Ach, du hast dir eine ganz, ganz geladene Frage gestellt, weil da ganz,
ganz unterschiedliche Sachen auch dabei sind.
Also ich glaube, es ist ein wunderbares Privileg in unserer Gesellschaft und
den Ausweis unserer Religionsfreiheit, dass man das alles schön diskutieren
kann und auch die unterschiedlichen Vor- und Nachteile organisierter Religionen gut bewerten kann.
Und ich glaube, es ist völlig klar, dass in einer pluralen Gesellschaft,
in der die Kirchenmitgliedschaft oder Religionszugehörigkeit insgesamt rückläufig ist,
dass all das diskutiert wird und dass es dann in Zukunft sicherlich auch andere
Lösungen wird geben müssen.
Ich glaube nur, dass es auf dem Weg dahin zu guten Lösungen ganz wichtig ist
zu verstehen, a, warum sind die Sachen so geregelt, wie sie bisher geregelt sind und b,
was ist vielleicht auch der Vorteil dessen und zwar für den Staat,
für die Religionsgemeinschaften und für die Gesamtgesellschaft,
dass Dinge so sind, wie sie sind.
Wie kann man also die Vorteile erhalten und eventuelle Ungerechtigkeiten und
Nachteile abbauen? Das ist so die Frage.
Wir haben in Deutschland ein Religionsverfassungsrecht, was bisher eigentlich
besser als Staatskirchenrecht beschrieben werden muss, denn so ist es historisch entstanden.
Also als Zusammenspiel und Zusammenwirken von Staat und Kirchen in der Gesellschaft.
Und das ist sehr alt in Deutschland schon. Das kommt noch aus der Zeit der deutschen
Kleinstaaterei und wurde dann in die Weimarer Verfassung kodifiziert.
Da hat die Kirche auch zum ersten Mal wirklich Privilegien eingebüßt.
Und im Grundgesetz der Bundesrepublik wurden diese Paragrafen,
die dann in der Weimarer Verfassung schon waren, eigentlich so übernommen,
das ist ganz witzig, dass man das im Kirchen...
Also ich finde es, man kann das auch als witzig empfinden, dass man da eben
nicht das nochmal das Staatskirchenrecht neu geschrieben hat,
sondern an den entscheidenden Stellen im Grundgesetz steht dann,
und hier übernehmen wir folgende Artikel aus der Weimarer Reichsverfassung.
Und wir sind auf dem Weg in neues, modernes Religionsverfassungsrecht einzubringen,
Ja, zu entwickeln, aber das wird nicht einfach irgendwann mal geschrieben,
sondern das entwickelt sich halt so im Verlauf und wird unter anderem natürlich
auch andere Religionsgemeinschaften, wie unter anderem eben die muslimischen
Gemeinden stärker mit in den Blick nehmen müssen, was zum Beispiel die Gleichberechtigung
angeht, zum Beispiel beim Kirchensteuereinzug.
Also wie kommt man dazu, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften gut finanziert
ihren Tätigkeiten nachgehen können? Wie kann man das organisieren?
Denn es ist so, dass wenn jetzt die großen Kirchen zum Beispiel von ihren paarundzwanzig
Millionen Mitgliedern diese Beiträge selber einziehen müssten,
dann würde ausgerechnet das passieren, was sich glaube ich niemand wünscht,
nämlich dass die Kirchenverwaltung noch viel, viel größer sein müsste.
Das lässt sich bei den Finanzämtern schön einfach miterledigen und ich glaube
immer noch vielen Leuten nicht bekannt,
der deutsche Staat lässt sich ja diesen Kirchensteuereinzug von den Kirchen
bezahlen mit einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag.
Also es changiert so zwischen 200 und 300 Millionen im Jahr,
die die Kirchen quasi von dem, was sie an Kirchensteuer erhalten,
quasi direkt wieder dort lassen, dafür, dass die Finanzämter das machen.
Also es ist so ein bisschen eine Win-Win-Situation, muss man schon sagen.
Weniger Verwaltung bei der Kirche, es wird ein bisschen was beim Staat bezahlt
und die Kirchen bekommen enorm viel Geld durch den Kirchensteuereinzug,
als wenn man um freiwillige Spenden oder Mitgliedsbeiträge bitten müsste.
Dann würden auch die Kirchen deutlich weniger Geld haben als heute.
So, das ist jetzt die Kirchensteuer, jetzt habe ich schon ganz viel geredet
und die Staatsleistungen sind davon nochmal zu unterscheiden.
Die Staatsleistungen sind Ausgleichszahlungen für historisch gewordene Enteignungen
von Kircheneigentum in der Zeit der Säkularisierung.
Aber damit ist nicht der langfristige Prozess der Abtrennung von der Religion
gemeint, sondern damit ist tatsächlich bei Napoleon und fortfolgende gemeint,
dass Kirchengüter, Kirchenland, Kirchengebäude aus dem Besitz der Kirchen entnommen wurden.
Davon haben aber die Kirchen früher gelebt vom Ertrag des Landes und da wurde
ihnen ersatzweise von den damals noch bestehenden deutschen Landen,
Fürstentümern, dann die Finanzierung gesichert.
Also damals wurden tatsächlich die Pfarrerinnen und Pfarrer,
Pfarrerinnen gab es noch nicht, und Priester direkt aus den Landeshaushalten
der deutschen Staat bezahlt.
Das wurde mit der Weimarer Republik abgeschafft und stattdessen wurde eben dieses
System der Staatsleistung nach großem Streit übrigens eingeführt.
Also da gab es auch natürlich politische Kräfte, die Sozialdemokratie,
die Kommunistische Partei, die waren da dagegen.
Aber man hat gesehen, wenn die Kirchen als Organisation erhalten bleiben sollen
in der Gesellschaft, dann muss man die irgendwie finanzieren.
Und als Ausgleich für die erlittene Enteignung gibt es eben die Staatsleistung.
Und noch ein Schritt weiter, im Grundgesetz steht schon sehr,
sehr, sehr lange, seit 1949, der Auftrag, diese Staatsleistung abzulösen und
zu einem Ende zu führen. Und da stehen wir bis heute, Leiter Gottes.
Dass die Staatsleistungen jedes Jahr weiter bezahlt werden, weil es noch keine
Einigung zwischen den Kirchen und den Bundesländern gibt darüber,
wie man da zu einem guten Ende finden kann.