feld, aber du hast dich damit ausführlich beschäftigt.
Vielleicht kannst du uns da einen kleinen Überblick geben.
Philipp Greifenstein
Ja, also es ist nichts spezifisch Kirchliches. Ich glaube, das können wir jetzt
im Jahr 2025, 15 Jahre nach dem Beginn der Missbrauchskrise der Kirchen in Deutschland,
doch recht deutlich sagen.
Das fällt manchmal KirchenvertreterInnen recht schwer, das so deutlich zu sagen,
weil das ja auch eine gewisse Dimension,
das sich selbst aus dem Fokus nehmen hat, aber ich nehme mir das jetzt mal aus
abständiger Beobachter schon raus.
Also dass jetzt ausgerechnet die kirchlichen Strukturen in besonderer Weise
im Vergleich zu anderen Strukturen missbrauchsanfällig sind,
da wäre ich ganz vorsichtig damit, sie sind missbrauchsanfällig.
Und Studien wie die MHG-Studie in der katholischen Kirche 2018 und die Forum-Studie
2024 in der evangelischen Kirche haben nachgewiesen,
dass es auch Spezifika gibt, auf die die Kirchen gut achten müssen,
sie möglichst abstellen oder minimieren müssen.
Das sind Machtstrukturen.
Und diese Machtstrukturen gibt es in ähnlicher Weise auch im Sport,
vor allen Dingen auch in Familien, in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen, in Schulen.
Da werden die aber anders inhaltlich begründet. Und ich glaube,
was den jenseits der sexualisierten Gewalt den zweiten Skandal und auch den
Grund des Vertrauensabbruchs gegenüber den Kirchen tatsächlich auslöst, ist,
dass natürlich der Machtmissbrauch und die inhaltliche Verkleidung des Machtmissbrauchs
natürlich völlig dem entgegensteht,
was die Kirchen eigentlich an positiver Verkündigung in die Gesellschaft immer hineinsenden wollen.
Also sexualisierte Gewalt ist absoluter Widerspruch gegen das,
was die Botschaft des Evangeliums ist.
Und das ist der Grund, warum viele Menschen in Deutschland den Kirchen nicht
mehr glauben können, weil sie das eine sagen und das andere machen.
Also das eine predigen und das andere machen.
Das haben sie aber nicht singulär. Es ist halt nur einfach so,
dass im Sport oder in der Schule ja, sagen wir mal so, der ideologische Überbau
nicht so vor sich hergetragen wird.
Das heißt aber nicht, dass dort nicht weniger sexualisierte Gewalt passiert.
Du hattest es gerade gesagt, die Fälle, die ungefähr irgendwann mal aktenkundig
wären, die nähern sich in beiden großen Kirchen so der Zehntausende-Marke an.
Über die letzten Jahrzehnte seit den 50er Jahren.
Jetzt ist es kompliziert, die Studien miteinander zu vergleichen,
weil die alle auch ein unterschiedliches Design haben und unterschiedliche Zeiträume.
Aber im Großen und Ganzen nähern wir uns jetzt diesen aktenkundigen Fällen von ungefähr 10.000.
Und davon ist ein großer Teil Heimerziehung und diakonische,
karitative Kontexte, das ist natürlich was spezifisch kirchliches,
weil Sportverbände zum Beispiel jetzt natürlich nicht noch Pflegeheime haben
oder Kinderheime oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderung.
Sportverbände haben ja keine Einrichtung für Menschen mit Behinderung oder Pflegeheime.
Insofern sind da über die letzten Jahrzehnte in diesen Kontexten viele Fälle
aufgelaufen und im zweiten Bereich sind dann die Fälle,
die wir in der verfassten Kirche, so nennt man die Strukturen der römisch-katholischen
und evangelischen Kirche sehen.
Und da gibt es dann so typische oder weniger typische Fallmuster.
Also man hat ganz häufig in der katholischen Kirche den Fokus bisher auf die Priester gelegt.
Da ist jetzt langsam auch eine Weitung zu erkennen, dass man auch die Ehrenamtlichen
und andere kirchliche Berufe mit in den Blick hinein nimmt, was jetzt die Täter angeht.
Und in der evangelischen Kirche hat man natürlich ganz häufig auf den Pfarrer
oder die Pfarrerin fokussiert.
Und da ist aber schon so, dass in den letzten zehn Jahren ganz genau auch hingeguckt
wurde, sind auch andere evangelische Berufe mit gemeint, weil zum Beispiel in
ganz vielen Gemeinden ja auch Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker angestellt
sind und Diakone, Gemeindepädagogen.
Religionspädagogen.
Also da ist ein bisschen ein differenzierteres Bild zu sehen,
was in der verfassten Kirche zumindest bei den Missbrauchsfällen sehr...
Sehr, sehr eindeutig ist, dass es vor allen Dingen Männer sind in einer ganz
hohen Prozentzahl, die da zu Tätern werden.
Und insofern ist es auch Teil eines weitergehenden gesellschaftlichen Problems
im Umgang mit sexualisierter Gewalt, mit Sexualität, mit Geschlechtlichkeit und Gender.
Also da gehen viele Themenfelder auch miteinander überein.
Leo Schwarz
Vielleicht kannst du noch was zu dem Umgang der Kirchen mit diesen Berichten erzählen.
Funktioniert da die Aufarbeitung, funktioniert da jetzt auch sozusagen die institutionelle
Bearbeitung, so wie man sich das wünschen würde oder wo sind da die Defizite?
Philipp Greifenstein
Ja, natürlich. Also es gibt sehr viele Defizite und es ist nicht so,
wie man sich das wünschen würde.
Gleichzeitig sind die Studien, die ich jetzt gerade schon angesprochen hatte,
ja selbst Ergebnis der Aufarbeitungsbemühungen der Kirchen,
die sie eingehen mussten aufgrund auch des öffentlichen Drucks,
gelegentlich auch ein wenig politischer Druck.
Aber eigentlich hat die Kirchen dazu niemand gezwungen.
Also dass jetzt in den ganzen katholischen Bistümern eine Missbrauchsstudie
nach der nächsten entsteht, Das ist schon natürlich durch öffentlichen Druck
und auch durch den inneren Druck in der Institution vermittelt,
aber es gibt bis heute keine oder bis vor kurzem keine Standards dafür,
für Aufarbeitung und die wurden,
wenn sie denn heute vermittelt über das Amt der unabhängigen Beauftragten der
Bundesregierung, jetzt auch für andere gesellschaftliche Bereiche wichtig wären,
die wurden eigentlich in den Kirchen in Deutschland entwickelt.
Also was jetzt den deutschsprachigen Raum angeht.
Und insofern sind die katholische Kirche und auch die evangelische Kirche da
in anderen Missbrauchskontexten weit voraus.
Also mal ein Beispiel, es gibt in den Kindergärten und Kitas in Deutschland
Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt, das ist gesetzlich vorgeschrieben.
Das ist auch bis zum vorletzten Jahr flächendeckend umgesetzt worden und solche
Schutzkonzepte gibt es auch in evangelischen und katholischen Einrichtungen,
aber wir haben die zum Beispiel noch nicht in Schulen in Deutschland,
also unabhängig von der Konfession.
Und da lernt man natürlich daraus, wie Kirchen das gemacht haben.
Und es gibt durchaus auch Verbände aus dem Sport, aus anderen Zivilgesellschaften
in Zusammenhängen, die bei der Kirche nachfragen.
Und das beißt sich natürlich damit, dass bei den Kirchen auch noch längstlich alles gut läuft.
Also ein Riesenproblem ist nach wie vor der Umgang mit Betroffenen,
wenn sie sich bei der Institution melden, um ihren Fall aktenkundig werden zu
lassen, um Aufklärung für ihren Fall zu suchen und um am Ende so eine Form von
Entschädigung zu finden.
Die heißt in kirchlichen Kontexten aber nicht Entschädigung,
weil daraus dann weitere juristische Ansprüche entstehen könnten,
sondern Anerkennung des Leids.
Und um diese Anerkennungsleistung und um den Umgang mit Betroffenen,
da gibt es eigentlich in den letzten Jahren den meisten Streit,
während es auf dem Feld der Prävention, Schutzkonzepte zum Beispiel, schon besser läuft.
Jan Wetzel
Hat das auch die Kirche, ich meine du hast gesagt, es ist der innere Druck da,
du hast auch darauf hingewiesen, dass natürlich das besonders ist,
weil das wirklich zum Widerspruch des Selbstverständnisses steht,
hat das schon auch die Kirche erschüttert und nachhaltige, also der Vertrauen, das hast du gesagt,
viele Leute treten deswegen aus, aber ist es auch so, dass eben innerhalb der
Kirche Leute so ein bisschen das Vertrauen verloren haben?
Philipp Greifenstein
Ja, ich glaube, das ist ganz massiv zu merken. Also ich glaube,
man kann ja beiden großen Kirchen...
Obwohl sie noch so groß sind und obwohl ihnen nie noch ganz viele positive Dinge
passieren und ich würde auch sagen, dass die Botschaft an sich ja nicht schlecht ist,
trotzdem merkt man, dass über all dem so ein bisschen in Schleier der Vergeblichkeit hängt.
Und das, denke ich, hat was damit zu tun, dass man auch viele einzelne KirchenmitarbeiterInnen
und Mitarbeiter merken, in einer Institution zu arbeiten,
in der Menschen Schuld auf sich geladen haben und damit irgendwie auch einen
persönlichen Umgang finden müssen.
Und das ist katholischerweise, würde ich sagen, also in der römisch-katholischen
Kirche stärker ausgeprägt noch als in der evangelischen, wo man manchmal den Eindruck hat, naja,
es könnte noch stärker das Thema sein, es könnte noch stärker auch wirklich
noch in die Tiefe der Strukturen hineinwirken, nicht bloß was Fragen der Prävention,
also des guten Umgangs mit Grenzen und einer schnellen Intervention,
also was machen wir, wenn jemand sich meldet,
ein betroffener Jugendlicher oder in Kindereinrichtungen, was passiert,
wie wird dann am besten reagiert, sondern einfach auch eine theologische,
inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Problem,
dass das noch sich weiter vertieft, auch mit den Formen von Machtmissbrauch
in der evangelischen Kirche,
um die man bisher halt gerne auch so einen Schlenker gemacht hat.
Also die geistliche Macht, da haben auch Menschen, die mit Kirche gar nichts mehr am Hut haben,
medial vermittelt oder generationell vererbt,
dann doch irgendwie das Bild des Papstes, dieser katholischen Kirche mit den
ganzen Männern und diesen geistlichen Würdenträgern vor Augen und eher weniger
so das, was mit der evangelischen Kirche assoziiert wird.
Und das ist ein Lernprozess in der evangelischen Kirche zu sehen,
geistliche Macht, das gibt es auch in der evangelischen Kirche,
auch wenn die keine Soutane anhaben.
Was den Druck und den Vertrauensverlust angeht, sind die Kirchenaustrittszahlen
schon nochmal entscheidend, weil die sind echt hochgegangen in diesen Jahren.
Weil wir eben in Deutschland diese spezielle Situation haben,
dass man Kirchenmitglied ist,
wenn man einmal getauft wurde oder konformiert wurde und dann ist man das und
ist das in früheren Generationen auch einfach lange geblieben,
egal wie nah oder fern man der Institution stand.
Und da kommen jetzt mehrere Entwicklungen zusammen, wenn man der Institutionen
abständig gegenübersteht, selber keine Angebote der Kirche wahrnimmt, dann auch sagt, naja,
das kostet ja auch Geld, die Kirchensteuer, die abgezogen wird vom Lohn und
dann wirklich sagt, also mit dieser Institution,
da kann ich jetzt einfach nur nichts mehr so viel anfangen, sondern da habe
ich ganz große Bauchschmerzen, da Mitglied zu bleiben.
Zum Beispiel aufgrund einer Missbrauchskrise, zum Beispiel wegen anderer politischer
Äußerungen von Bischöfen und Bischöfinnen.
Dann geht es relativ schnell, denn man kann ja seinen Kirchenaustritt in Deutschland
jederzeit erklären und den auch ohne soziale Sanktionen durchziehen.
Also und das ist auch ein großer Unterschied jetzt vom Beginn des 21.
Jahrhunderts, in dem wir jetzt leben, zum 20.
Jahrhundert, wo das regional noch nicht so war, dass man jetzt quasi in jedem
rheinischen Dorf oder in jeder fränkischen Kleinstadt hat austreten können,
ohne dass das nicht irgendwie eine soziale Komponente gefunden hätte.
Und heute ist das ja, ich würde sagen, die Kirchenmitgliedschaft nicht egal,
aber es ist jedenfalls nicht damit verbunden, dass man Nachteile hat.
Jan Wetzel
Jetzt hast du schon gesagt, dass
die Austritte, dass das doch eben mit dem deutschen System zu tun hat.
Kannst du da nochmal sagen, wie das in anderen Ländern ist und vielleicht auch
in dem Zuge auch die Missbrauchsskandale?
Es ist natürlich klar, dass das kein deutsches Thema nur ist,
aber ist das in Deutschland auch einfach nochmal größer gewesen als in anderen Ländern oder wie?
Philipp Greifenstein
Boah, das ist schwer. Nein, ich glaube, dass, also weltweit gesehen haben wir
über die protestantischen Kirchen, die reformatorischen Kirchen,
die nach der Reformation entstanden sind, also das, was wir in Deutschland so evangelisch nennen,
reformierte Lutheraner etc., da haben wir weltweit eigentlich gar noch nicht so viele Zahlen,
die hinken da wirklich hinterher.
Die Missbrauchskirche der Kirche, wieder mal in diesem Singular,
ist weltweit schon sehr katholisch, von der Wahrnehmung auf alle Fälle,
was aber nicht heißt, dass es in anderen christlichen Konfessionen nicht ebenso
ein Problem sein kann und ist,
vor allen Dingen und auch nicht bloß in christlichen Kirchen.
Also wir sehen, dass ab und zu mal so ganz kleine Schimmerchen,
wenn das Thema aufkommt, auch in muslimischen Gemeinden, in muslimischen Gemeinschaften weltweit,
im Hinduismus, im Buddhismus, also überall dort, wo es auch Machtstrukturen
gibt, die dann eben religiös begründet werden.
Ja, also es ist dann einfach nur der Chef oder jemand, der ein Lehrer,
eine Lehrerin, sondern das ist ja jemand, der von Gott erzählt und damit eine
Bedeutung hat für das Leben von den Menschen, die ihnen da zuhören.
Und es geht eben nicht bloß darum zu sagen, ja mach mal dies,
jenes so oder so, sondern es hängt eben das Seelenheil daran oder der Weg in die Ewigkeit.
Und daraus begründet sich ein Vertrauensverhältnis gegenüber diesen Menschen,
die geistliche Macht haben in unterschiedlichen religiösen Traditionen.
Ich würde sagen, dass die römische Kirche in den USA ganz stark betroffen war,
in Irland ganz stark betroffen war, Italien hält sich ja mit der Aufarbeitung zurück.
Also es gibt Anhaltspunkte dafür, dass dort, wo es ganz stark auch in sich geschlossene
Milieus und Gruppierungen gibt und gab, dass dort die Missbrauchsgefahr größer ist.
Und das ist in vormals so ganz stark oder immer noch sehr stark geprägten Gesellschaften
wie in Irland zum Beispiel doch stärker wahrnehmbar als in Deutschland.
Und was den großen Unterschied ausmacht ist, was jetzt so die Kirchenmitgliedschaft
angeht, um mal dahin zurückzukommen, ist, in anderen Ländern ist man Mitglied
in einer Kirche und entscheidet das selbst.
Man wird natürlich Mitglied in einer christlichen Kirche auch dort durch die Taufe.
Aber die Mitgliedschaft ist jetzt nicht so, dass man Mitglied in einer Körperschaft
des öffentlichen Rechts wird,
wie das in Deutschland der Fall ist, sondern man wird Gemeindemitglied und dann
spendet man da oder es gibt auch fest verabredete Beiträge für die Gemeinde oder für die Kirche,
für den Kirchenbund und in Deutschland ist das so, dass das durch das Kirchensteuersystem
doch relativ institutionabständig geregelt ist.
Also man bekommt von der Kirche vielleicht noch einmal im Jahr einen Brief,
wo drinsteht, wir hätten gerne auch nochmal Geld.
Und im besten Fall hört man natürlich ganz häufig von seiner Kirchgemeinde und
von der Kirche, indem man den Medien folgt, indem man einen Gemeindeprief liest,
indem man in die Veranstaltung geht. Aber das kann man alles auch weglassen.
Und trotzdem wird die Kirchensteuer eingezogen, weil die halt staatlicherweise
eingezogen wird. Und insofern gibt es da eine institutionelle Trennung zwischen,
ich sage jetzt mal kapitalistisch, zwischen Angebot und Nachfrage.
Man kann auch gar nichts von seiner Kirche wissen wollen und trotzdem Kirchensteuer bezahlen. Naja.
Leo Schwarz
Vielleicht können wir an dieser Stelle, weil du jetzt gerade die Kirchensteuer
erwähnt hast, auch nochmal diese eigentümliche Sonderstellung,
die die Kirchen auch in ihrer Verbindung mit dem Staat in Deutschland haben, besprechen.
Also die Kirchen haben ja sowohl Sonderrechte, auch was das Arbeitsrecht betrifft,
als auch erhalten sogar in einer gewissen Weise auch glaube ich Staatsleistungen
noch als Relikt früherer Zeiten und eben die Kirchensteuer wird staatlich eingezogen.
Ist das einfach eine historisch gewachsene Situation, mit der man erstmal,
also die man auch erstmal historisch einfach verstehen muss,
dass die so ist, im Verhältnis auch zu anderen Religionsgemeinschaften,
die natürlich auch gerne ähnliche Privilegien hätten?
Und wie genau müsste man das, also wo siehst du da auch vielleicht Reformbedarf,
was ist vielleicht davon auch wirklich kritikwürdig,
sowohl in Hinsicht der Gleichstellung gegenüber anderen Religionsgemeinschaften
als auch in der Hinsicht, dass es vielleicht einfach überkommene Privilegien sind?
Philipp Greifenstein
Ach, du hast dir eine ganz, ganz geladene Frage gestellt, weil da ganz,
ganz unterschiedliche Sachen auch dabei sind.
Also ich glaube, es ist ein wunderbares Privileg in unserer Gesellschaft und
den Ausweis unserer Religionsfreiheit, dass man das alles schön diskutieren
kann und auch die unterschiedlichen Vor- und Nachteile organisierter Religionen gut bewerten kann.
Und ich glaube, es ist völlig klar, dass in einer pluralen Gesellschaft,
in der die Kirchenmitgliedschaft oder Religionszugehörigkeit insgesamt rückläufig ist,
dass all das diskutiert wird und dass es dann in Zukunft sicherlich auch andere
Lösungen wird geben müssen.
Ich glaube nur, dass es auf dem Weg dahin zu guten Lösungen ganz wichtig ist
zu verstehen, a, warum sind die Sachen so geregelt, wie sie bisher geregelt sind und b,
was ist vielleicht auch der Vorteil dessen und zwar für den Staat,
für die Religionsgemeinschaften und für die Gesamtgesellschaft,
dass Dinge so sind, wie sie sind.
Wie kann man also die Vorteile erhalten und eventuelle Ungerechtigkeiten und
Nachteile abbauen? Das ist so die Frage.
Wir haben in Deutschland ein Religionsverfassungsrecht, was bisher eigentlich
besser als Staatskirchenrecht beschrieben werden muss, denn so ist es historisch entstanden.
Also als Zusammenspiel und Zusammenwirken von Staat und Kirchen in der Gesellschaft.
Und das ist sehr alt in Deutschland schon. Das kommt noch aus der Zeit der deutschen
Kleinstaaterei und wurde dann in die Weimarer Verfassung kodifiziert.
Da hat die Kirche auch zum ersten Mal wirklich Privilegien eingebüßt.
Und im Grundgesetz der Bundesrepublik wurden diese Paragrafen,
die dann in der Weimarer Verfassung schon waren, eigentlich so übernommen,
das ist ganz witzig, dass man das im Kirchen...
Also ich finde es, man kann das auch als witzig empfinden, dass man da eben
nicht das nochmal das Staatskirchenrecht neu geschrieben hat,
sondern an den entscheidenden Stellen im Grundgesetz steht dann,
und hier übernehmen wir folgende Artikel aus der Weimarer Reichsverfassung.
Und wir sind auf dem Weg in neues, modernes Religionsverfassungsrecht einzubringen,
Ja, zu entwickeln, aber das wird nicht einfach irgendwann mal geschrieben,
sondern das entwickelt sich halt so im Verlauf und wird unter anderem natürlich
auch andere Religionsgemeinschaften, wie unter anderem eben die muslimischen
Gemeinden stärker mit in den Blick nehmen müssen, was zum Beispiel die Gleichberechtigung
angeht, zum Beispiel beim Kirchensteuereinzug.
Also wie kommt man dazu, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften gut finanziert
ihren Tätigkeiten nachgehen können? Wie kann man das organisieren?
Denn es ist so, dass wenn jetzt die großen Kirchen zum Beispiel von ihren paarundzwanzig
Millionen Mitgliedern diese Beiträge selber einziehen müssten,
dann würde ausgerechnet das passieren, was sich glaube ich niemand wünscht,
nämlich dass die Kirchenverwaltung noch viel, viel größer sein müsste.
Das lässt sich bei den Finanzämtern schön einfach miterledigen und ich glaube
immer noch vielen Leuten nicht bekannt,
der deutsche Staat lässt sich ja diesen Kirchensteuereinzug von den Kirchen
bezahlen mit einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag.
Also es changiert so zwischen 200 und 300 Millionen im Jahr,
die die Kirchen quasi von dem, was sie an Kirchensteuer erhalten,
quasi direkt wieder dort lassen, dafür, dass die Finanzämter das machen.
Also es ist so ein bisschen eine Win-Win-Situation, muss man schon sagen.
Weniger Verwaltung bei der Kirche, es wird ein bisschen was beim Staat bezahlt
und die Kirchen bekommen enorm viel Geld durch den Kirchensteuereinzug,
als wenn man um freiwillige Spenden oder Mitgliedsbeiträge bitten müsste.
Dann würden auch die Kirchen deutlich weniger Geld haben als heute.
So, das ist jetzt die Kirchensteuer, jetzt habe ich schon ganz viel geredet
und die Staatsleistungen sind davon nochmal zu unterscheiden.
Die Staatsleistungen sind Ausgleichszahlungen für historisch gewordene Enteignungen
von Kircheneigentum in der Zeit der Säkularisierung.
Aber damit ist nicht der langfristige Prozess der Abtrennung von der Religion
gemeint, sondern damit ist tatsächlich bei Napoleon und fortfolgende gemeint,
dass Kirchengüter, Kirchenland, Kirchengebäude aus dem Besitz der Kirchen entnommen wurden.
Davon haben aber die Kirchen früher gelebt vom Ertrag des Landes und da wurde
ihnen ersatzweise von den damals noch bestehenden deutschen Landen,
Fürstentümern, dann die Finanzierung gesichert.
Also damals wurden tatsächlich die Pfarrerinnen und Pfarrer,
Pfarrerinnen gab es noch nicht, und Priester direkt aus den Landeshaushalten
der deutschen Staat bezahlt.
Das wurde mit der Weimarer Republik abgeschafft und stattdessen wurde eben dieses
System der Staatsleistung nach großem Streit übrigens eingeführt.
Also da gab es auch natürlich politische Kräfte, die Sozialdemokratie,
die Kommunistische Partei, die waren da dagegen.
Aber man hat gesehen, wenn die Kirchen als Organisation erhalten bleiben sollen
in der Gesellschaft, dann muss man die irgendwie finanzieren.
Und als Ausgleich für die erlittene Enteignung gibt es eben die Staatsleistung.
Und noch ein Schritt weiter, im Grundgesetz steht schon sehr,
sehr, sehr lange, seit 1949, der Auftrag, diese Staatsleistung abzulösen und
zu einem Ende zu führen. Und da stehen wir bis heute, Leiter Gottes.
Dass die Staatsleistungen jedes Jahr weiter bezahlt werden, weil es noch keine
Einigung zwischen den Kirchen und den Bundesländern gibt darüber,
wie man da zu einem guten Ende finden kann.
Jan Wetzel
Also ich hatte in Vorbereitung natürlich auch nochmal gelesen,
dass das im letzten Koalitionsvertrag stand.
Jetzt ist natürlich die Regierung eher geendet, aber es ist vielleicht auch
nicht übertrieben zu sagen, auch wenn die Ampel bestanden hätte,
dass da nichts mehr passiert wäre.
Wie schätzt denn du das ein? Ist das einfach? Ich meine, du hast das glaube
ich gut gerade auch deutlich gemacht, wie kompliziert das ist.
Das ist auch historisch natürlich geworden. Ich finde auch in den Artikeln immer
schön, das hat man ja selten,
dass dann auch so 200 Jahre alte Ereignisse da nochmal relevant werden in der
politischen Berichterstattung und man da nochmal an die Geschichtsunterricht
erinnert wurde mit dem Reichsdeputationshauptschluss und solchen Sachen.
Also das nur gesagt, ist das einfach so kompliziert, du hast auch die Länder jetzt noch genannt,
dass das auch unwahrscheinlich ist, dass der jetzt demnächst eine Regierung
sagt, das ist jetzt unser großes Thema, uns darum zu kümmern,
weil man gewinnt damit ja eigentlich nichts politisch.
Philipp Greifenstein
Ja, die Frage ist, bei wem der politische Verlust liegt. Im Moment liegt er
nämlich ganz eindeutig auf der Seite der Kirchen.
Denn die müssen ja in unserer pluralen Gesellschaft irgendwie vertreten,
dass es diese staatliche Querfinanzierung gibt.
Und das führt dann bis dahin, dass so ein bayerischer Ministerpräsident wie
Markus Söder, der übrigens evangelisch ist und auch mal Mitglied der Landessenode,
also des Kirchenparlaments der Bayerischen Landeskirche war,
dann sagen kann, liebe Kirche, denkt mal dran, wer euch hier unterstützt,
wenn ihr uns zu sehr widersprecht, dann kann sich das ja auch ändern.
Also so ein Erpressungsversuch.
Und es ist auch eine Ungleichbehandlung, wenn es jetzt einfach darum geht,
die bekommen Geld und die bekommen kein Geld.
Obwohl man schon mal deutlich sagen muss, dass auch die jüdischen Kultusgemeinden
im Zentralrat der Juden organisiert und auch die unterschiedlichen muslimischen
Verbände durchaus reichlich staatliche Förderung erhalten.
Genau für das gleiche Zeug, sage ich jetzt mal flapsig, wie die Kirchen.
Also vorhanden sein im Sozialraum, Beratung für suchterkrankte Menschen,
Arbeit mit benachteiligten Menschen etc.
Aber wenn man diese Leistung abschaffen will, dann muss man ja gucken,
wie und unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen.
Denn diese Leistungen sind ja nicht freiwillig und sie sind auch nicht einfach
so zu beenden, dass man sagt, der Staat überweist das Geld nicht mehr.
Und zwar nicht bloß, weil die Kirchen dann wirklich gewaltige Probleme hätten,
teilweise bei der Finanzierung ihrer Aufgaben, sondern der Staat kann sich natürlich
nicht aus einer gesetzlichen Zusage und Verpflichtung, also einer rechtlichen
Verpflichtung einfach stehlen.
Deshalb geht es um die Ablösung.
Das heißt, ein Ende finden wird immer darin resultieren, dass der Staat und
das heißt hier in diesem Fall die zuständigen Bundesländer,
14 von ihnen zahlen Staatsleistung, dann eine gewisse Zeit mehr zahlen,
als sie ohnehin jetzt schon zahlen und man dann vertraglich mit den jeweiligen
Landeskirchen und Bistümern festlegt und ab dem Punkt ist jetzt Schluss.
Ja, das würde die Kirchen in die Situation versetzen, das Geld quasi anzusparen
oder eine gute Vorsorge zu treffen und ab einem bestimmten Punkt wäre aber Schluss.
Und jetzt ist es so, dass die Bundesländer, und daran hakt es eigentlich schon
immer und in den letzten Jahren jetzt auch, die Bundesländer wollen das nicht,
weil das würde ja eine noch größere finanzielle Belastung für ihre Haushalte bedeuten.
Und deshalb sagen eigentlich alle Bundesländer, egal ob sie nun SPD,
CDU, CSU oder auch Grün regiert wird, Baden-Württemberg, das wollen wir nicht,
auf alle Fälle nicht jetzt in der angespannten Haushaltslage.
Und die Ampelregierung war tatsächlich die erste Bundesregierung seit ever,
die diesen Verfassungsauftrag auch mal in den Koalitionsvertrag geschrieben hat.
Es gibt auch einen Vorschlag, der ist mal sogar aus der FDP-Koalition,
aus der vorvergangenen Legislaturperiode entstanden, der eben so eine zeitliche Frist, Doppelzahlung,
Gegenrechnen unterschiedlicher Sachen vorsieht und dann ist aber auch mal gut.
Aber das Bundesgesetz, was entstehen könnte, prinzipiell kann der Deutsche Bundestag
das auch in der nächsten Sitzungswoche, na gut, also bald machen.
Dieses Grundlagengesetz muss irgendwie Spielräume enthalten für die Länder dann
jeweils mit ihren Kirchen auf ihrem Gebiet innerhalb dieses Rahmens zu guten Lösungen zu kommen.
Und ich sehe da, um mal die Frage ganz knapp noch zu beantworten,
eigentlich wenig Grundlagen.
Bewegung drinnen, weil die CDU, CSU sich auch als emphatisch kirchennah empfindet
und sagt, naja, das muss jetzt nicht sein.
Auf der anderen Seite kann es durchaus auch sein, dass es gerade eben dieser
Bundesregierung unter CDU, CSU-Führung braucht und bedarf, dass es dann gelingen könnte.
Denn SPD, Grün und FDP hat man immer so ein bisschen unter der Hand auch zum
Vorwurf gemacht, nicht besonders kirchenfreundlich zu sein.
Und es kann ja sein, dass man da so ein bisschen mehr Nähe an der Sache schon gar nicht schadet.
Jan Wetzel
Jetzt hast du die politische Ebene angesprochen, da kommen wir auf jeden Fall
nochmal zurück. Auch da hat sich ja in der letzten Zeit viel entwickelt.
Ich würde trotzdem gerne erst nochmal auf die Gemeindeebene ein bisschen runtergehen
und die Frage, wie sich eben Gemeindeleben dann wandelt in dem Wandel der Kirche.
Wir waren mit den Mitgliederzahlen eingestiegen.
Ich bin natürlich selber, also ich bin selber auch evangelisch aufgewachsen,
in dem Fall einer, glaube ich, noch ganz gut sich entwickelnden Gemeinde.
Jetzt war ich mit großem Abstand mal wieder da.
Da hatte ich das Gefühl zum Weihnachtsgottesdienst, dass da irgendwie auch nur
noch die Hälfte der Leute saß und es war auch dann kein so ein schönes Gefühl.
Zumal, das muss man ja dazu sagen, auch diese Kirchen eben alle so groß sind
und eigentlich zu groß sind. Also kannst du vielleicht da so ein bisschen was
dazu sagen, wie fast auch im technischen Sinne auch sozusagen sich diese Gemeinden entwickeln?
Einmal vielleicht in der Bandbreite, also es wird natürlich ganz unterschiedliche
Entwicklungen geben, je nachdem wo man ist, ob auf dem Land,
in der Stadt und so weiter und wie man damit umgeht dann.
Philipp Greifenstein
Also der erste wichtige Punkt ist sicherlich, dass die Austrittswelle tatsächlich
der letzten fünf bis zehn Jahre in der katholischen Kirche und in der evangelischen Kirche jetzt,
in den letzten drei, vier, fünf Jahren, sich ein bisschen unterscheidet zu den
Kirchenaustritten in den Jahrzehnten davor, insofern, dass auch sehr eng kirchlich
gebundene Menschen austreten können.
Denn sonst, und ich würde sagen, der Sockel ist nach wie vor so,
treten Menschen aus der Kirche aus, die also mit dem Gemeindeleben nichts zu
tun haben und dem sehr abständig gegenüberstehen.
Und insofern merkt man von den Austritten in der Gemeinde eigentlich immer relativ wenig.
Das Pfarramt oder das Gemeindebüro bekommt den Hinweis, dass jemand ausgetreten
ist. Dann gibt es manchmal noch so ein bisschen hemmsärmelige Versuche,
vielleicht mit einem Schreiben oder Gesprächsangebot daran noch was zu ändern.
Aber im Gemeindeleben, in den Gemeindekreisen, beim Gottesdienstbesuch merkt
man den Kirchenaustritt nicht so sehr.
Das sind Leute, die eben zu den im Vergleich zur Gesamtkirchenmitgliedschaft
geringen Teil der Bevölkerung gehören, die eben kirchengebunden sind.
Ja, also das ist halt der Unterschied, der durch diese Körperschaft öffentlichen
Rechts auch ein bisschen mit induziert ist, dass man sagt, wir haben eine Kirchenmitgliedschaft,
aber davon sind nicht alle Kirchen nahe oder Kirchen gebunden.
Was immer so ein bisschen, Christen sind sie alle, sonst wären sie nicht Kirchenmitglied.
Aber es ist halt irgendwo schwierig, deshalb hat sich da auch eine spezifisch
deutsche Sprache ausgebildet mit solchen Begriffen.
Also die gibt es weltweit nicht, da ist man Christ und da ist man Christ oder
da ist man Gemeindemitglied und da ist man Kirchenmitglied und Punkt.
Aber wir haben so kirchennah, kirchengebunden etc.
Ja, gleichwohl merkt man natürlich, dass wenn die starken Jahrgänge zunehmend
eben nicht mehr am kirchlichen, gemeindlichen Leben teilnehmen können,
weil sie entweder verstorben sind oder krank oder in Altenheim leben,
dann merkt man das natürlich ganz, ganz stark zum Beispiel am Gottesdienstbesuch.
Und was vor 20 Jahren eben noch Gottesdienstgemeinden mit 100 Leuten waren,
die auch relativ altersmäßig durchmischt waren, das sind heute manchmal eben
auch nur noch Kirchgemeinden,
also nicht Kirchgemeinden, aber Gottesdienstgemeinden von 20,
30 Menschen, die dann sehr alt geworden sind.
Und gleichzeitig gibt es nach wie vor Gemeinden auf Stadt- und Landebene, also das...
Es gibt zwar Unterschiede zwischen ländlichem Raum und Stadt,
aber trotzdem gibt es noch genug Gemeinden, wo genau das auch stattfindet.
Mit Sonntagsgottesdienst, mit Kinderangeboten, mit Kindergottesdienst am Sonntag,
mit Gemeindekafés, mit Kindergarten und Schulen etc.
Also es ist ein sehr vielfältiges Bild, aber es wird überall spürbar,
dass eben die jungen Leute fehlen, weil die ganz drastisch weniger Mitglied der Kirchen sind.
Also wenn man sagt, ungefähr die Hälfte der Menschen in Deutschland ist Christin
und Christ, dann gilt das für die gesamte Bevölkerung und umso älter man wird,
desto höher ist der Anteil an Christin und Christen und umso jünger man wird, desto geringer.
Und das sind natürlich Effekte, die sich auch verstärken, denn wenn man heute
ein Kind bekommt mit 30 oder so,
dann ist es so, dass man die Entscheidung dazu, ob man das Kind taufen lässt
oder nicht, eben nicht mehr so häufig fällt, wie das die eigenen Eltern noch
gemacht haben, die das vor 50 oder 60 Jahren,
äh, vor 30 oder vor 25 Jahren, wenn Kinder ein bisschen jünger zur Welt gekommen sind.
Getroffen haben, diese Entscheidung, ja.
Also ich würde sagen, die Gemeinden vor Ort merken diese Abbruchprozesse schon
auch, aber eher weniger am Geld noch.
Da merkt man das eher so an dem Zusammenstreichen von kirchlichen Strukturen,
am Spardruck, was Gebäude angeht und am Personalschwund.
Also wie viele Hauptamtliche gerade auch im geistlichen Amt sind für die Gläubigen
denn da und da merkt man das schon ganz deutlich,
weil es da ja nicht bloß um das Geld für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
geht, sondern auch um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst,
weil weniger Menschen Theologie studieren zum Beispiel.
Jan Wetzel
Also das ist tatsächlich gar nicht so das Geldproblem, sondern wirklich dieses
klassische Nachwuchsproblem.
Ich meine, auch das hat man in allen möglichen Bereichen, aber wie du schon
gesagt hast, in der Kirche noch einmal besonders, weil eben in der katholischen
Kirche jetzt junge Männer zum Beispiel eben keine Priester mehr werden wollen.
Philipp Greifenstein
Ja, also ich glaube, das ist was, das ist vielen, vielen Zuhörerinnen und Zuhörern,
die jetzt nicht kirchennah sind, wird das wahrscheinlich nicht so präsent sein.
Also der geweihte Priester, der macht in der katholischen Kirche nicht mehr so viel.
Also auch dort sind nicht geweihte Priester.
Aber durchaus eben theologisch gebildete Gemeindereferenten,
Pastoralreferenten tonangebend inzwischen in den Gemeinden und zu den ganzen
Ehrenamtlichen, die Kirche auch gestalten, überall in Deutschland.
Und das liegt natürlich daran, dass es in der katholischen Kirche diese Weihehindernisse
noch gibt. Also man muss ein Mann sein, man muss mehr oder weniger auch hetero sein.
Das kommt ein bisschen aufs Bistum drauf an, wie offen und deutlich man damit
umgehen kann, dass man als Priester homosexuell ist.
Bei den Mitarbeiterinnen insgesamt haben wir ja diese Diskussion gerade erst
in den letzten drei Jahren ganz intensiv geführt mit der Initiative Out in Church.
Da gab es auch eine große AD-Fernsehdoku, da gehe ich jetzt mal nicht noch weiter drauf ein.
Und in der evangelischen Kirche haben wir zwar diese biologistisch determinierten
Weihe, wir haben auch keine Weihe, sondern eine Ordination,
so heißt das bei Pfarrerinnen und Pfarrern, Aber das Interesse am Theologiestudium
und am geistlichen Beruf in der evangelischen Kirche ist auch sehr, sehr stark rückläufig.
Also da wird das total spürbar.
Und das andere ist, es geht schon ums Geld. Aber es geht jetzt nicht so sehr
ums Geld, dass jetzt quasi der Jahreshaushalt in der Gemeinde von Jahr zu Jahr
um mehrere zehn Prozent oder so schrumpft.
Und es geht eher darum, dass die Lasten, die aus einer sehr großen und auch
fetten Kirchlichkeit entstanden sind, natürlich jetzt nicht mehr getragen werden können.
Also zum Beispiel die vielen Gemeindehäuser und Kirchen.
Zum Beispiel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für viele, viele auch sicher wichtige
und schöne Sachen, aber wo man sich einfach fragen kann, ja,
so wird es jetzt nicht weitergehen.
Und da machen eigentlich beide Kirchen so ähnliche Sachen in unterschiedlichem
Tempo, je nach Landeskirche, je nach Bistum unterschiedlich schnell,
dass man also versucht, sich von einem Großteil des Gebäudebestandes zu trennen.
Das hat auch klimapolitisch schon Gründe, aber es geht vor allen Dingen um den
Erhalt, um den Kostenerhalt und dass man schaut,
dass man das verbleibende Personal auf die Arbeitsbereiche hinlenkt,
die man für zentral und absolut unverzichtbar hält.
Aber das beißt sich natürlich damit, was Leute für ihr eigenes Berufsleben gerne wollen.
Also wir brauchen Pfarrerinnen und Pfarrer in der Fläche, sage ich gerne,
also auch auf dem Land, aber nicht jede junge Theologin und jede junge Theologe
können sich vorstellen, tatsächlich Landfahrerinnen und Landfahrer zu werden.
Jan Wetzel
Ja, da kriegt man das ja mit, wenn dann so eine Pfarrerin da fünf verschiedene
Gemeinden da betreuen muss und so.
Also ich kenne das so ein bisschen aus Ostdeutschland, dann aus so sehr strukturschwachen
Gebieten, wie man so schön sagt.
Das ist natürlich schon der Wahnsinn, dass da eben diese ganzen Kirchen stehen.
Philipp Greifenstein
Ja, warte, wenn ich dazu was sagen darf, weil ich ja auch im ostdeutschen Land
tatsächlich lebe und auch aus Ostdeutschland komme.
Und das ist natürlich was, weil du am Anfang so gefragt hast,
was macht die Eule so ein bisschen speziell.
Das macht natürlich die Eule schon ein bisschen speziell. Wir kommen aus einer Perspektive,
wo wir die kirchlichen Transformationsprozesse, so heißt es kirchenoffiziell,
oder eben Abbruchprozesse, schon auch insofern stärker sehen,
weil wir die lebensweltlich miterlebt haben.
Und dadurch auch vielleicht an mancher Stelle gar nicht mehr so viel Angst haben.
Das Leben geht ja weiter, auch in der Kirche.
Und auch eine andere Perspektive darauf haben, was fette Kirchlichkeit angeht.
Also das hatte ich ja gerade schon gesagt, fette Kirchlichkeit.
Also die Größe der Apparate und die Menge an unterschiedlichen Orten.
Und Kirche kann auch kleiner sein und trotzdem nicht unbedingt weniger wichtig.
Also das ostdeutsche Land zeigt ganz gut, außer den Kirchen ist ganz häufig
vor Ort auch niemand mehr, der sich zum Beispiel um Kultur und Gemeinschaft beschäftigt.
Stark kümmert und obwohl die Kirchen in Ostdeutschland insgesamt eigentlich
nirgendswo mehr über die 20% Kirchenmitgliedschaft hinauskommen,
sind sie trotzdem die größten gesellschaftlichen Akteure in der ostdeutschen
Gesellschaft, weil es sonst niemand Größeres gibt.
Jan Wetzel
Also wird das auch, sagen wir es mal, so genutzt in den Kirchen,
also dass man sagt, im Osten hat man da schon,
sozusagen einen Vorsprung und weiß, ich meine, das ist ja auch in anderen politischen
Bereichen immer mal so diskutiert worden, die Osten als Avantgarde,
weil bestimmte gesellschaftliche Prozesse dort schon eher durchschlagen,
die vielleicht in 20 Jahren dann auch im Westen kommen.
Gibt es da auch sowas?
Philipp Greifenstein
Ja, also es ist zu beobachten ein kleiner Trend der westdeutschen Reisegruppen,
die mal schauen wollen, wie das so geht.
Ich glaube, Avantgarde wäre ein bisschen hart. Erstens würde das nicht dem Selbstverständnis
der Christinnen und Christen in Ostdeutschland entsprechen, weil weniger zu
werden jetzt einfach auch nicht wahnsinnig sexy ist.
Und auf der anderen Seite sind sowieso alle Landeskirchen
und alle Bistümer immer sehr davon überzeugt, dass bei ihnen das doch nochmal
alles ein bisschen anders und speziell ist und dass man sich von den anderen
jeweils engen Geschwistern und Geschwistern, das kennt man ja auch aus der eigenen
Familie, man will immer ein bisschen anders sein als der große Bruder oder die kleine Schwester.
Und ja, also da wird ganz häufig gesagt, nee, so können wir es nicht machen,
wir lassen uns gerne inspirieren, aber wir müssen es dann doch ein bisschen anders machen.
Und das hängt schon damit zusammen, dass der ostdeutsche Weg insgesamt ja kein
strategisch gegangener Weg ist, sondern der ist pragmatisch und der besteht
darin aus weniger mehr zu machen und zu gucken, wie man einfach auch klarkommt.
Und das entspricht jetzt nicht unbedingt, jetzt spreche ich stark für die evangelische
Kirche, diesem doch sehr planerischen.
Strategischen, prozessorientierten evangelischen Denken, der da in den Kirchenleitungen
vorherrscht, wo man sagt, wir machen da einen hübschen Prozess mit dem tollen Titel und,
jahrelangen Konsultationen draus, sondern sich etwas zurückzunehmen und aus
weniger mehr zu machen, das liegt nicht unbedingt in der bundesrepublikanischen DNA.
Jan Wetzel
Dann kommen wir auf die politische Ebene nochmal zu sprechen.
Du hast schon jetzt die Fälle erwähnt, dass die Kirchen sich zu Wort gemeldet
haben, als die Unionsfraktion damit der AfD abgestimmt hat.
Das war glaube ich jetzt kürzlich so ein Moment, wo man doch gemerkt hat,
okay die Kirche hat wieder so eine Stimme, das ist auch rauf und runter durch die Medien gegangen.
Kannst du dazu was sagen?
Also wie empfindet sich auch die Kirche, jetzt sage ich es mal eben so im Singular,
auch als eine politische Stimme, die eigenständig ist und die auch Einfluss
nimmt auf zum Beispiel solche Gesellschaften?
Philipp Greifenstein
Also die Kirchen nehmen schon stark politischen Einfluss und zwar nicht bloß
in Berlin, im neuen Berlin, sondern zum Beispiel auch auf Landesebene und in den Kommunen etc.
Ja, also da findet ganz viel Zusammenwirken mit anderen zivilgesellschaftlichen
Akteuren und auch mit dem Staat in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen statt.
Man sieht es dann auch bei so großen Katastrophen immer mal wieder.
Nach Magdeburg zum Beispiel findet dann doch ein Gedenkgottesdienst statt und
in diesem Gedenkgottesdienst sind selbstverständlich auch die Ministerpräsidenten
und Ministerpräsidentinnen.
Genauso wie eben so eine trauernde Stadtgemeinschaft.
Und diese Wirkung zur sozialen Kohäsion in Deutschland, die wird auch allgemein
geschätzt über alle Parteigrenzen hinweg mit einer Ausnahme.
Und daraus begründet sich auch immer wieder so dieses Zusammenwirken in einem
ideellen Sinne, jetzt nicht bloß in einem pragmatisch praktischen Sinne,
sondern in einem ideellen Sinne.
Dann vertreten die Kirchen natürlich Eigeninteressen, wie zum Beispiel bei der Gebäudefrage,
beim Klimaschutz, beim Arbeitsrecht für die Kirchen selbst und für die kirchlichen
Wohlfahrtsverbände bei der Kirchensteuer, bei der Gestaltung des Religionsverfassungsrechts.
Und diese Eigeninteressen werden auch vorgetragen und stoßen gelegentlich auf
offenere Ohren und zunehmend auf unverständigere Ohren.
Das geht gar nicht so sehr darum, dass man in Kirchen das abschlägt,
sondern man versteht es einfach nicht so viel, weil die jüngeren Generationen
zum Beispiel von Abgeordneten,
sind auch nicht mehr so kirchengebunden und wissen halt zum Beispiel auch manchmal
eben nicht, wie die Sachen bisher,
organisiert wurden. Und.
Ja, und dazu kommen die inhaltlichen Überzeugungen, die die Kirchen auch nach vorne treten.
Also das ist dann so die praktische oder die politische Form des praktischen
Handelns, die aus den eigenen Werten und eigenen theologischen Überzeugungen kommt.
Also zum Beispiel der ganz starke Einsatz für geflüchtete Menschen,
wo sich die Kirchen in Deutschland einig sind.
Und das tragen die auch vor, auch dann, wenn es unbequem wird,
wenn es gerade niemand anders macht.
Und da gibt es noch eine Reihe weiterer solcher emphatischen Dinge.
Und die Frage ist, wie man dann mit sowas durchdringt.
Und da ist die Erkenntnis schon die, dass die Kirchen dafür immer auch andere
Partnerinnen und Partner in der Zivilgesellschaft brauchen, also Bündnisse bilden.
Deshalb ist in den ganzen Demokratiebündnissen, überall in den Bundesländern
sind die Kirchen immer mit dabei, aber eben auch andere zivilgesellschaftliche Akteure.
Und gerade eben die Kritik an CDU und CSU, die ist ja deshalb auch in der Presse
hochgegangen, weil einzelne Abgeordnete diesen Brief, den sie da erhalten haben,
von den Prelatinnen veröffentlicht haben.
Normalerweise passiert das nicht. Also die bekommen die Briefe von den kirchlichen
Büros und damit hat sie es, nehmen es wahr oder nicht.
Aber das wird jedenfalls nicht unbedingt dann gestreut.
Und der Bundeskanzler hat es zum Beispiel in seiner Regierungserklärung dann
als Brandbrief bezeichnet und aufgenommen.
Also man merkt, das ist eigentlich ein schönes Beispiel dafür.
So richtig flächendeckende Wirkungen erhalten die öffentlichen Stellungnahmen
der Kirchen dadurch, dass andere die groß machen.
Von sich heraus, aus sich heraus selbst können die Kirchen kaum noch so kampagnenfähig
werden, obwohl sie so groß sind. Also manchmal liegt es auch an der eigenen Unfähigkeit.
Leo Schwarz
Bisher hatten wir ja jetzt doch die Kirche gerne mal irgendwie zusammengenommen,
aber es scheint ja auch ganz dringliche politische Widersprüche zwischen katholischer
und evangelischer Kirche zu geben,
unter anderem bei so brisanten Themen wie dem Schwangerschaftsabbruch,
auch bei natürlich der Gleichstellung der Geschlechter innerhalb der Institution
und wahrscheinlich auch der Familienbilder, die da langsam auseinander gehen, nehme ich an.
Vielleicht kannst du das nochmal genau beschreiben. Also wo sind die Kirchen
da auseinander und wie ist da eigentlich der Stand? Gut, das sind jetzt wieder viele Themen.
Philipp Greifenstein
Ja, nee, aber das lässt sich, also bei Familie und Lebensentwürfen ist es so,
dass das die Katholikinnen und Katholiken in Deutschland gerade so leben wie
die evangelischen Christen.
Und da ist die offizielle katholische Lehre einfach noch nicht so weit oder wird auch nicht so weit.
Keine Ahnung, jedenfalls liegt sie damit im Widerspruch.
Aber das muss man dann voneinander trennen.
Da sind die Katholiken und die evangelischen Christen sich ziemlich ein,
aber die katholische Lehre und damit die katholische Amtskirche nicht.
Und das ist ein innerer Widerspruch.
Aber die Kirche sind halt insofern dann auch, also die Demokratie in der Kirche
hat enge Grenzen, in der katholischen Kirche allzumal.
Da kann eben keine Abstimmung darüber stattfinden, was Lehre der Kirche ist.
Und insofern fällt da was auseinander, was ja unter anderem eben auch zum Relevanzverlust,
zum Glaubwürdigkeitsverlust und Mitgliederverlust der katholischen Kirche beiträgt.
Das einzige Thema, wo jetzt die Organisationen tatsächlich...
Auch in ihrer politischen Botschaft so wirklich ganz doll auseinanderfallen
ist tatsächlich das, was im katholischen Spektrum oder im christlichen Spektrum
Lebensschutz genannt wird,
also die Frage des Schwangerschaftsabbruchs oder der vorgeburtlichen medizinischen Fragen im Allgemeinen.
Und da ist das schon ganz deutlich spürbar.
Es gibt auch anderswo Dissens, also bei Staatsleistungen ist man sich auch nicht
hundertprozentig einig, aber wo es jetzt wirklich inhaltlich auseinander geht,
das ist tatsächlich der Lebensschutz.
Und da ist es so, dass die katholische Kirche und auch die katholischen Laienverbände,
also dort, wo sich die Katholikinnen und Katholiken organisationell zusammengetan haben,
dass die doch sehr stark dabei sind zu sagen, das soll bitte bei dem Status
Quo bleiben, wie der jetzt ist in Deutschland, mindestens gesetzlich und eigentlich
dann ganz deutlich auch nochmal auf den Schutz des ungeborenen Lebens abzustellen ist.
Während es in der evangelischen Kirche so ist, dass ohnehin ein Großteil der
Kirchenmitgliedschaft für eine,
ja nicht Liberalisierung, aber für eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs
ist, also das aus einem Strafgesetzbuch rauszulösen und sich in den innerevangelischen
Diskussionsprozessen der letzten zwei Jahre das auch so entwickelt hat,
dass man dafür so Sprachformeln gefunden hat, dass man das gut machen kann.
Und die Evangelische Kirche in Deutschland, also vertreten durch den Rat der
Evangelischen Kirche in Deutschland,
hat sich zuletzt auch dafür ausgesprochen, dass man das bis zur 12.
Schwangerschaftswoche aus dem Strafgesetzbuch rausnimmt. Und generell eigentlich
steht man der Idee, dass man das gesetzlich so gestaltet, dass Schwangere nicht
stark unter Druck kommen,
sehr offen gegenüber, kann dem viel abgewinnen, versucht aber das Thema nicht
bloß auf die Schwangerschaft zu ziehen, sondern auf die Bedeutung von Familie und auch auf die Rolle,
die Familien und Gesellschaft generell zur Unterstützung von schwangeren Personen betrifft.
Spielen können. Und da sieht man große Defizite. Also man versucht auch immer
so ein bisschen das eigene noch zur Sprache zu bringen.
Jan Wetzel
Ein Thema hast du eben selbst schon angesprochen, wo sich die Kirchen einig
sind, nämlich bei der Frage von Flüchtlingen.
Da ist ja die besondere Situation, dass es das Kirchenasyl gibt.
Wie ich das immer mal gelesen habe, ist das auch so ein Streitpunkt,
an dem so inzwischen auch die Kirchen ja dann doch auch sozusagen in Konflikt
mit den Behörden geraten?
Kannst du das so ein bisschen nachvollziehen und ist dieses Kirchenasyl vielleicht
auch nochmal so ein Punkt, wo wirklich eben das Grundverständnis auch der Kirche
und das auch sozusagen verfasst und eine lange auch historische Tradition jetzt
wirklich ins Kreuzfeuer sozusagen in politischer Debatten gerät?
Philipp Greifenstein
Ja und nein. Also als Vorbemerkung muss man immer dazu sagen,
dass die Kirchenasyle relativ gering sind im Vergleich zur Gesamtzahl von geflüchteten
Menschen und MigrantInnen in Deutschland. Ja,
insofern sind Kirchenasyldebatten immer auch bei all dem berechtigten Blick
auf die Einzelschicksale der Menschen, die im Kirchenasyl sind und ja noch viel
mehr Menschen, die das auch gerne wehren und dann keinen Platz finden,
sind das immer auch Symboldebatten.
Und das haben wir in den letzten anderthalb Jahren verstärkt gesehen,
dass also Landespolitiker und Kommunalpolitiker, Landräte...
Konkrete Kirchenasüle zum Anlass nehmen, quasi einen weiteren politischen Punkt zu markieren,
indem sie in diese Kirchenasüle eindringen und sie versuchen aufzulösen oder
tatsächlich erfolgreich auflösen, um damit deutlich zu machen,
ja so eine Law and Order Haltung, so eine ganz strenge migrationspolitische Linie.
Das ist aber der weitere politische Kontext und das haben wir gesehen,
das sind ganz häufig schon Lokalpolitiker der CDU und der CSU eben nicht,
in Bayern haben wir das jetzt noch nicht erlebt, aber der CDU.
Wir haben das aber auch vom SPD-Innensenator in Bremen gesehen und so eine ganz
starke gewaltsame Räumung gab es zum Beispiel auch in Schwerin,
in Mecklenburg-Vorpommern, aber auf Geheiß des Innenministeriums von Schleswig-Holstein.
Und da ist eine grüne Migrationsministerin. Also das zieht sich so ein bisschen
durch und hängt natürlich damit zusammen, dass das Kirchenasyl in Deutschland nicht Gesetz ist.
Also es gibt kein gesetzliches Recht der Kirchen, einfach zu sagen,
wir nehmen Migrantinnen oder geflüchtete Menschen bei uns auf und dann hat der
Staat ja kein Zugriffsrecht mehr, sondern es gibt eine Absprache zwischen den
Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dem BAMF, darüber,
wie mit solchen Fällen zu verfahren ist.
Da steht ziemlich deutlich drin, dass das Kirchenasyl respektiert wird unter Bedingungen.
Und zu diesen Bedingungen gehört, dass die Kirchengemeinden den Aufenthaltsort
der Person immer zu bekannt geben und dann ein Dossier einreichen,
warum es sich bei diesem Fall um einen Härtefall handelt.
In dem das Kirchenasyl gerechtfertigt erscheint, um eine Ausweisung aus Deutschland zu verhindern.
Und da kommt jetzt der eigentliche Knackpunkt für diejenigen,
die sich noch nicht weiter mit dem Kirchenasyl befasst haben.
Bis auf wenige Ausnahmen sind inzwischen fast alle Kirchenasüle sogenannte Dublin-Fälle.
Das heißt, es geht darum, eine Ausweisung in ein anderes Mitgliedsland der Europäischen
Union oder des Dublin-Systems, da gibt es ja auch noch ein paar Länder,
die nicht EU-Mitglieder sind, zu verhindern.
Und nicht unbedingt eine Ausweisung oder eine Abschiebung in das Herkunftsland.
Und darüber gibt es halt, wie wir ja auch im Bundestagswahlkampf gesehen haben,
ganz großen Streit, Weil es schon klar ist, dass dieses Dublin-System,
also diese europäische Verteilung von geflüchteten Menschen einfach nicht funktioniert.
Und das Kirchenasyl in Deutschland ist, sagen wir mal, das Wundpflaster für
absolute Härtefälle, wenn es zum Beispiel um schwer erkrankte Menschen geht,
um psychisch erkrankte Menschen, sie vor einer Zurückweisung in Länder zu bewahren.
Anderen Länder Europas zu bewahren, wo die Bedingungen für geflüchtete Menschen
so schlecht sind, dass also ihnen großes Leid droht.
Und darüber gibt es einen Dissens, ob das sein soll oder nicht.
Jan Wetzel
Was die politische Entwicklung angeht, das haben wir jetzt auch,
du hast schon gesagt, der Kanzler hat das Brandbrief genannt,
gibt es aber doch eine große Einigkeit.
Das ist natürlich insofern bemerkenswert, also wenn wir jetzt auf die USA blicken,
wo natürlich die Blicke auch etwas gebannt sind, dort ja eigentlich ist eine
ganz starke christliche Rechte gibt, die da natürlich auch Donald Trump ganz
wesentlich mit an die Macht gebracht hat.
Das gibt es in Deutschland nicht und die Kirchen sind eigentlich doch jetzt, könnte man sagen,
gesellschaftliche Player, die sogar eben auch gegen jetzt sogar,
also es ist noch so eine Randnotiz gegen die Union natürlich,
also eigentlich sozusagen eine christliche Partei jetzt auch aktiv werden oder da klar stehen.
Also kannst du vielleicht die
Rolle sozusagen in diesem Rechtsruck der Kirchen ein bisschen umreißen?
Philipp Greifenstein
Ja, ich denke, das führt viele von den Fragen, die wir jetzt hier in den letzten
anderthalb Stunden besprochen haben, eigentlich fast schon wieder zusammen.
Denn die Frage ist schon, oder es ist schon eine spannende Frage,
mal danach zu schauen, warum so eine Form von christlichem Nationalismus in
den deutschen Kirchen eigentlich nicht stattfindet,
wie wir das jetzt in den USA sehen.
Und dann fängt man natürlich mal an zu schauen, wie hat sich der christliche
Nationalismus in den USA entwickelt.
Und da gibt es da Spezifika, Thema für einen anderen Podcast und viele andere Texte.
Und dann kommt man natürlich dazu hin, warum es das in Deutschland nicht gibt
und dann ist zum Beispiel klar, dass die deutsche Geschichte auch mit dem Nationalsozialismus,
mit dem Holocaust eine große Rolle spielt.
Denn die Kirchen in Deutschland, evangelisch noch ein bisschen mehr als die
katholische, aber die Kirchen in Deutschland sind natürlich,
was den Nationalismus angeht, was den Antisemitismus angeht,
was den Rassismus angeht, was die Beteiligung am Kolonialismus angeht und auch
die Komplizenschaft während des Nationalsozialismus, gebrannte Kinder.
Und das ist eine historische Erfahrung, aus der heraus Besserung,
Läuterung erwachsen ist.
Und aus diesem Erbe heraus stehen die beiden großen Kirchen und alle christlichen
Kirchen in Deutschland, insofern sie sich im sozialen Miteinander,
gesellschaftlichen Miteinander beteiligen, ganz eindeutig für die Demokratie
ein. Mit allen Widersprüchen.
Also die Evangelische Kirche hat das Mitte der 80er Jahre mit der bekannten
Demokratiedenkschrift mal geleistet, zu sagen, dass eine Staatsform,
die heute dem Evangelium angemessen ist, eigentlich nur eine demokratische Staatsform sein kann.
So weit würden, glaube ich, katholische Christen selbstverständlicherweise gehen in Deutschland.
Die katholische Kirche ist aber in vielen Ländern der Welt unterwegs,
wo diktatorische Zustände herrschen und will dort auch Kirche sein und für die
Menschen da sein mit all den Widersprüchen.
Und ist natürlich an sich, die katholische Kirche ist keine Demokratie.
Ist auch so ein bisschen ein Widerspruch zwischen außen und innen.
Aber die Christinnen und Christen in Deutschland und die Kirchen in Deutschland,
die offiziellen Kirchen in Deutschland, die stehen ganz häufig ja mit dabei.
Das hat man ja auch bei den Demos 2024 und sieht es auch jetzt 2025 wieder,
sieht man beim alltäglichen Einsatz für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
an jeder Ecke und an jedem Ende.
Wenn man denn genau hinschaut, sieht man überall auch Kirchenleute.
Ich finde es immer ganz interessant, wer auf solchen Demos dann spricht.
Und das ist ganz häufig eben mal eine Superintendentin oder ein Probst oder
eine Pfarrerin oder Pfarrer.
Jemand, der sich im Kirchenvorstand engagiert, etc.
Und diese Verwurzelung, ja genau, also das ist so das Historische und das andere,
würde ich sagen, ist schon eine Verwurzelung und eine Einschmelzung in die Gesamtgesellschaft.
Also jeder christliche Kindergarten, der aber nach den Regeln funktionieren
muss, wie jeder andere Kindergarten auch, jede christliche Schule,
die aber unter staatlicher Aufsicht, Mitwirkung steht, wo das Kultusministerium mit hinschaut.
Jede Kirchgemeinde, die in ihrer Stadt verwurzelt ist, das sind alles Anker
gegen eine Radikalisierung.
Und natürlich gibt es auch radikale Christen in Deutschland,
rechtsradikale Christen, zunehmend auch öffentlich sichtbar mehr. Es gibt auch...
Eine Geistesbewegung in beiden großen Kirchen, die sagt, wir wollen eher uns
vom Zeitgeist und vom von ihnen selbst empfundenen Mainstream abwenden,
wo es dann schon um Genderfragen ganz häufig geht.
Das ist so eine Schlüsselfrage, die auch öffnet für rechtsradikale Geisteswelten,
also Umgang mit Geschlechtlichkeit und Partnerschaftsfragen und Genderfragen. Aber das gibt es alles.
Das ist auch eine Frage für fromme Christen ganz häufig.
Also in allen Konfessionen, die Christinnen und Christen, die ihren Glauben
ganz besonders ernst nehmen, diskutieren sehr intensiv über diese Fragen.
Aber die Linien sind eben nicht so eindeutig gezogen, wie wir das jetzt in den USA bisher sehen.
Und ich denke, so für die Gesamtgesellschaft ist ganz wichtig,
die Kräfte in den Kirchen zu stützen und zu stärken, die einer inneren Radikalisierung
entgegenstehen, weil ich denke, dass unsere Gesellschaft einen großen Nutzen
davon hat, dass wir keine radikalisierten Religionen haben.
Das gilt für die muslimischen Gemeinden genauso wie für die christlichen.
Leo Schwarz
Kannst du vielleicht noch was kurz sagen zu parteipolitischen Präferenzen in den Kirchen?
Also kann man, ich weiß, es gibt ja jetzt so Klischees so und dass man jetzt
irgendwie vermutet, dass irgendwie Katholiken auch den Parteien mit C im Namen
irgendwie näher stehen und dass die bei den Protestanten irgendwie auch viele Grüne gibt,
das weiß man irgendwie alles, aber kann man da irgendwie was verallgemeinern
oder ist das eigentlich eher so, sind das eher so Klischees inzwischen, welche Parteien?
Philipp Greifenstein
Also ich glaube, das kommt immer stark darauf an, wer das sagt.
Also diesen Vorwurf der links-grün-versifften Kirche,
in Anführungszeichen, der kommt natürlich von der politischen Rechten und in
erschreckendem Maße und eben
auch mit der Absicht zu verletzen oder zu beleidigen aus der Union selbst.
Und da muss man dann schon hellhörig werden, weil das sind rechtspopulistische Narrative.
Und wir müssen uns, denke ich, in unserer deutschen Debatte mal dran gewöhnen,
dass Rechtspopulismus eben nicht nur bei rechtsradikalen Parteien wie der AfD
zu finden ist, sondern eben auch in der Union.
Weil Rechtspopulismus nie ein Parteischild hat, sondern eine Form und Art und
Weise der Rede ist, die dann auf politisches Handeln durchschlägt.
Ja, früher, früher, früher, früher. Also die Union ist bis heute nicht christlich, trägt sie im Namen.
Die sagen ja, wir tragen das C im Namen, aber eigentlich steht da natürlich
christliche soziale Union oder christlich-demokratische Union Deutschlands.
Und das ist schon so. Also wenn man mehr kirchengebundene Menschen in der Wählerinnenschaft
haben will oder auch der politischen Akteure auf Landesebene,
Kommunalebene, das sind ganz häufig eben dann doch bei der Union.
Und da gibt es auch gemeinsame Interessen und das ist auch völlig okay so.
Und ich glaube, das ist auch ein Stabilitätsanker für die Bundesrepublik und
für die Kirchen in den letzten 80 Jahren gewesen.
Und das hat sich dann vor vielen Jahrzehnten auch schon geweitet mit der SPD
in den 60er und 70er Jahren,
dass der eigentliche Systemwiderspruch zwischen Sozialdemokratie und Kirchen,
der noch in der Weimarer Republik ganz stark war.
Vielleicht auch aus einer Erkenntnis dessen, dass man eben nicht bündnisfähig war,
dann in den 50er, 60er Jahren dann nivelliert wurde, weil die Kirchen sich liberalisiert
haben und weil die Sozialdemokratie sich gegenüber den Kirchen geöffnet hat.
Sodass man eigentlich so das Klischeebild des evangelischen Religionslehrers
war in den 70er Jahren schon, dass der SPD wählt und SPD-Mitglied ist.
Und dazu sind dann die Grünen gekommen mit dem ganz starken Thema der Schöpfungsbewahrung.
Das ist die evangelische oder christliche Formulierung für Ökologie.
Und es gibt auch ganz starke Verbindungen zu aktuellen Klimabewegungen,
was ja nicht unbedingt mit der Grünen Partei mehr zu tun hat.
Fridays for Future, letzte Generation. Nicht, weil man sich da mit allem einig wäre,
sondern weil man einfach das Engagement der jungen Menschen unterstützen will
und sie auch ein bisschen in Schutz nehmen will gegenüber staatlichen Repressionen
und Gesprächskanäle mit staatlichen Akteuren herstellt,
ohne dass man jetzt hundertprozentig den Forderungen immer selbst beipflichtet.
Und wenn man sich die Wahlprogramme zur Bundestagswahl, die ja gerade eben erst war.
Anschaut, dann sieht man, dass es ganz große Übereinstimmung mit den Parteien
des politischen linken Spektrums geht, wenn es um Menschenrechte,
Flüchtlinge, Gestaltung der Wirtschaft angeht.
Papst Franziskus klingt wie der Vorsitzende der Partei Die Linke, Jan van Aken.
Also muss man sich mal hinschauen, kann man mal eine schöne Synopse machen,
das nebeneinander zu legen.
Und gleichwohl, die Milieus gehen über alle Parteien hinweg.
Und es gibt auch konservative Strömungen, die haben ihre bisherige Heimat eben
bei der CDU gehabt und haben sie auch nach wie vor.
Und jetzt kommen wir mal zu dem, was wir die ganze Zeit hier so immer mitsprechen.
Es gibt eine ganz klare kirchenfeindliche Partei in deutschen Parlamenten, das ist die AfD,
die also von vorne bis hinten sowohl bei den politischen Eigeninteressen als
auch bei den inhaltlichen Interessen gegenüber den Kirchen mehr als eine kalte Schulter hat.
Und diese kalte Schulter ist inzwischen auch gegenseitig.
Also es gibt kaum oder keine Gespräche mehr zwischen Kirchen und AfD auf allen Ebenen.
Und die katholische Kirche und die evangelische Kirche warnen explizit und raten
explizit von der Wahl einer Partei ab, nämlich der AfD.
Und das ist schon ein Novum, denn eigentlich hat in der Bundesrepublik sich
das so eingebürgert, dass die Kirchen keine Wahlempfehlungen mehr aussprechen.
Da ist das höchstens noch implizit gewesen, dass man hier immer CSU wählt oder dass, sie wissen ja,
dass der Fahrer auch bei der SPD ist, okay, aber dass explizit ab- oder zugeraten
wird, das ist ein Novum eigentlich gewesen in den letzten zwei,
drei Jahren und hat was mit der Radikalisierung der AfD zu tun,
wo die Kirchen ganz deutlich gesagt haben, also hier ist jetzt wirklich Schluss.
Jan Wetzel
Dann kommen wir noch zu deiner Arbeit.
Du bist sehr viel, natürlich du hast auch gesagt, die Eule ist das einzige Online-Magazin in dem Feld.
Überhaupt bist du sozusagen das, was man sehr unkonkrete Digitalisierung nennt,
in der Kirche unterwegs.
Du versuchst auch sozusagen digitale Kirche mit aufzubauen, vielleicht mit Leitung zu geben.
Kannst du was dazu sagen? Ist das noch Neuland, wie das damals die Kanzlerin
so schön gesagt hat, für die Kirche oder entsteht da auch wirklich nochmal was
Neues und eine neue Energie vielleicht auch, eine neue Verbindung?
Ja, ist jetzt sehr unkonkret gefragt, aber du wirst damit das anfangen.
Philipp Greifenstein
Ja, also nee, also nichts gegen die Frage. Ja, also ich glaube,
es ist ein bisschen zunehmend so, wie wir das jetzt anderthalb Stunden gemacht
haben. Also so ein bisschen, man hat,
Ohne, dass ich jetzt noch alles weiß, was wir besprochen haben,
oder was auch in dem Sinne ich viel erzählt habe.
Aber wenn man über Kirche in unserer Gesellschaft redet, muss man halt inzwischen
echt viel und lang und breit erklären. Darüber ist nie immer der Platz da.
Und ich glaube, dass, das ist übrigens für die Leute, die über Kirche berichten,
in den Medien als Journalistinnen und Journalisten,
auch kirchenunabhängig, auch ein schwieriges Ding, denn man kommt über das Erklären
nicht selten in die Gefahr der Rechtfertigung.
Also ich habe heute auch Sachen erklärt, zu denen ich auch selber als Privatmensch
und auch als Journalist auch eine starke Meinung habe.
Aber manchmal ist es halt ganz wichtig, erst mal zu sagen, okay, ich erkläre es erst mal.
Und das braucht Raum, den es in den Medien oder in unserer medialisierten Gesellschaft weniger gibt.
Und deshalb müssen sie sich den Kirchen die selber nehmen.
Gerade auch, um in Kontakt mit den eigenen Mitgliedern zu bleiben.
Das ist zum Beispiel eine Aufgabe von digitaler Kirche.
Und das sieht man auch auf den Kirchenkanälen, dass das passiert.
Also das ist so eine Mischung aus Mitgliederkommunikation und Aufklärung darüber,
was die Kirchen in der Gesellschaft machen.
Und es gibt unterschiedliche Wege, wie man das anstellen kann,
über Sinfluencing, über gut gestaltete Social-Media-Accounts,
über barrierefreie Websites, über Podcast-Videos, Medienbeteiligung,
das Wort zum Sonntag ist die älteste, zweitälteste deutsche Fernsehsendung,
ganz unterschiedliche Medienprodukte, die alle in unserer digitalisierten und
meditatisierten Gesellschaft eine Rolle spielen, mal mehr, mal weniger.
Und insofern gibt es da immer gut Anlass für mich, um auch hinzuschauen,
was funktioniert davon und was funktioniert davon nicht.
Und daraus ist dann so eine Form teilnehmender Beobachtung geworden,
klar, denn als Magazin über Kirche, was nur im Netz ist, als Online-Magazin,
nehmen wir ja an diesen Dynamiken schon auch ein bisschen teil.
Aber ich würde schon meinen, dass wir auf die.
Kirchliche Medienproduktion nach wie vor noch einen Außenblick haben und dann
eben auch mal sagen können, also das gelingt gut und das ist weniger gelungen
und hier könnte man in der Richtung weitergehen und wo nicht.
Für mich persönlich sind Digitalisierungsfragen in der Kirche immer eigentlich
eine super Abwechslung zu den anderen Schwerpunkten, die ich habe in meiner
Arbeit, weil die doch sehr viel ernsthafter sind, als wenn man darüber redet,
wie zum Beispiel ein Kanal ganz gut gestaltet werden kann oder eine Website.
Das sind auch alles total wichtige Fragen. will ich auch nie behaupten,
dass das unwichtig wäre, aber es ist für unsere Demokratie,
nicht so spielentscheidend, ob evangelische Influencerinnen jetzt nice sind
oder weniger nice und es ist für die
Frage der Entschädigung von Missbrauchsbetroffenen nicht so entscheidend,
jetzt der eine Podcast klappt oder nicht. Aber es ist ganz nett,
sich mal trotzdem mit sowas zu beschäftigen.
Jan Wetzel
Und da entwickelt sich aber viel. Also ich habe da dann auch immer den Eindruck,
ich meine, das ist für alle Großorganisationen und staatliche Stellen und so
weiter schwierig in sozialen Medien, weil es, glaube ich, einfach diese Nivellierung gibt.
Und da müssen wir jetzt nicht mehr ausführlich drüber sprechen,
aber es ja auch einen großen Markt sozusagen von so Glaubensangeboten gibt.
Und sich dann sozusagen als Institution in dieses Feld rein zu begeben und dann
irgendwie natürlich auch zu konkurrieren plötzlich mit allen anderen,
ist natürlich irgendwie auch was jetzt vielleicht gar nicht schlimm ist,
aber natürlich erstmal Unsicherheit und vollkommen tatsächlich dann Neuland ist.
Aber da siehst du eigentlich, also wie würdest du das einschätzen?
Philipp Greifenstein
Ja, schwierig, auf so eine schwierige Frage, die viele Sachen hat,
einfach und kurz zu antworten.
Also ich würde sagen, das Erste ist, dass die Kirche sich manchmal kein Gefallen
tut mit dem zum Markt ertragen.
Denn wenn ich ein ernstzunehmendes spirituelles Angebot eben zum Beispiel auf
Instagram neben den Slop an Verschwörungstheorien und Esoteriken und was es
da alles so gibt, stelle,
dann nivelliere ich ja und werte das Ende damit auf und sage zugleich,
bei mir ist es so ähnlich.
Also das ist ganz schwierig, so deutlich zu machen, was auch eine seriöse Arbeit
von spirituellen und Gemeinschaftsangeboten in der Kirche von davon unterscheidet.
Da muss man, denke ich, auch mal gucken, wo vielleicht Grenzen der guten Form
gewahrt werden sollten und wo man deutlich macht, wir machen eben nicht alles mit.
Und dieses, wir machen nicht alles mit, das ist in einem weiteren Sinne auch
entscheidend für zum Beispiel das Leben auf den Social Media Plattformen,
wo man einfach sieht, das entspricht eigentlich nicht den Werten der Kirche.
Es entspricht auch nicht das, was die Kirchen mit ihren Lobbyisten in Berlin
oder in Brüssel vortragen.
Da stehen die Kirchen eigentlich inhaltlich auf der Seite der europäischen digitalen Zivilgesellschaft.
Also mehr Netzpolitik.org als Silicon Valley.
Und da würde ich mir als Teilnehmender Beobachter auch noch mehr Engagement
wirklich wünschen, wenn es zum Beispiel an den Aufbau in der europäischen Infrastruktur geht.
Da wären die Kirchen in Deutschland, da wären auch die Kirchen in Europa,
die gibt es ja überall in europäischen Ländern, schon starke Partner dafür.
Und da gibt es auch bisher ja Mitwirkungen über die Medienstaatsverträge,
wo den Kirchen Sonderrechte eingereumt sind, was so die Sendegestaltung angeht.
Gibt ja fernsehgrotesdienste zum beispiel da wäre also viel möglich ich habe
den eindruck da beschäftigen sich die kirchen im moment.
Sehr mit ihren eigenen Problemen und wenig damit, was sie da auch vielleicht
dafür einen Beitrag leisten könnten.
Und das Dritte ist, wo ich sagen würde,
ist im Moment ein total aktuelles Thema, ist die Frage, inwieweit ist es wichtig,
dass die Kirchen selbst oder AkteurInnen im kirchlichen Auftrag im Netz gegenhalten,
gegen Verschwörungstheorien, gegen politische Radikalisierung oder muss man
in eine andere Form finden.
Denn in dem Moment, wo ich die ganze Zeit darauf Bezug nehme,
mache ich natürlich diese Ränder auch total stark.
Und ich bin, weil es ja auch mein Job ist, schon sehr dafür,
auf die Ränder zu gucken, auf die radikalisierten Ränder der christlichen Kirchen
und natürlich auch auf die politischen Radikalisierungsbewegungen,
vor allen Dingen natürlich des Rechtsradikalismus.
Aber wir neigen medial echt sowieso dazu, immer auf diese Extreme zu gucken,
weil die natürlich auch total aufregend sind.
Das ist so diese ganze Dynamik der sozialen Medien, die hat sich in unser ganzes
Leben reingefressen und dafür geht so ein bisschen der Blick verloren auf das,
was so eigentlich zum Beispiel christliche Frömmigkeit in Deutschland ist,
weil das sind nie Leute, die total durchsplini-fundimäßig drauf sind,
sondern die Christinnen und Christen in Deutschland, das sind deine Nachbarn und Nachbarinnen.
Die Frage ist, wir haben in den Kirchen Sekten und Weltanschauungsbeauftragte,
so heißt das, in den Bistümern und Landeskirchen, die sind eigentlich dafür
zuständig, genau auf solche Ränder zu gucken.
Und medial ist es inzwischen so, dass diese Ränder halt total viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Und das hat Wechselwirkungen für unsere Gesellschaft und auch für das kirchliche
Binnenleben, die, glaube ich, noch nicht ausreichend betrachtet wurden.
Und ich würde mich manchmal echt freuen, wenn wir mal so ein bisschen mehr auf
die Normalos gucken, auf die vielfältige Kirchenlandschaft, die es gibt jenseits
radikalisierter Frömmigkeit und jenseits radikalisierter politischer Einstellung.
radikalisierter Frömmigkeit und jenseits radikalisierter politischer Einstellung.
Jan Wetzel
Ja, Philipp, vielen Dank, dass du da warst.
Ja, Philipp, vielen Dank, dass du da warst.
Wir haben, glaube ich, heute mal wieder eine Folge, wo bei jeder Frage man noch
Wir haben, glaube ich, heute mal wieder eine Folge, wo bei jeder Frage man noch
sehr lange hätte drüber sprechen können, aber das war ja erstmal der Versuch,
sehr lange hätte drüber sprechen können, aber das war ja erstmal der Versuch,
das Thema hier überhaupt mal in der Sendung zu haben.
das Thema hier überhaupt mal in der Sendung zu haben.
Das war die 99. Folge von Das Neue Berlin.
Das war die 99. Folge von Das Neue Berlin.
Empfehlt uns wie immer gern weiter. guckt natürlich auch auf die Website der
Empfehlt uns wie immer gern weiter. guckt natürlich auch auf die Website der
Eule und den Podcast verlinkt bei euch natürlich alles.
Eule und den Podcast verlinkt bei euch natürlich alles.
Ansonsten dann bis zur nächsten Folge von Das Neue Berlin. Macht's gut. Tschüss.
Ansonsten dann bis zur nächsten Folge von Das Neue Berlin. Macht's gut. Tschüss.
Leo Schwarz
Tschüss.
Tschüss.
Philipp Greifenstein
Tschüss. Vielen Dank.
Tschüss. Vielen Dank.