Transkript von Episode 102: Gute Verwaltung, schlechte Verwaltung – mit Wolfgang Seibel

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Der wichtigste Wettbewerbsvorteil der Demokratie ist, dass einfach die Wahrscheinlichkeit
wesentlich höher ist als in Diktaturen,
dass Verwaltung einer kontinuierlichen Kontrolle und Überwachung ausgesetzt ist. Und das ist gut so.
Ich würde mir eine intelligentere Kontrolle und Aussicht wünschen als die,
die wir derzeit erleben unter der Überschrift Bürokratieabbau.
Hier ist das Neue Berlin.
Hallo und herzlich willkommen zur 102. Folge von Das Neue Berlin.
Mein Name ist Leo Schwarz.
Ich bin Jan Wetzel.
Und gemeinsam mit unseren Gästen versuchen wir hier, Gegenwart und Gesellschaft zu verstehen.
Wenn wir an Verwaltung denken, denken wir an Ämter aller Art,
an unverständliche Formulare, an komplizierte Regeln und an schwierige Gespräche
mit lebensfernen Beamten.
Für viele ist die Verwaltung daher schlicht der Inbegriff Unbegriff.
Unpersönlicher oder anonymer Staatsgewalt.
Zugleich ist die Verwaltung aus modernen Gesellschaften kaum wegzudenken.
Kein parlamentarischer Gestaltungswille kann ohne eine effektive Verwaltung
in die Tat umgesetzt werden.
Eine meist unsichtbar bleibende und reibungslos funktionierende Verwaltung gewährleistet
unser voraussetzungsreiches Alltagsleben.
In der heutigen Sendung wollen wir daher versuchen, uns diesem modernen Ungetüm einmal zu nähern.
Wir sprechen mit Wolfgang Seibel. Er war bis zu seiner Emeritierung 2022 Professor
für Politik- und Verwaltungswissenschaften einer Universität Konstanz und ist
aktuell Senior Fellow der Hertie School in Berlin.
Er hat sich in zahlreichen Arbeiten mit der Funktionsweise von Verwaltungen
beschäftigt, unter anderem mit Formen des Verwaltungsversagens,
der Geschichte der Treuhand oder der Verwaltung im Nationalsozialismus.
Herr Seibel, schön, dass Sie da sind.
Ja, hallo, ich freue mich dabei sein zu können.
Vielleicht starten wir erstmal doch mit einer Definition. Verwaltung,
das ist ja ein unglaublich breiter Begriff.
Manche mögen Angehörige der Verwaltung sein, ohne es eigentlich zu wissen.
Wie lässt sich denn Verwaltung eigentlich erstmal auf den Begriff bringen?
Wie lässt sich es eingrenzen, dieses große Wort?
Verwaltung ist etwas, was man benötigt, um Alltagsgeschäfte in klein und in
größerem Maßstab zu erledigen.
Also schon ein Bäckerladen braucht so etwas wie eine Buchhaltung,
auch Personalwirtschaft, Personaleinsatzplanung und intern auch im Jargon in
Betrieben wird das dann eben auch Verwaltung genannt.
Das ist ein handhabbarer Begriff bereits, an dem man auch merkt,
dass tatsächlich Verwaltung nicht nur allgegenwärtig ist, sondern dass wir in
der Regel auch überhaupt gar kein Problem damit haben.
Jedenfalls keine kritische Auseinandersetzung. In einem sehr weit gefassten
Sinne bezeichnet man dann aber Verwaltung,
oder versteht man unter Verwaltung den Staatsapparat. Das heißt eigentlich,
letzten Endes ist Verwaltung dann noch ein Synonym für den öffentlichen Dienst.
Das heißt also für das, was den Staat dann wirklich praktisch werden lässt,
gemessen an den gesetzgeberischen Aufträgen, aber insbesondere auch im Hinblick
auf unsere übrigen Alltagsbedürfnisse.
Also auch außerhalb der Familie, außerhalb des Betriebs, in dem wir sind,
wo wir auf öffentliche Infrastruktur, öffentliche Dienstleistungen angewiesen sind.
Und das ist ja nun buchstäblich jede und jeder von uns.
Wie unterscheidet sich denn, wenn man Verwaltung als eine Form der Organisation
versteht und jetzt erstmal die öffentliche Verwaltung damit im Blick behält,
wie unterscheidet sich denn diese Organisationsform von vielleicht anderen naheliegenden
Beispielen für Organisationen, zum Beispiel einem Unternehmen oder einer politischen
Partei beispielsweise?
Die öffentliche Verwaltung unterscheidet sich von Unternehmen und der Binnenorganisation
auf und Parteien vor allem dadurch, dass sie eine gesetzliche Grundlage hat.
Das heißt also, dass die Verwaltung nicht handeln kann, ohne dass sie einen
gesetzlichen Auftrag dafür hat.
Das brauche ich ja als Unternehmerin oder Unternehmer in dieser Form nicht.
Ich muss mich zwar an Gesetze halten, aber das Wesen gerade einer Unternehmerin
oder eines Unternehmers ist ja, dass man aus eigenem Antrieb,
aus eigener Initiative mit eigenen Plänen tätig wird.
Und das gilt für die öffentliche Verwaltung nicht.
Fast könnte man sagen, das gilt selbstverständlich nicht. Denn wo kämen wir
hin, wenn die Verwaltung auf einmal anfinge, nun sich selbst eigene Aufgaben
zu stellen? Das ist eigentlich der wichtigste Unterschied.
Wie ist das mit diesem schrecklichen und gefürchteten Wort der Bürokratie?
Ist Bürokratie eigentlich dasselbe wie öffentliche Verwaltung oder wie lässt
sich das miteinander in Beziehung setzen?
Es ist einfach eine Tatsache, eine kommunikative Tatsache,
dass der Begriff der Bürokratie eine negative Konnotation auf gut Deutsch eben
einen Bedeutungsgehalt hat, der einem nicht positiv stimmt.
Das ist in anderen Sprachen der Tendenz nach ähnlich, aber nicht so ausgeprägt wie in Deutschland.
Also Bureaucracy kann im Englischen zum Beispiel auch einfach ein Synonym,
also praktisch dasselbe sein oder bedeuten oder man meint damit dasselbe,
wie das, was wir in Deutschland dann
als Verwaltung oder im Englischen als Administration bezeichnen würden.
Im Hinblick auf den Begriff der Bürokratie gibt es nun zwei Besonderheiten,
die etwas mit der Begriffsgeschichte zu tun haben.
Und mit der Tatsache, dass Bürokratie, ja nun diesen Wortteil eben der Kratie,
also es kommt aus dem Griechischen und heißt Macht, beinhaltet.
Von der Begriffsgeschichte her denken wir nicht etwa nur in Deutschland,
weil es sich um einen Deutschen handelte, sondern international an den deutschen Soziologen Max Weber.
Der die Bürokratie als die Formwertung rationaler Herrschaft bezeichnet hat.
Also rational in dem Sinne, dass da Menschen für den Staat arbeiten,
die das nicht deshalb tun, weil sie in einem Verwandtschaftsverhältnis zu einem
Herrscher stehen, sondern weil sie aufgrund von Ausbildung und Fähigkeiten ausgewählt wurden,
eine bestimmte Aufgabe zu erledigen für den Staat, unabhängig davon,
welcher Herkunft sie sind.
Und dass sie das tun im Raum von Regelbindung, also auf der Grundlage von Gesetzen.
Das müssen nicht unbedingt parlamentarische Gesetze sein, im Rahmen einer bestimmten
Hierarchie und dass sie auf Lebenszeit angestellt sind, auch mit einer gesicherten Altersversorgung,
mit einer entsprechenden soliden Fachausbildung, je nachdem, wo sie tätig sind.
Und was die Realität von Bürokratie als Machtfaktor betrifft,
da hat Max Weber auch eine oft zitierte Aussage getroffen,
nämlich Herrschaft heißt im Alltag in der Regel Verwaltung.
Das heißt also, Verwaltung darf Dinge, die wir als Bürgerinnen und Bürger als
Individuen nicht dürfen, sie darf zum Beispiel Steuern einziehen,
sie darf Bumsgelder verhängen und diese Bumsgelder auch selbst vollstrecken.
Das können wir zum Beispiel, wenn wir glauben, der Nachbar schuldet uns etwas, nicht tun.
Wir können nicht an der Taustür klingeln und so auftreten wie ein Gerichtsvollzieher,
aber die Verwaltung kann das.
Das sind einfache Beispiele dafür, dass Verwaltung eben tatsächlich als bürokratische
Organisation Macht hat und das ist sozusagen der neutrale Begriffsgehalt von Bürokratie.
Die Verwaltung kann Macht ausüben, aber streng genommen im Sinne von Weber ist
das eben nicht wirklich Macht.
Es ist Herrschaftsausübung und die Herrschaftsausübung als solche ist legitim,
eben weil sie in diesem System jedenfalls auf Gesetzgebung und damit auf berechenbaren Regeln.
In der schönen Literatur finden sich zahlreiche, wenig schmeichelhafte Darstellungen
der Verwaltung, etwa bei Kafka oder zum Beispiel auch beim Kinderbuchautor Michael Endel.
Und dieses Unbehagen, was dort teilweise zum Ausdruck kommt,
scheint auch im Umgang vieler Menschen mit Verwaltung sehr typisch zu sein.
Also das mag unterschiedliche Schwerpunkte haben, möglicherweise die Undurchsichtigkeit,
die Unüberschaubarkeit irgendwie eines Verwaltungsapparates,
vielleicht aber auch irgendwie ein Unbehagen in der Kommunikation mit der Verwaltung,
in der Art, wie man ihr gegenüber treten soll, vielleicht auch eben diesem Herrschaftsaspekt folgend.
Und können Sie das besser theoretisch fassen, worin eigentlich der Ursprung
des Unbehagens eigentlich an der Verwaltung liegt?
Wo kommt das her? Wieso ist das so? Liegt das im Wesen der Verwaltung?
Ja, in gewisser Weise schon. Das liegt eben daran, dass Verwaltung Macht über uns hat,
auch legitime Macht, Also von der Polizei bis zum Finanzamt oder eben einer
Kommunalverwaltung, die uns Geldbescheide zustellt, wenn wir unser Auto falsch
geparkt haben, soweit wir eins besitzen.
Das ist das eine und das andere ist eben tatsächlich wahrgenommene von uns als
Individuen wahrgenommene Komplexität.
Und das ist ja tatsächlich nun leicht vorstellbar.
Jede und jeder von uns hat irgendwann wahrscheinlich ein Formular mal ausfüllen
müssen, was man nicht so richtig verstanden hat. Dann sitzt man da,
wie der sprichwörtliche Orgsform Berge, macht sich Gedanken,
wie fülle ich das jetzt aus?
Wo kann ich mal googeln oder anderweitig nachgucken?
Gibt vielleicht bei ChatGPT also eine Antwort auf die Frage,
wie fülle ich das Formular XY aus?
Das sind jetzt die modernen Erschadungsformen, aber bei Kafka und Michael Ende,
den ich nun nicht so intensiv gelesen habe.
Da ist vermutlich oder bei Kafka auch ganz bestimmt beides, was da direkt oder
indirekt angesprochen wird, vor allem Machtlosigkeit, Aber auch,
dass sie sich nicht zurechtfinden und nicht verstehen,
warum man eigentlich bestimmte Anforderungen erfüllen muss, die nicht ganz einfach zu erfüllen sind.
Und dieser Begriff des Erfüllens spielt ja gerade in der gegenwärtigen Bürokratie-kritischen
Diskussion oder der Diskussion über Bürokratieabbau eine erstaunlich populäre Rolle,
wo nämlich vom Erfüllungsaufwand die Erfüllung.
Das ist ein ganz wichtiger Kern des Unbehagens an der Bürokratie.
Etwas, was man nicht richtig versteht, womit man Mühe hat, aber den man sich
trotzdem nicht entziehen kann.
In Ihren eigenen Arbeiten gehen Sie da auch auf die Institutionen-Theorie ein,
um das nochmal zu verdeutlichen.
Ist das vielleicht auch ein Aspekt, dass an einer Institution ja diese Selbstzweckhafte
wichtig ist und das natürlich einem gerade in diesem Unbehagen auch begegnet,
dass man überfordert ist, aber gleichzeitig merkt,
ich kann machen, was ich will, die Verwaltung geht deswegen nicht weg.
Die hat sozusagen einen Selbstzweck.
Sie steht auch ein bisschen über den Dingen. Oder können Sie vielleicht diese
Institutionenhafte ein bisschen ausführen?
Ja, also von Institutionalisierung kann man in zweierlei Hinsicht sprechen oder
das hat eben auch zwei Gesichtspunkte.
Das eine ist, dass etwas auf Dauer gestellt wird und das andere ist aber dieser
kognitive Faktor, dass wir uns entlasten darüber nachzudenken,
ob eigentlich etwas nun seinen Grund hat oder berechtigt ist.
Also wir hinterfragen nicht, wenn wir es mit Verwaltungsvorgängen zu tun haben.
Normalerweise tun wir das jedenfalls nicht.
Hat das alles auch seine Richtigkeit? Das hat sehr viel zu tun natürlich mit
dem Grundvertrauen, was man in einem
demokratischen Rechtsstaat in die Verwaltung hat und auch haben darf.
Aber die Verwaltungsangehörigen, für die hat das ja auch noch die Funktion,
dass sie Routinen entwickeln.
Und das ist eine wichtige Schwachstelle sozusagen der Institutionalisierung,
weil Institutionen auf der einen Seite dazu da sind, dass sie genau diese Routinen
hervorbringen, zum Beispiel um Organisationen überhaupt entscheidungs- und tampfungsfähig zu halten,
weil man ja nicht jeden Tag neu überlegen muss, ja wozu sind wir eigentlich
da, Ja, sollen was so machen oder so was anders machen.
Aber auf der anderen Seite kann das eben auch zur Folge haben,
dass man Dinge für selbstverständlich nimmt, die es in Wirklichkeit nicht sind
und in bestimmten Situationen auch nicht sein sollten.
Vielleicht kann ich da noch anschließen, als ich Ihre Arbeiten gelesen habe,
hat mich schon überrascht,
diese starke auch normative Komponente, dass Sie schon sagen,
man kann eigentlich oder muss gewissermaßen eigentlich schon immer bestimmen,
was ist eben der Zweck einer Institution und wird dieser erfüllt und Sie haben
es gerade gesagt, wenn durch Routinen letzten Endes der Zweck aus dem Blick
gerät und eigentlich die Verwaltung nüsst funktional wird,
dann muss man das auch sozusagen aus wissenschaftlicher Perspektive feststellen.
Habe ich das so richtig wiedergegeben, dass eigentlich auch die Verwaltungswissenschaft,
so wie Sie das verstehen, ohne diese normative Blick auf den Zweck,
dass man das eigentlich gar nicht richtig machen kann?
Ja, nein. Also ich meine, auch die Verwaltungswissenschaft beschäftigt sich
zunächst mal mit der Verwaltung, wie sie nun einmal vorhanden ist.
Und man fängt ja nicht, wie man so sagt, bei Adam und Eva an und denkt erst mal darüber nach,
brauchen wir eigentlich sowas wie eine Verkehrsverwaltung oder ist Finanzverwaltung
wirklich gut oder brauchen wir Gesundheitsämter oder so.
Genauso wie wir ja auch akzeptieren, dass es eine Gerechtigkeit gibt oder dass Polizei existiert.
Und also insofern fängt man ja nicht jedes Mal bei der eigentlichen oder ursprünglichen
Zwecksetzung an, die dazu geführt hat, dass sich zum Teil auch in einem längeren
historischen Prozess bestimmte Verwaltungszweige entwickelt haben.
Aber es kann dann unter bestimmten Umständen zum Beispiel auch in den jetzt
oder derzeit ja viel zitierten.
Krisenhaften Umständen doch sinnvoll sein, Denn die Frage zu stellen,
ja, werden den Verwaltungsorganisationen ihrer ursprünglichen Zwecksetzung,
solange man diese noch für richtig und gut hält,
wirklich gerecht oder treiben sie einen zu hohen Aufwand bei der Erfüllung dieser Zwecke?
Haben sich die Zwecke selbst vielleicht gewandelt? Also es kommt auch tatsächlich
auf die konkreten Umstände.
Und man sollte eben doch immer in Erinnerung behalten,
dass Verwaltungen als Institutionen zwar wie selbstverständlich daherkommen,
aber dass sie natürlich nicht selbstverständlich sind, weil sie ja nun schließlich
irgendwann mal auch von Menschenköpfen und Menschenhänden geschaffen worden sind.
Ja, genau, da kann ich vielleicht noch dran anschließen, weil das ist so eine
ganz wesentliche Dialektik, die Sie auch beschreiben, zwischen dieser eigentlichen
Neutralität, also Sie sollen eigentlich einen Zweck erfüllen und deswegen wurden Sie geschaffen,
andererseits müssen Sie für Ihr funktionieren, auch deswegen,
damit eben nicht beliebig diese Zwecke geändert werden können,
eigentlich zum Selbstzweck werden.
Können Sie das nochmal so ein bisschen entfalten, weil das fand ich so eine
ganz faszinierende Einsicht, diese Dialektik von Zweck und Selbstzweck.
Und von Verantwortung und Responsivität schreiben sie, glaube ich, auch.
Gut, das ist eine intellektuelle Anforderung, die aber bescheidenen Umfang hat, würde ich sagen.
Also wir wissen ja alle, dass Verwaltungen nicht immer existiert haben.
Wir wissen insbesondere auch aus unserer gar nicht mal so notwendigerweise umfangreichen
historischen Erfahrung, dass Institutionen wie Verwaltungen auch vergehen können,
dass sie auch mindestens umgekrempelt werden, dass es Situationen gibt,
in denen Verwaltungszweige verschwinden oder in denen, wie wir das nach der
Wiedervereinigung in Deutschland erlebt haben, eben dann völlig neu gestaltet werden.
Das heißt, dieses Phänomen, dass Verwaltung nicht selbstverständlich wird,
das kennen wir ja, das können wir intellektuell schnell erschließen,
aber wir kennen es auch, hinreichendes Lebensalter vorausgesetzt.
Fast auch alle aus eigener Erfahrung.
So, das ändert nichts daran,
dass ich, wenn ich nun einmal in einem bestimmten Verwaltungszweig tätig bin,
als Finanzbeamtin oder Amtsärztin oder Revierförster,
dass ich die dort gegebene Verhältnisse, sowohl von der Sache her,
denken Sie einmal an das komplexe Biotop eines Waldes und die Aufgaben einer Revierförsterin.
Oder an die Steuergesetzgebung und die Bearbeitung von Einkommensteuerbescheiden
durch eine Finanzbeamtin oder Finanzbeamten,
dass ich das als gegeben hernehme und als Beamtin oder Beamter nicht anfange,
über das, was die Selbstverständlichkeit meines Arbeitsalltags ausmacht,
nachzudenken aus einer ganz grundlegenden Perspektive.
Das kann ich machen, wenn ich zu Hause vorm Kamin beim Tee oder mit der Freundin
oder Freund im Café sitze.
Dann kann man sich das erlauben. Aber ansonsten rechnen wir als Bürgerinnen
und Bürger damit, dass die Verwaltungsbeamtinnen und Verwaltungsbeamte eben
schlicht das tun, was ihr Job ist, wie man so sagt.
Und das ist Teil dieser Selbstverständlichkeit.
Aber wichtig ist natürlich, dass wir innerhalb der Verwaltung nichtsdestotrotz Kontrollen benötigen,
wo wahrscheinlich eben auch in ihrer hierarchisch aufsteigender Linie sichergestellt
ist, dass grundsätzlich natürlich das sich selbst in Frage stellen immer möglich sein muss.
Typischerweise dann, wenn man feststellt, hier ist irgendwas schiefgelaufen
oder wir haben ja eine Risikozone, auf die müssen wir achten und da darf nichts aus dem Rudern laufen.
In der Wirklichkeit der öffentlichen Verwaltung, jedenfalls bestimmt in Deutschland, ist das auch so.
Die Verwaltung ist kein Monolith. Da gibt es nicht nur unterschiedliche Menschen.
Es gibt unterschiedliche Rollen und eine der Rollen, die ausgefüllt werden muss,
ist tatsächlich auch gewissermaßen die Selbstkontrolle der Verwaltung.
Ich würde gerne noch mal kurz auf den historischen Aspekt zurückkommen.
Es gibt ja das Klischee, dass Deutschland ein besonders bürokratieverliebtes Land sei.
Das wird manchmal so fast ein wenig selbstbewusst auch schon gesagt.
Andererseits dann wieder ganz im Ton des Vorwurfs oder der Ablehnung.
Lässt sich das wirklich sagen? Ist Deutschland als Staat beispielsweise besonders bürokratisch?
Und kann man vielleicht davon unabhängig Besonderheiten der deutschen Verwaltung
aus historischen Gründen ausmachen?
Ja, das kann man. Ganz einfach gesagt.
Und diese Vorstellung, dass Deutschland nur besonders bürokratisch sei,
ich würde das schlicht als Mythos bezeichnen.
Denn gerade aus historischen Gründen ist die deutsche Verwaltung eigentlich
in vielerlei Hinsicht geradezu verwendet.
Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen verrückt geradezu, aber wenn man sich
vorstellt, dass der ideale Typus einer Bürokratie darin besteht,
dass es eine Konvergenz gibt von Regelsetzung und Vollzug,
Fachbeamten tun die zuerfüllenden Rollen in der Verwaltung und Aufgaben auch
ausfüllen, die Rollen spielen.
Dass es eine ausgeprägte Hierarchie gibt, wo es eben Vorgesetze gibt und andere
Menschen, die die Anweisung der Vorgesetze erfüllen.
All dies trifft in Reinform auf die deutsche Verwaltung überhaupt nicht zu.
Denn wir haben eine späte Staatsgründung gehabt in Deutschland,
als das, was man als moderne Verwaltung, jedenfalls eine Verwaltung mit Fachbarnum-
und Regelbindung bezeichnet, bereits vorhanden war,
und zwar in den Fürstentümern, die dann 1871 das Reich gegründet haben.
Und die haben nicht nur etwa aus politischem Interesse, sondern auch aus einsachlichen
Erwägungen heraus natürlich darauf bestanden, dass diese Verwaltungen erhalten bleiben.
Es war Schritt für Schritt, bildete sich dann eine Arbeitsteilung heraus,
wo die zentrale Ebene, damals also die Reichsebene, für die Gesetzgebung primär zuständig war.
Und die Länderverwaltungen, also das, was heute jedenfalls die Länderverwaltungen
sind und damals die Verwaltung der Fürstentümer waren,
mal waren es Königreiche, mal waren es Großherzogtümer und so weiter,
ein bunter Flickenteppich, die blieben für die Verwaltung.
Das heißt auch für die Umsetzung der Reichsgesetzgebung zuständig.
Und so ist es in Deutschland bis heute. Mit anderen Worten, wir haben hier eine
bereits atypische Konstellation, Nämlich,
dass die Verwaltung in ihrem Alltag auf der Grundlage von Regelungen arbeitet, die eine.
Dezentrale Ebene erlassen hat, nämlich in Form von Verordnungen,
die ihrerseits wieder auf sogenannten Verordnungsermächtigungen des Bundes.
Wir haben also gar nicht diese durchgehende Regelungshierarchie,
die unterstellt wird und das wird zum
Beispiel bei der Diskussion über den Bürokratieabbau oft vernachlässigt,
dass es ja im Wesentlichen sogar die Länder durch ihre Verordnungstätigkeit
oder die Kommunen durch ihre Satzungsvorheit sind,
die den Alltag von dem dann wahrgenommenen Bürokratisierungsphänomen in Form
von Regelbindung oder Überregelung zu vertreten redet.
Ja, ich habe noch eine Frage, die schließt an die Frage zuvor an.
Wir kommen gleich, glaube ich, auf die Kritik und so weiter zurück.
Nehme ich nochmal zu dem unbürokratischen Charakter sozusagen der deutschen Bürokratie.
Sie machen ja auch darauf aufmerksam, dass es eben diese so eine A2-Teilung
gibt, dann der deutschen Bürokratie, wo diese Körperschaften öffentlichen Rechts
nochmal eine Rolle spielen.
Das sind Sachen, die kann ich selber gar nicht erwidergeben.
Ich habe sie gesehen, aber habe auch gemerkt, da habe ich viel zu wenig Einblick.
Und das glaube ich auch das erste Mal so richtig realisiert,
was Sie schon sagten, diesen doch sehr heterogenen Charakter.
Vielleicht können Sie auch was dazu noch sagen, dass eigentlich ganz wesentliche
Teile, dazu gehören zum Beispiel auch Kammern und sowas, Ärztekammern,
die eigentlich irgendwie zur Verwaltung gehören, aber doch ganz anders sind.
Also das fand ich irgendwie nochmal ganz erstaunlich, dass es eigentlich so
auch ganz alltägliche Sachen, die das unser Leben organisieren,
wo mir aber nicht klar war, wie das genau entstanden ist und wie das eigentlich funktioniert.
Ja, das Phänomen der Körperschaften des öffentlichen Rechts ist tatsächlich
interessant und wird auch unterschätzt in der Diskussion über die und öffentliche
Verwaltung im Allgemeinen.
Das beinhaltet ja interessanterweise auch eine Abweichung vom strikten Bürokratiemodell,
weil es eine Öffnung zur Beteiligung von Laien an Verwaltung ist.
Also auch ganz unbürokratisch im Grunde genommen.
Körperschaften sind definiert als mitgliedschaftliche Organisationen.
Das heißt, wenn ich studiere oder wenn ich einen freien Beruf ausübe,
also die sogenannten freien Berufe, wie Anwälte, Apotheker, Ärzte.
Architekten, dann bin ich Mitglied einer Kammer.
Und das bedeutet... Wie bitte? Man ist auch Zwangsmitglied, ne? Ja, genau.
Es bleibt einem sozusagen nichts anderes übrig, Wenn ich niedergelassener Arzt
bin, bin ich Mitglied der Ärztekammer.
Wenn ich eine Apotheke betreibe, bin ich Mitglied der Apothekerkammer.
Und wenn ich Architekt bin, bin ich Mitglied der Architektenkammer.
Anders dürfte ich den Beruf gar nicht ausüben.
Und das bedeutet, dass wir es hier mit einer Dualität aus Laienhaftigkeit und
schlichter Berufsausübung auf der einen Seite und Aufgaben öffentlicher Verwaltung
auf der anderen Seite zu tun haben.
Das ist eigentlich ein hochinteressantes Phänomen.
Es ist aber partizipativ gedacht. Es ist wirklich der Inbegriff von Selbstverwaltung mitgebracht.
Schwachstellen und Stärken. Die Stärken lieben eben genau darin,
dass der Berufsstand selber, der ja über seine eigenen fachlichen Angelegenheiten
am besten Bescheid weiß oder Bescheid wissen müsste, auch Verwaltungsangelegenheiten wahrnimmt.
Insofern also auch hier eine enge Verbindung besteht zwischen Behördentätigkeit.
Das ist eine Behördentätigkeit, die kann man ausüben auf der einen Seite und
Fachkunde auf der anderen Seite.
Der Schwachpunkt der Konstruktion ist, dass es hier natürlich auch Interessenkollisionen geben kann.
Also bei einer Pandemie, so etwas soll es ja gegeben haben, wenn ich dann die
Kompetenzen beim Impfen auf die Ärztekammern übertrage,
dann habe ich nicht wirklich eine Kontrolle als öffentliche Hand darüber,
die das ja hoch vergütet dann in solchen Situationen, also im unteren vierstelligen
Euro-Bereich pro Tag wohlgemerkt.
Und dann sollte man sicherstellen, dass hier keine sozusagen Zugewinnkartelle entstehen,
wo die Mitglieder der Körperschaft der Ärztekammer sich sozusagen die lukrativen
Positionen und Impf-Tätigkeiten oder Impf-Beaufsichtigungstätigkeiten gegenseitig,
wenn man so sagt, zuschustern.
Das soll vorgekommen sein. Es gibt auch einen Bericht der Berliner Erztekammer
über solche missbräuchlichen Praktiken.
Das weist darin natürlich nur ein wirklich sehr selektives Beispiel,
dass dieses Modell der Körperschaften auch heikel sein kann.
Aber im Großen und Ganzen funktioniert das recht gut.
Nebenbei bemerkt, wir an den Universitäten sind ja das Paradebeispiel dafür,
darf ich mal sagen, für eine gut funktionierende öffentlich-rechtliche Körperschaft.
Und auch jede Studentin, jeder Student wird ja mit Immatrikulation Mitglied dieser Körperschaft.
Ist an der Selbstverwaltung der Universität denn auch beteiligt.
Jetzt weiß ich nicht, in welchem Maße Sie sich das dann noch angeguckt haben,
aber war das dann auch sozusagen eine deutsche Besonderheit,
dass es so schwierig war, den Apotheken wiederum dieses Impfrecht zu übertragen?
Das ist ja dann irgendwann passiert, aber das hat lange gedauert und ich weiß
auch nicht mehr genau, wie die Zahlen waren, aber man hatte schon fast das Gefühl,
so ein bisschen zu spät, als das dann funktioniert hat.
Hat das was damit zu tun und hat das in anderen Ländern einfach anders funktioniert,
weil man zum Beispiel sowas eher anweisen kann, politisch?
Das ist ja eine empirische Frage
und mir persönlich sind jedenfalls keine Untersuchungen dazu bekannt.
Man kann jetzt ohne solche empirische Evidenz bestenfalls sagen,
es gibt hier Risikozonen, auf die muss man in einer solchen Situation dann eben besonders achten.
Und wenn es so etwas gibt wie eine Konkurrenz auch im monetären Bereich,
dass vielleicht die Ärztekammer nicht begeistert darüber waren,
wenn die Kolleginnen und Kollegen von der anderen Zunft, nämlich der pharmazeutischen,
also nicht pharmazeutischen, sondern pharmakologischen Zunft,
also der Apothekerinnen und Apotheker auf gut Deutsch,
sich da in ein Feld einmischen, das ja in der Tat ursprünglich und eigentlich
zu den ärztlichen Tätigkeiten gehört, dann wäre das zumindest nachvollziehbar.
Nachvollziehbar nicht im Sinne, dass man es gerechtfertigt findet,
sondern man glaubt, die Logik zu verstehen, die dahinter steckt.
Aber das ist dann natürlich gerade auch ein Anlass für öffentliches Eingreifen.
Dann muss das eben korrigiert werden, gerade dann, wenn man glaubt,
Grund für die Annahme zu haben, dass hier einfach nur Prokurrenzneid eine Rolle spielt.
Und das darf dann eben in einer Krisensituation, eine Pandemie ist nun mal eine
Krise, dann nicht durchgreifen.
In dem Fall ist es ja dann eben auch tatsächlich geschehen, sozusagen die Anpassung.
Ich will dann nicht ewig noch darauf rumreiten, aber irgendwie interessieren
mich schon auch die historischen Hintergründe.
Sie haben ja schon gesagt, dass Deutschland da so einen Sonderweg hat.
Sie betonen auch eben diese besondere Flexibilität der deutschen Verwaltung,
die sich natürlich auch durch solche Elemente der Selbstverwaltung erhält.
Wie ist eigentlich das zustande gekommen? Kann man das in wenigen Worten zusammenfassen?
Ja, ich glaube, das kann man. Das liegt eben an der späten Parlamentarisierung
der Regierungsgewalt in Deutschland.
Also wir hatten spätestens eben seit den großen Revolutionen in den USA und
in Frankreich am Ende des 18.
Jahrhunderts einen enormen Druck auf die ständige Staatsorganisation.
Und die setzte sich eben in Deutschland nur langsam, sozusagen subkutan zunächst
und Schritt für Schritt durch.
Aber sie setzte sich eben auch auf andere Weise durch tatsächlich als in den
gerade erwähnten Ländern.
Nämlich dadurch, dass Kompromisse geschlossen wurden. Also etwa auch in der
öffentlichen Verwaltung, wo dann Schritt für Schritt das, was man heute meritokratisches
Prinzip nennt, sich durchsetzte. Das heißt also dann, das heißt also Anfang des 19.
Jahrhunderts, die flächendeckende Durchsetzung des Prinzips der Rekrutierung
mindestens eben für die Leitungsstellen in der öffentlichen Verwaltung.
Und da war das Kompromissangebot...
Natürlich ein emergenter Prozess war, das heißt, es war nicht von vornherein
so angelegt, aber es hat sich dann als funktional erwiesen.
Gerade die bürgerlichen, die nichtartlichen Kräfte über die Berufskörperschaften
und andere Beteiligungsformen in die öffentliche Verwaltung gewissermaßen zu integrieren.
So wie wir heute eben nachdenken über Diversität in der öffentlichen Verwaltung.
Und dass es vielleicht eine gute Idee ist, das breite Spektrum der gesellschaftlichen
Differenzierung auch im Personalkörper der öffentlichen Verwaltung wenigstens
annäherungsweise abzubilden.
So war eben Anfang des 19. Jahrhunderts die Situation einer nach wie vor vom
Adel dominierten Verwaltung, mindestens in den höheren Rängen,
gegenüber dem aufstrebenden Bürgertum.
Dieses Bürgertum war ja letzten Endes auch die ökonomische Basis,
aus der sich dann auch die Adeliger Herrschaftsform refinanzierte, buchstäblich.
Also das ist das historische Phänomen, dass man unterhalb der Schwelle einer
vollen Parlamentarisierung der Regierungsgewalt dafür Sorge trug,
dass die gesellschaftlich immer mächtiger werdenden Kräfte dann tatsächlich
auch schrittweise in den Staatsapparat integriert wurden, sodass sie das Gefühl hatten.
Dass ihre Interessen da einigermaßen sichergestellt waren.
Daraus resultierte eben die Einrichtung der Körperschaft des öffentlichen Rechts
als Selbstverwaltungskörperschaft.
Und das klassische Beispiel ist sicherlich die kommunale Selbstverwaltung mit
der ja berühmten Steinschen Städtereform von 1810,
also der Freiherr vom Stein, der eben die ja schon über Jahrhunderte hinweg
gewachsene Stellung des städtischen Bürgertums durch die Selbstverwaltungsgarantie der Städte.
Nun sozusagen konsolidiert hat,
ein ganz wichtiger Beitrag auch für die Leistungsfähigkeit natürlich der städtischen
Verwaltung und der diese Verwaltung eigentlich dann richtig erst mit der Industrialisierung
Ende des 19. Jahrhunderts profitiert hat.
Also die Pointe davon, historische Pointe ist gewissermaßen,
dass diese an manchen Stellen heute sozusagen sehr demokratische Gestalt der
deutschen Verwaltung eigentlich Ergebnis ist von verspäteter Demokratisierung
oder sogar von aktiver Abwehr,
in dem Fall das Bürgertum von bestimmten Ämtern abzuhalten und dadurch eben
diese Mischform irgendwie sich eigentlich historisch etabliert,
hat die dann eben auch irgendwie immer weiter tradiert wurde.
Ja, wir reden ja jetzt über eine Zeit lange vor der Durchsetzung von Parlamenten,
die die Regierung wählten und kontrollierten.
Das wurde in Deutschland bekanntlich erst 1919 erreicht.
Das heißt, davor gab es ja einen Prozess der gesellschaftlichen Modernisierung,
Herausbildung einer Industriegesellschaft, die eben durch die nichtadligen Kräfte
ja maßgeblich geprägt und getragen wurde.
Und die verlangten natürlich aus völlig nachvollziehbaren Gründen,
lange bevor das die Arbeiterbewegung ihrerseits tat, an den öffentlichen Angelegenheiten beteiligt zu werden.
Dafür wurde eben in Deutschland diese klassische Lösung gefunden,
sie an der Selbstverwaltung wenigstens der sie selbst betreffenden Angelegenheiten zu beteiligen.
Auch unsere Industrie- und Handelskammern, unsere Handwerkskammern gehen natürlich darauf zurück.
Alles Körperschaften des öffentlichen
Rechts, die ihrerseits eben auch Behördenaufgaben wangen. Genau.
Jetzt haben Sie schon den Bürokratieabbau angesprochen, das ist ja auch so ein,
mehr ein Slogan oder irgendwie ein Schlagwort, mit dem sich auch ganz gut Wahlkampf
machen lässt, seit jeher vermutlich und das ist auch ein Thema,
das auch immer mal wieder auftaucht.
Wie ist das aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht überhaupt einzuordnen?
Also erst einmal müssen wir natürlich klar machen, was ist eigentlich der Der
Kritikpunkt dieser Bürokratieabbauforderung.
Kann man denn sowas sagen, wie dass es ein natürliches Wachstum auch von Verwaltungsorganisationen,
Verwaltungsvorschriften, bürokratischen Regelungen gibt?
Also so eine Art Eigendynamik dieses Systems, das man zu Recht auch kritisch
sehen muss oder ist das gar kein typischer Aspekt der Verwaltung?
Also um mit dem zweiten Teil Ihrer Frage anzufangen, Schwarz,
das gibt es durchaus. Es gibt eine gewisse Eigendynamik der Verregelung von Lebenssachverhalten.
Das hat auch damit etwas zu tun, dass Verwaltung, soweit sie eben selbst regelsetzen, tätig wird.
Also das passiert durch Verordnungen und Satzungen auch auf der lokalen Ebene.
Sich bemüht, Einzelfallgerechtigkeit sicherzustellen.
Das ist auch eine Erkenntnis, die seit langem existiert,
die aber auch gleichzeitig deutlich macht, wir selbst als Bürgerinnen und Bürger
müssen dann aber auch Toleranz und Akzeptanz aufbringen, wenn Ermessensspielräume
gelassen werden, sodass die
Verwaltung in einem relativ schwach geregelten Bereich dann tätig wird,
dass wir vielleicht tatsächlich Einzelfallgerechtigkeitsprobleme haben.
Die müssten wir dann aber, wenn wir
es ernst meinen, mit der Bürokratie im Regelungsbereich auch hinnehmen.
Und das ist eine Frage, über die muss man vielleicht etwas gründlicher nachdenken,
als in Form von Schlagworten über Bürokratieabbau.
Und diese Diskussion über Bürokratieabbau ist ja kurioserweise eine,
die sich auf die Bürokratie selbst nicht bezieht.
Das muss man sich erstmal morgenfühlen.
Denn es ist im Wesentlichen eine Diskussion über Regelsetzung.
Mit anderen Worten, die bezieht sich eigentlich auf die legislative Tätigkeit
von Parlament und Bürokratie.
Ministerium, aber eben gerade nicht auf die Verwaltung als Organisation,
als bürokratische Organisation,
wo es natürlich auch originäre Bürokratieprobleme gibt, etwa als Koordination
oder als Hierarchieprobleme, aber über die wird in der gängigen Diskussion über
Bürokratie und Bürokratieabbau erst gar nicht.
Wenn man jetzt über die Klischees gegenüber der Verwaltung oder auch des öffentlichen
Dienstes nachdenkt, dann gibt es ja meistens so die Sozialfigur des Beamten,
dessen Schweiß die seltenste Flüssigkeit ist und einen sehr gemütlichen Beamtenalltag
stellt man sich manchmal vor.
Und es gibt so ein Bild von struktureller Ineffizienz einfach gegenüber der Verwaltung.
Ist das etwas, was aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht schon irgendwie seinen
wahren Kern hat, dass es innerhalb der Verwaltung aus ihrer grundlegenden Beschaffenheit
heraus eben auch Effizienzprobleme gibt,
die es in anderen Formen der Organisation so nicht gibt?
Zum Beispiel immer, das typische Gegenbeispiel ist ja immer das privatwirtschaftliche
Unternehmen eigentlich, aus staatskritischer Sicht zumindest.
Es gibt keine Erkenntnisse darüber, dass eine öffentliche Verwaltung a priori,
das heißt also gewissermaßen von Hause aus ineffizienter oder ineffektiver wäre,
als etwa die verwaltungsmäßig organisierte Tätigkeit eines Unternehmens.
Ob ich jetzt eine Personalabteilung geleite oder Personalsachbearbeiter in einem
größeren Unternehmen bin.
Oder ich übe eine ähnliche Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung aus.
Da dürften die Unterschiede gering sein.
Es gibt in jeder Organisation, unabhängig davon, ob sie staatlich oder privatrechtlich
organisiert, ist so etwas wie Risikozonen oder ich nenne das ja auch Standardpathologien.
Es gibt überall Koordinationsprobleme, es gibt überall Hierarchieprobleme,
Es gibt überall das Spannungsverhältnis von Routine und Regelbindung auf der
einen Seite und Pragmatismus und Flexibilität auf der anderen Seite.
Und wenn wir ehrlich sind, dann wünschen wir uns die Verwaltung als Bürgerinnen
und Bürger, so verlässlich und berechenbar, als sprunghaft und unzuverlässig und inhomogen.
Das müssen wir uns vielleicht ab und zu in Erinnerung rufen.
Diese Abwägung von Vor- und Nachteilen einer Verwaltung,
die nun einmal bestimmten allgemein eben bürokratisch genannten Verhaltensnormen
und Üblichkeiten folgt,
da gibt es im öffentlichen Bereich eigentlich nur eine wesentliche Abweichung,
einen wesentlichen Unterschied gegenüber dem privaten Bereich,
soweit man eine größere Organisation etwa in der Industrie denkt, nämlich die Tatsache,
dass der Job sicher ist,
dass man in der Regel tatsächlich, wenn man eben Lebenszeitbeamtin oder Beamter ist.
Tatsächlich keine Sorge haben muss, aus Konjunkturgründen seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
Also das, was man normalerweise in der freien Wirtschaft betrifft.
Als betriebsbedingte Kündigung bezeichnen würde.
Und das ist natürlich ein Faktor, der ganz, ganz wesentlich ist.
Auf der einen Seite für die Verlässlichkeit der staatlichen Tätigkeit,
aber der auf der anderen Seite natürlich auch das Risiko beinhaltet,
dass ich mir etwas weniger motiviertes Engagement in der Verwaltungstätigkeit leisten kann,
solange ich nicht die sprichwörtlichen Syrbanen dafür klaue.
Das heißt, solange ich nicht tatsächlich auch massiv gegen existierende Regeln
oder gar Gesetze verstoße.
Und das muss man eben auch in Rechnung stellen.
Das kann man aber kompensieren. Das wird in der Regel auch tatsächlich kompensiert,
nämlich durch Personalpolitik und durch Führungstätigkeit, ganz einfach gesagt,
die es natürlich auch in der öffentlichen Verwaltung gibt und auch geben muss.
Gelegentlich werden auch Vorschläge für Verwaltungsreformen gemacht,
manchmal auch welche vollzogen.
Zuletzt hatten, glaube ich, Pierre Steinbrück und Lothar de Maizière auch irgendwie
eine Initiative für einen handlungsfähigeren Staat vorgelegt.
Gibt es aus Ihrer Sicht naheliegende und sinnvolle Ansatzpunkte für Verwaltungsreformen?
Also in welcher Weise müsste eigentlich die zum Beispiel deutsche Verwaltung
modernisiert werden, sodass es tatsächlich auf ihre Leistungsfähigkeit oder
ihre Funktion einzahlt?
Ja, das gibt es. Wobei man auch hier Gewichtung vornehmt.
Das größte Problem, mit dem die öffentliche Verwaltung derzeit in Deutschland
zu kämpfen hat, ist demografischer Natur.
Das weifeln auch einen Spatzen von den Dächern.
Das heißt, wir haben in den nächsten Jahren, so ungefähr bis in die frühen 2030er
Jahre, einen krassen Personalmangel.
Also das, was sonst Fachkräftemangel ja auch genannt wird, gerade auch in der
öffentlichen Verwaltung.
Das hat in kritischen Bereichen, ich nenne ihr mal nur,
einen Bereich, der viele Familien betrifft, zur Folge,
dass sogar gesetzlich garantierte öffentliche Dienstleistungsangebote nicht
angeboten werden können im Bereich, was die Familien betrifft, der Kinderbetreuung.
Also die Zahlen, die mir bekannt sind, die sprechen von einem Fehlbedarf bis
zum Jahr 2013 von 400.000 Kita-Plätzen.
Und jeder und jeder, der Kinder hat, weiß das aus total bitterer eigener Erfahrung,
dass das ein ganz ernsthaftes Problem ist. Da wird der Staat tatsächlich seiner Aufgabe nicht gerecht.
Das ist nicht wirklich ein Strukturproblem.
Und es ist zumindest jetzt nach der faktischen Aufhebung der Schuldenbremse
noch nicht einmal mehr so sehr ein finanzielles Problem.
Es ist vor allem wirklich ein Problem der Personalreportierung und der Mobilisierung,
auch der Motivierung gerade junger Leute für den öffentlichen Dienst.
Es gibt, abgesehen oder praktisch draufgesattelt auf das massive Personalproblem,
die massive Fachkräftemangel in der Verwaltung, gerade auch in der Kommunalverwaltung.
Probleme, die ihrerseits mit klassischen Bürokratieeffekten zu tun haben,
die aber eigentlich in der öffentlichen Diskussion so gut wie keine Rolle spielen.
Ich nenne mal das Beispiel Geldwäsche oder Infektionsschutz oder auch so etwas
wie Krankenhausverwaltung.
Wir haben eine Diskussion international über den völlig unzureichenden Zustand
der Geldwäschebekämpfung in Deutschland.
Ohne dass das groß ein Thema ist, obwohl die Ursachen eigentlich bekannt sind
oder bekannt sein könnten.
Nämlich die fehlende Koordination zwischen Verwaltungszweigen,
insbesondere eben der Polizei und der Zollverwaltung.
Und das ist zurückzuführen auf eine Veränderung des Geldwäsche-Bekämpfungsmodells
in Deutschland im Jahr 2017,
wo man praktisch sehenden Auges und auch gegen den Rat der einschlägigen Experten
entschieden hat, die Geldwäschebekämpfung auf die Zollverwaltung in Deutschland zu übertragen,
wo wir mittlerweile mehrere Zehntausend bearbeitete Fälle an Geldwäsche-Verdachtsmeldungen haben.
Davon ein erheblicher Prozentsatz übrigens an Terrorismusfinanzierung.
Das ist ein Bürokratieproblem, nämlich eines völlig unzureichender Behördenleistungen.
Über das, komischerweise, irritierenderweise würde ich sagen,
bei der Diskussion über Bürokratieabbau so gut wie gar nicht gesprochen wird.
Woran liegt das? Also gerade wenn es um die Bekämpfe von Steuerkriminalität
geht, das würde ich zum Beispiel persönlich jetzt auch nicht unter Bürokratieabbau abheften,
sondern eigentlich, manche hatten mir den Eindruck, also klar,
es muss eine Neuorganisation geben, es geht dann eher um Reformen oder vielleicht
sogar Neueinstellungen, noch mehr
Leute sozusagen, die diese Aufgaben erfüllen, die jetzt nicht da sind.
Und was sagen Sie denn zu dem, sozusagen das was typischerweise,
jetzt wenn ich daran denke unter dem Bürokratieabbau läuft,
wenn es um den Wohnungsbau zum Beispiel geht, wo dann gesagt wird,
erhebliche Kosten sind natürlich so in die Baukosten gestiegen.
Das hat was mit Rohstoffpreisen etc.
Zu tun, aber ganz wesentlich eben auch diese unheimlich komplizierten Genehmigungsverfahren,
wo einfach wahnsinnig viel Personal und auch Zeit einfach drauf geht,
bevor überhaupt irgendwas, dort der erste Spatenstich stattfindet.
Ist das eine gültige Kritik oder ist die eigentlich auch wiederum zu vereinfacht?
Nein, das ist eine bestimmt berechtigte Kritik, soweit ich es einschätzen kann,
was den Wohnungsbau betrifft.
Allerdings ist auch das ja eine Kritik, die richtet sich nicht eigentlich gegen
die Bürokratie, sondern gegen den Gesetzgeber.
Denn das, was Genehmigungsverfahren langwierig macht, das sind eben gesetzliche Vorschriften.
Das betrifft die Qualität des Bauens, das betrifft die Wärme- und Schallisolierung.
Das betrifft insbesondere auch die Umweltverträglichkeitsprüfung,
allerdings das eher bei Infrastrukturvorhaben und größeren Bauvorhaben und das
sind natürlich dann auch strittene Bereiche,
wo es schlicht eben auch an ungelösten politischen Dissens liegt,
dass hier die sogenannte Verfahrensbeschleunigung eben nur zum Teil umgesetzt
oder vielleicht sogar gar nicht in Angriff genommen worden sind.
Nochmals, das hat eigentlich weniger etwas mit der Verwaltung selber zu tun,
die ihrerseits ja gar nicht anders kann, als die geltenden Gesetze anzuwenden,
sondern mit der Regelsetzung als Teilbereich der staatlichen Tätigkeit.
Genau, also da sehe ich es auch einsatzweise beim Wohnungsbau.
Was ist mit dem Bereich, auch das ist was, was man natürlich immer wieder erlebt im Kontakt mit Ämtern,
dass einfach auf der technischen Ebene, dass nicht auf dem Stand der Technik
ist, also dass man der Kontakt eben zur Behörde,
der einfach, wenn man den Vergleich hat, insbesondere zur freien Wirtschaft,
wo dieser Kontakt sehr viel glatter, also auch nicht immer, es kommt ein bisschen
darauf an, was man für ein Anliegen hat,
aber einfach technisch auf einem modernen Stand läuft.
Und man das Gefühl hat, so wie die Verwaltung arbeitet, das ist jetzt nicht
viel anders als im 19. Jahrhundert.
Kann man das schon auch identifizieren, dass das tatsächlich in dem Fall wirklich
ein Bürokratieproblem ist, was vielleicht auch in anderen Ländern gar nicht
in dem Maße stattfindet oder gar nicht in dem Maße existiert,
weil dort tatsächlich stärker eine Modernisierung auf dieser,
ich weiß gar nicht, auf der organisationalen Ebene sozusagen stattgefunden hat?
Ja, das kann ich nur unterstreichen. Was Sie sagen,
das hat aber wenig bis gar nichts zu tun mit mangelnder Initiative der Verwaltung
oder der sogenannten Bürokratie.
Es fehlte hier eben an politischen Impulsen, vor allem aber auch an politischer Koordination.
Das ist nun einmal so, dass man in einem föderativen System beobachtet
mit einer sehr ausgeprägten kommunalen Selbstverwaltung Koordinationsprobleme
hat, die müssen in Angriff genommen werden. Die müssen überhaupt auch erstmal erkannt werden.
Wenn man das nicht rechtzeitig tut, und das ist ja nun in Deutschland gestritten,
das ist nicht rechtzeitig angestoßen wurde, dann entwickeln sich sozusagen selbst
Vielfaltmechanismen auf der dezentralen Ebene bei den Kommunen und in den Ländern.
Das wiederum führt dazu, dass wir in den Ländern ja IT-Systeme haben,
die Schritt für Schritt implementiert werden, die aber untereinander eben nur
bedingt kompatibel sind, um es milder auszudrücken.
Dasselbe wiederholt sich im Verhältnis von kommunalen Verwaltungen,
von der Schulverwaltung über die Gesundheitsverwaltung im Verhältnis zu ihren
jeweiligen Landesverwaltungen.
Das heißt also, wenn ich eine Entwicklung verschlafe.
Dann ist es kurioserweise mitunter gerade die Agilität und Aktivität der dezentralen,
der lokalen Verwaltung und der Länderverwaltung,
die zu dem berühmten Flickenteppich führt, der seinerseits dann wieder eine
Gesamtkoordination enorm erschwert.
Übrigens ein ähnliches Phänomen haben wir bei dem gerade angesprochenen Beispiel
der Geldwäschebekämpfung, wo die Länder dann eben ihre Hausaufgaben machen,
aber dann 16 Bundesländer auf jeweils ihre Weise,
wodurch die Koordinationsprobleme dann bei einem transnationalen Phänomen wie
Geldwäsche und Geldwäschebekämpfung, Was ja nichts anderes ist als der finanzielle Background,
der Hintergrund und Refinanzierung von organisierter Kriminalität und Terrorismus,
dass das eben auf der Bundesebene nicht richtig funktioniert.
Also es ist zwar, auf Ihre Frage nun endlich zurückzukommen,
ein Bürokratieproblem, aber
auf andere Weise, als wir so spontan geneigt sein könnten, anzunehmen.
Sie haben sich in mehreren Publikationen auch mit Extremfällen von Verwaltungsversagen
beschäftigt und haben sehr detailreich konkrete Fälle analysiert,
um aus diesen Fällen dann wieder zu Verallgemeinerungen zu gelangen,
woran es eigentlich liegt, wenn Verwaltungen wirklich einmal in drastischer
Weise ihren Pflichten nicht nachkommen.
Also zum Beispiel bei Bauprojekten derart Fusch zugelassen wird,
dass es zu vielen Toten kommt.
Und vielleicht können Sie das mal beschreiben,
vielleicht können Sie auch nochmal ein, zwei Fälle aufgreifen,
aber erstmal auch natürlich allgemein gefragt, was sind denn die Bedingungen,
unter denen es zu solchen extremen Formen kommt, die Sie ja auch als überaus
selten ansehen eigentlich, nicht wahr?
Ja, selten. Deshalb, weil in einem Land wie Deutschland, aber es gilt auch international
für alle demokratischen Rechtsstaaten mit professionellen öffentlichen Verwaltungen,
Extremversagen mit extremen Konsequenzen in dem Sinne, dass auch wirklich Menschen
dabei zu Schaden kommen, nun einmal glücklicherweise auch extrem selten. sind.
Aber das bedeutet ja nun nicht, dass wir das vernachlässigen können.
Also mein Standardvergleich ist die Flugindustrie und das Fliegen überhaupt.
Flugunfälle, Flugzeugabstürze sind extrem selten, aber niemand würde auf die
Idee kommen zu sagen, naja Gott, es sind ja nur ein paar Fälle pro Jahr und
viel, viel weniger weltweit Tote, als wir allein in Deutschland im Straßenverkehr
haben, bauen da ein großes Fass auf.
Also nichts wird so gründlich untersucht im technischen Bereich wie ein Flugzeugunfall.
Das ist in allen Ländern der Welt der Fall, die eigene Fluggesellschaften haben,
unabhängig davon, ob die demokratisch sind oder nicht.
Weil das eben im öffentlichen Bewusstsein eben so fest verwurzelt ist,
dass man genau wissen möchte, woran hat es denn eigentlich gelegen?
Und das macht man natürlich nicht dem Einzelfall zuliebe.
Das macht man vielleicht auch noch nicht in erster Linie, weil die Angehörigen
oder Überlebenden gerne wissen möchten, warum musste jemand sterben,
der mir nahe stand, sondern macht es im Interesse der Prävention.
Und so ist das eben auch, wenn wir eine Großveranstaltung haben,
das Fanal ist ja in Deutschland die Loveberry-Katastrophe in Duisburg,
da sterben 21 Menschen und dann will man natürlich wissen, ja wie konnte das
passieren in einem Land wie Deutschland.
Nebisverfahren für so etwas, wir haben Sicherheitsvorschriften und so weiter.
Wie konnte das passieren? Also es ist auf der einen Seite schlicht Neugier natürlich,
wenn man das mit extrem seltenen, aber schwerwiegenden Fällen zu tun hat.
Oder wie kann das passieren, dass ein Gebäude einstürzt.
Also wir hatten in Bresden einen Brückeneinsturz, aber wir haben auch in anderen
hochentwickelten Ländern, Neuseeland oder USA oder Italien, stürzen auf eine
Brücke ein. Dann fragt man sich ja auch, wie kann das passieren?
Und das sind keine Bagatellen, das sind extrem seltene Fälle.
Deswegen sind wir ja so verblüfft und erstaunt. Aber dann will man natürlich
umso genauer wissen, Wie konnte das passieren?
Und das will man wissen, um zu verhindern, dass es nochmal passiert.
Mit anderen Worten, man braucht generalisierbares Wissen, sonst könnte man ja
keine Prävention machen.
Und das ist das, was mich meiner Forschung tatsächlich auch interessiert und
was ich oder meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam mit mir festgestellt haben.
Es sind zwei oder drei zentrale Gründe, die man immer im Auge haben muss.
Das eine sind tatsächlich kognitive Mängel.
Das heißt also, man macht sich nicht klar, was auf dem Spiel steht,
weder strukturell noch in dem Blick auf bestimmte Situationen.
Wenn ich eine Genehmigung erteile, wie seinerzeit für The Love Parade.
Für angeblich eine Million Besucher, die erwartet wurden und die eigene Verwaltung,
die eigene Genehmigungsbehörde, die sagt mir,
ja, also mehr als 180 Leute passen da gar nicht drauf, jedenfalls dann,
wenn wir die Vorschriften einhalten wollen und ich genehme die Verwaltung,
ich genehme die Veranstaltung trotzdem, dann sollte ich wissen, was ich tue.
Nämlich ich setze das Leben vom Menschen aufs Spiel. Das ist sozusagen.
Das hat etwas mit Verantwortungsbewusstsein, mit Verantwortungsfähigkeit und
auch schlichter, manchmal vielleicht auch einfach Zivilcourage etwas zu tun.
Jedenfalls dann, wenn ich das gegen starken politischen Druck dann durchhalten
muss, eine solche Verweigerung einer Veranstaltungsgenehmigung.
Also es gibt eben gegen A30, das ist ein zweiter wichtiger Faktor.
Ich kann etwas wissen, also ich kann mir eines Risikos bewusst sein.
Aber dann gibt es meinetwegen jemanden, der möchte eine Baugenehmigung haben,
obwohl die Statikberechnung noch gar nicht vorliegt.
Und ich bin der Bauingenieur, der das zuständige Baurechtsamt leitet.
Und dann kommt der Ingenieur zu mir und sagt, ja, also wenn wir jetzt die Genehmigung
nicht kriegen, dann müssen wir konventionell Schlauung bezahlen,
dann verzögert sich unter Anständen der ganze Bau.
Wir haben ohnehin nie in diesem Land ein Problem mit langen Planungs- und Bauzeiten und so weiter.
Also könnt ihr nicht mal ein Auge zudrücken. Und dann wird die Baugenehmigung erteilt.
Das ist kein fiktiver Fall, der hat sich zwar nicht in Deutschland ereignet,
sondern in Neuseeland mit der Folge, dass nach einem Erdbeben in Christchurch,
Neuseeland, im Jahr 2011 ein Gebäude eingestürzt ist,
weil eben genau die Statikberechnung, die ursprünglich fehlte,
sich im Nachhinein als fehlerhaft erwies.
Wir hatten einen ähnlichen Fall in Deutschland in Bad Reichenhall,
wo 15 Menschen gestorben sind in einer Eichsportale, wo das Dach einstürzte.
Das waren zwölf Kinder und drei die Kinder begleitende Mütter.
Was ein wichtiger Faktor ist, der Grundlage,
klegender Natur ist, gerade in Deutschland. Für solche seltenen,
aber dann schwerwiegenden Fälle von Behördenversagen, das ist eine unzureichende Fehlerkultur.
Das ist mittlerweile fast ein Modewort geworden.
Aber Fehlerkultur bedeutet, dass ich Fehler als solche ernst nehme.
So wie das übrigens bei dem Betrieb von Flugfliegen auch getan wird.
Also Piloten führen ein Buch und müssen ein Logbuch führen über jede noch so
scheinbar unwesentliche Erscheinung, die irregulär ist im Flugbetrieb selbst,
wenn die gar keine Folgen hatte.
Und wir wissen, kennen das ja alle aus den Nachrichten, es gibt die Blackbox,
es gibt den Stimmrekorder und so weiter, nur aus dem Grund, um rekonstruieren
zu können, welche Fehler können passieren und um Vorsorge treffen zu können.
Diese Fehlerkultur haben wir in Deutschland in der öffentlichen Verwaltung nicht
und das ist ein schweres strukturelles Versagen,
denn wir haben keine regelmäßige Aufklärung über den Grund, solcher Behördenfehler
mit schwerwiegenden Folgen.
So wie wir das in anderen Ländern, ich nenne mal das positive Gegenbeispiel
Niederlande, haben, wo es eine eigene Behörde gibt,
die, wenn auch nur der Anfangsverdacht besteht, dass Behördenfehler dazu geführt
haben können, dass Menschen zu Schaden gekommen sind, unabhängig davon,
ob da Menschen gestorben sind oder in Anführungsstrichen nur verletzt wurden.
Die diese Fälle aufklärt, minutiös aufklärt, von Bränden bis Zubrücken,
Entstürzungen oder schweren Verkehrsunfällen und dergleichen.
So etwas haben wir in Deutschland nicht.
Das ist ein schwerer Mangel, wie ich auch seit langem schon behaupte.
Aber das ist etwas, woran man natürlich etwas machen könnte,
wenn man die politische Entschlusskraft dazu hätte.
Wie würde denn dann im deutschen System überhaupt so eine Aufklärung aussehen?
Da gibt es sozusagen gar keinen Weg. Also man kennt natürlich Disziplinarverfahren,
wenn es sozusagen um Einzelbeamte geht und Beamten von Einzelnen.
Ich gehe auch davon aus, dass bei Skandalen natürlich auch Mitglieder der Verwaltung
zurückgetreten sind, aber es ist sozusagen kein, also sie sagen,
es geht doch eher um den Selbsterhalt und es geht nicht,
also es gibt gar keinen Wege sozusagen institutionell, das überhaupt herauszufinden,
was schiefgelaufen ist.
Und eigentlich auch nicht das Bewusstsein, dass man, wenn sowas passiert ist,
auch die Verantwortung hat, das herauszufinden, was eigentlich passiert ist,
damit es nicht nochmal passiert.
Es ist eben in Deutschland sehr stark politisiert. Das heißt,
politisiert ist das Aufklärungsinteresse auch der Öffentlichkeit, auch der Medien.
In dem Moment, wo ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt wird,
wird in aller Regel gut oder sehr gut gearbeitet.
Ich selbst habe in meinen Untersuchungen oft mit den Berichten parlamentarischer
Untersuchungsausschüsse gearbeitet, die ja die Möglichkeit haben,
Zeugen zu vernehmen und ähnliche Kompetenzen haben wie Gerichte,
außer dass sie keine Strafen verhängen können.
Aber das hängt eben davon ab, dass sich ein Minimum an Abgeordneten einer parlamentarischen
Körperschaft bereit findet oder motiviert ist, die Einsetzung eines solchen
Untersuchungsausschusses zu verlangen.
Das ist zum Beispiel bei der Lovebury-Katastrophe mit 21 Toten und über 650
Verletzten gar nicht passiert. Es hat auch keine anderweitige Aufklärung gegeben.
Es ist auch nicht passiert bei dem Ansturz der Eichsportale in Bad Reichenhall im Jahreszeit 2006.
Also wir haben Fälle, wo es stattfindet. Das ist zum Beispiel bei den NSU-Morden so,
wo wir nicht weniger als 14 oder 15 Parlamentarische Untersuchungsausschüsse
haben, die also 10.000 von Seiten sehr, ich betone das, wertvolles Material erarbeitet haben,
vor allem eben auch durch Zeugenaussagen.
Aber wenn 21 Menschen sterben und es gibt da gar keine öffentliche Aufklärung.
Dann ist das erstmal auch schlicht ein ethisch nicht vertretbarer Affront gegenüber
den Hinterbliebenen und gegenüber den Verletzten, die ja zum Teil den Rest ihres
Lebens unter diesem Trauma buchstäblich leiden.
Also Trauma auch im somatischen Sinne.
Aber es ist eben auch ein Versagen gegenüber dem Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit.
Und das wiederum hat auch etwas zu tun mit einer anderen Schwachstellung in Deutschland.
Wir haben eben ein so gut wie nicht vorhandenes Staatshaftungsrecht in Deutschland.
Wir haben das Disziplinarrecht, das haben Sie schon angesprochen,
aber das bezieht sich tatsächlich nur eben auf individuelles schuldhaftes Versagen
einzelner Behördenangehöriger.
Aber typischerweise haben wir es ja bei solchen Extremfällen,
wo Menschen zu Schaden kommen, mit einem sogenannten multikausalen Geschehen zu tun.
Dann muss erst recht aufgeklärt werden, wann wo etwas schiefgelaufen ist und
welche Faktoren eher struktureller und welche Faktoren eher individueller,
also menschlicher Natur waren.
Unter diesen vielen Faktoren, die Sie dabei nennen, scheint auch so ein gewisses
Berufsethos, ein gewisses Verantwortungsbewusstsein der Akteure eine Rolle zu
spielen, also auch das Verhältnis,
was die Verwaltungsangestellten zu ihrer eigenen Tätigkeit haben.
In ihrer Einführung in die Verwaltungstheorie nennen sie da auch Typologien,
die da in der Forschung schon aufgestellt wurden von unterschiedlichen Verwaltungsbeamtinnen,
die dann unterschiedliche Verhältnisse auch haben.
Welche Bedeutung spielt das? Also ein Verantwortungsbewusstsein ist natürlich was,
was man sich immer wünscht, aber es ist nicht unbedingt was,
was man immer stark voraussetzen kann oder einfach durch moralische Appelle hervorrufen kann.
Vielleicht können Sie das nochmal einordnen. Erstmal, welche Rolle spielt es
sozusagen auch bei Fällen von Verwaltungsversagen oder vielleicht auch von politischem Missbrauch?
Und andererseits, wie fördert man denn so eine bestimmte Art des Verwaltungsverantwortungsbewusstseins?
Ja, vielleicht fängt man da erstmal mit der Definition von Verantwortung oder
eben der viel zitierten Verantwortungsethik an.
Also Verantwortungsethik bedeutet, dass ich als Verwaltungsangehöriger oder
Angehöriger ein Bewusstsein davon habe, mein Tun und Unterlassen hat Folgen.
Und ich muss bereit sein, mir diese Folgen zurechnen zu lassen.
Das ist Verantwortung zu erkennen.
Also zu wissen, was auf dem Spiel steht, wenn ich etwas tue oder auch unterlasse
und dafür gerade zu stehen für die Folgen. Ich ähm.
Ich habe natürlich nichts dagegen, wenn ich gelobt werde, wenn also die Folgen
meines Tuns oder meines Unterlassens vielleicht auch, also zum Beispiel eine
nicht genehmigte Großveranstaltung, mir zugerechnet werden, wenn ich gelobt werde.
Aber ich muss in Kauf nehmen, dass, wenn etwas schiefläuft, dass mir das auch
zugeschrieben wird und zugerechnet wird, so wie wir das selbstverständlich im Strafrecht tun.
Aber gerade der Unterschied und die Abgrenzung gegenüber der strafrechtlichen
Verantwortung ist ja hier sehr wichtig, weil es eben folgenschwere Entscheidungen
gibt, die nicht justiziabel im strafrechtlichen Sinne sind.
Trotzdem müssen wir darauf vertrauen, dass Menschen in der Verwaltung in diesem
Sinne eben verantwortungsbewusst sind. Und das kann man schon trainieren.
Das kann man dadurch nicht nur um Verständnis werben, sondern das sollte integriert
werden, gerade auch in die Aus- und Fortbildung von Verwaltungsmenschen,
auch unabhängig von der Hierarchiestufe, auf der die tätig sind,
weil es auch relativ einfach zu verstehen ist.
Und weil der Appell an diesen Ethos ja auch, wenn man so will,
doch etwas durchaus Positives, nämlich auch schlicht Schmeichelhaftes hat.
Ich mache ja dann Menschen bewusst, du bist wichtig.
Auf dich kommt es an. Und überleg mal, wenn du hier eine falsche Entscheidung
treffen solltest, dann kann das vielleicht vertretbar sein. Du kannst auch Glück haben.
Erst recht wirst du wahrscheinlich gar nicht zur Verantwortung gezogen.
Es wird dir gar nicht zugerechnet, aber du hast ein schlechtes Gefühl dabei und das ist auch gut so.
Also sieh zu, dass du immer ein gutes Gefühl hast. Das ist die Verantwortung,
die du trägst und du bist eine wichtige Schaltstelle in diesem ganzen Apparat.
Also so kann man es auch, Raymond, wie man dir heute gerne sagt,
so kann man es durchführen.
Verständlich machen, nicht so sagen, gut verkaufen. Und das wiederum ist sehr
wichtig für die Motivation,
wo man Ethik nicht als etwas Abstraktes, als eine normative Anforderung nur
transportiert, sondern wo man wirklich auch an der Intelligenz und an der Einsichtsfähigkeit
von Menschen ansetzt und sagt, hör mal Leute,
euer Job ist wichtig und was ihr tut oder nicht tut, das wird folgen.
Und wir alle müssen dafür gerade stehen, jeder Einzelne von uns.
Aber das Gute daran ist, es ist auch wirklich folgreich.
Wenn wir es gut machen, hat es gute Folgen und in den seltenen Fällen,
wo wir Fehler machen, da müssen wir bereit sein, dann auch unsererseits die
Konsequenzen zu tragen.
Sie haben sich auch mit der Verwaltung und dem Nationalsozialismus beschäftigt.
Und ohnehin stellen Sie heraus, dass eigentlich man eher von einer Kontinuität
von Verwaltungsstrukturen auch bei Systemwechsel, zumindest für die deutsche
Geschichte, sprechen muss.
Und wir haben ja auch herausgestellt, dass die zentrale Ursprünge der deutschen
Verwaltung eben aus vordemokratischen Zeiten stammen.
Welche Unterscheidung kann man trotzdem treffen? Was unterscheidet eine Verwaltung
innerhalb eines demokratischen Verfassungsstaates gegenüber einer in einer Diktatur zum Beispiel?
Ja, das wichtigste Unterscheidungsmerkmal ist gerade angesiedelt in dem Bereich
Verantwortung und Kontrolle.
Denn wenn ich weiß als Verwaltungsmensch, ich habe nicht mit negativen Folgen
für mich selbst zu rechnen,
wenn ich andere Menschen enteigne, nur deshalb,
weil sie vom Staat als Juden eingestuft wurden, Und vielleicht kann ich sogar
mit Beförderung rechnen, wenn ich diesen Job besonders emsig ausübe.
Dann ist genau das sozusagen der ethische Faktor, der hier eine Rolle spielt.
Und wir haben ja nun glücklicherweise auch einige wenige Fälle,
wo genau aus diesen ethischen Gründen dann die Beihilfe zu Deportation und Massenmord
von Verwaltungsangehörigen mindestens gebremst,
vielleicht sogar auch in seltenen Fällen sabotiert wurde.
Der wichtigste Unterschied zwischen demokratischen und undemokratischen Diktaturen
im Hinblick auf die Verwaltung eben tatsächlich die fehlende Kontrolle der von
Verwaltung betroffenen über die Verwaltung ist.
Es gibt in Diktaturen keine Verwaltungsgerichtsbarkeit. Es gibt auch nicht die
Möglichkeit Widerspruch einzulegen.
Es gibt nicht die Möglichkeit eine Dienstaufsichtsbeschwerde einzureichen.
Das sind alles Mittel, von denen wahrscheinlich im Laufe eines Erwachsenenlebens
nur die wenigsten von uns jemals gebraucht waren.
Aber es ist gut, dass es sie gibt, weil sie eben dafür sorgen,
allein als Mechanismen, die im Hintergrund stehen, dass die Verwaltung in dem
Wissen arbeitet, wir arbeiten hier nicht in einem kontrollfreien Raum.
Und ich habe gerade die Problemzone Staatshaftung angesprochen.
Das ist zum Beispiel eine Schwachstelle.
Das ist etwas, das sollte es eigentlich in einem verlässlich und kontrolliert
arbeitenden demokratischen Rechtsstaat nicht geben.
Die Tatsache, dass es kein Staatshaftungsrecht gibt.
Es gab einen Anlauf dazu, ein Staatshaftungsgesetz zu schaffen Anfang der 1980er Jahre.
Aber da konnten Bund und Länder sich nicht einigen. Damals schon nicht,
also in der alten westdeutschen Bundesrepublik.
Und diese Ansätze sind stecken geblieben. Und niemand hat die Motivation gehabt
unter den Politikerinnen und Politikern, diese Initiative wieder aufzugreifen.
Das heißt also, wir haben hier definitiv, abgesehen von dem Faktor,
den ich eben schon genannt habe, Nämlich wir haben keine unabhängige behördenmäßige
Kontrolle und Überwachung und Aufarbeitung von Fehlern, die in der Verwaltung
zum Teil mit schweren Folgen passieren,
haben wir gerade im Bereich der Staatshaftung hier ein erhebliches Defizit in Deutschland.
Um das nochmal zuzuspitzen, ist es aber schon so,
dass ganz egal in welchem politischen Kontext doch Verwaltungen sozusagen erstmal
eine Ähnlichkeit haben, also ganz viele von den wesentlichen Funktionen sind
irgendwie sozusagen normal, auch die Pathologien, die zum Beispiel Verwaltungen haben,
werden in der Diktatur genauso auftreten wie in der Demokratie.
Aber es ist dann dieser Kontext, den Sie eben erläutert haben,
der dann doch sozusagen für bestimmte Fälle,
zum Beispiel durch die Öffentlichkeit, durch bestimmte Formen von Kontrollmöglichkeiten,
auch des Einzelnen, das dann so ein bisschen verändern.
Aber es ist eben nicht so, dass man eigentlich ganz wesentlich auf so einer
Kernebene Verwaltung in der Demokratie und der Diktatur Oder wir sind ja auch
eingestiegen in der Monarchie, im Absolutismus.
Da ist doch eine Überschneidung oder wie könnte man das überhaupt fassen?
Das Wesentliche, man könnte jetzt mal
halb zynisch sagen, der wichtigste Wettbewerbsvorteil der Demokratie ist,
dass einfach die Wahrscheinlichkeit wesentlich höher ist als in Diktaturen,
dass Verwaltung einer kontinuierlichen Kontrolle und Überwachung ausgesetzt ist. Und das ist gut so.
Ich würde mir eine intelligentere Kontrolle und Aufsicht wünschen als die,
die wir derzeit erleben unter der Überschrift Bürokratieabbau.
Weil die eben, wie gesagt, nur auf ein ganz schmales Segment abzielt,
nämlich die Regelbindung der Verwaltung und die dadurch natürlich auftretenden
Überwälzungseffekte zu lassen von Bürgerinnen und Bürgern, aber vor allem Unternehmen.
Das ist ja auch eine sehr stark durch die Wirtschaft angetriebene Diskussion
aus völlig legitimen Gründen, aber sie ist eben einseitig.
Aber selbst diese kritische Diskussion, die hätten wir in nicht demokratischen Gründen.
Systemen eben nicht. Wir haben sie da ja auch nicht.
Wir haben ab und zu, das hatten wir übrigens auch im Nationalsozialismus.
Populistische Attacken auf die Bürokratie und die öffentliche Verwaltung.
Das ist insofern in Diktaturen durchaus vorhanden, aber das ist ja eben gerade
nicht eine irrationale Kontrolle, die auf Schwachstellen abzielt,
um diese Schwachstellen zu beseitigen,
sondern es ist Populismus in dem Sinne,
dass etwas, von dem man weiß, dass es als Pauschalkritik gut ankommt in der
Bevölkerung oder vielleicht auch, soweit sie noch existieren, nicht in den Medien.
Aber was jeder seriösen und differenzierten Auseinandersetzung mit den sachlichen
Gegebenheiten auch an der Verwaltung entwehrt.
Man kann sich aber sozusagen auch funktionale Äquivalente überlegen.
Also ich habe vor einer Weile mal einen Text gelesen, wie die Kommunistische
Partei in China gegen die Korruption auch in der Verwaltung vorgeht.
Und da hat das sozusagen eine ähnliche Funktion. Also auch dort geht es natürlich um Kontrolle.
Die sieht natürlich dann ganz anders aus als in der Demokratie. Man sieht auch,
dass manchmal durch diese Verquickung von Staat und Partei oder in dem Fall
von Verwaltung und Partei selbst sozusagen diese Korruptionsprobleme entstehen,
weil man eben nicht diese Kontrolle durch die Öffentlichkeit hat.
Aber trotzdem sind das auch Fälle, die man eigentlich so beschreiben kann.
Also in der Frage von wie funktioniert Kontrolle nur eben in einem ganz anderen
Fall und das wird man in dem Fall dazu sagen, empirisch schwierig zu erforschen,
weil das natürlich nicht gerne erforscht werden soll dort.
Ja, natürlich. Das ist eben das Wesen einer Diktatur, dass sie über ihre eigenen
Fehler ungern aufgeklärt wird.
Dass in Diktaturen Korruption endemisch ist, das wissen wir seit Jahrzehnten.
Das wissen wir seit den kommunistischen Diktaturen, auch zum Teil sogar aus der Nazi-Diktatur.
Das weist ja darauf hin, dass Diktaturen einen wesentlich größeren,
aber auch irrationaleren Aufwand treiben und treiben müssen bei der Bekämpfung von Korruption.
Deswegen haben wir diese wellenförmige Bewegung der Antikorruptionskampagnen.
Das arbeitet ein demokratischer Rechtsstaat gewissermaßen im Alltag ab.
Das passiert durch Widerspruchseinlegung, das passiert durch verwaltungsgerichtliche
Klagen, durch die Disziplinaraussicht, wenn erforderlich.
Das gibt es in Diktaturen in dieser Form, in dieser Regelmäßigkeit und der Kontrolle
durch eine kritische Öffentlichkeit eben nicht.
Und deswegen nehmen dann die Antikorruptionskampagnen diesen relativ aufgeregten,
hektischen und dramatischen Form an.
Aber es sind immer Palliativmittel.
Das heißt also, es kann gar nicht das Übel an der Wurzel gepackt werden,
weil das voraussetzen würde, dass es Kontrollmechanismen gibt,
die letzten Endes mit dem Herrschaftsanspruch der Diktatoren selbst nicht zu vereinbaren sind.
Die USA in der Gegenwart unter der zweiten Trump-Präsidentschaft bieten uns
jetzt nochmal auch ein ganz schlimmes,
aber auch gleichzeitig aufschlussreiches Anschauungsmaterial,
was es bedeutet, wenn Regierungen mit sehr starken und disruptiven Mitteln auch
versuchen auf die Verwaltung Einfluss auszuüben.
Und gleichzeitig auch aus einem Geiste einer, wie auch immer.
Teilweise rechts, teilweise libertär orientierten Staatskritik heraus vielleicht versuchen,
ja auch die Verwaltung und den Staat insgesamt in einer Weise auch abzubauen,
aber eben auf eine scheinbar planlose oder irgendwie aggressiv disruptive Art und Weise.
Wie stellen sich solche Vorgänge für Sie als Verwaltungswissenschaftler dar?
Ist das was, was man länger nicht gesehen hat in demokratischen Ländern oder
ist das eher vielleicht auch nur eine Phase?
Lässt sich das irgendwie historisch einordnen? Und welche Wirkung entfaltet
das eigentlich auf die amerikanische Verwaltung,
die ja ebenso wie die Verwaltung in anderen Ländern auch existenzielle Funktionen
erfüllt und eigentlich für das zivile Zusammenleben auch zentrale Rollen eben ausfüllt?
Können Sie das einordnen, auch wenn das jetzt natürlich nicht unmittelbar Ihr
Forschungsschwerpunkt ist?
Ja, es ist jedenfalls regional, nicht mein Ausschussschwerpunkt.
Das ist richtig, aber die letzte Frage lässt sich leider eindeutig beantworten.
Es wird für die amerikanische öffentliche Verwaltung desaströse Wirkung.
Und es gibt auch keinen historischen Vorläufer hierfür. Auch das muss man feststellen.
Jedenfalls nicht im demokratischen System. Das ist das eigentliche historische
Novo, kann ich dir sagen.
Entwicklung, dass wir es hier mit einer demokratisch gewählten Regierung zu
tun haben, die die Neuerung gemacht,
dazu nutzt sowohl die Integrität, das heißt die Unabhängigkeit und die unabhängige Ausübung der.
Fachkunde und der an Fachgebundenen Verwaltungstätigkeit infrage stellt,
als eben auch als auch die.
Die Diskreditierung von wissensbasierten Handeln im Staat generell.
Also es geht ja nicht nur darum, einzelne Verwaltungszweige zu kritisieren,
die vielleicht in der einen oder anderen Form dysfunktional sind und das in
der einen oder anderen Form erfahrungsgemäß auch irgendwann sein werden,
sondern hier haben wir es zu tun mit einem buchstäblich einen Generalangriff
auf das, was Amerikaner ja den Administrative State, der zunächst auch mal bereits
im Wahlkampf diskreditiert wurde als Deep State,
ein Begriff, den wir übrigens ursprünglich aus der Türkei kennen,
wo Erdogan mit demselben Argument seine populistische Agenda entwickelt hat, mit dem generellen,
Im populistischen Vorhalt gegenüber dem Staatsapparat, dass das alles obskur sein sei.
Dass Fachaufgaben ja politisiert sein und gar nicht mehr unabhängig wahrgenommen
würden, dass man deswegen durchgreifen müsse und so weiter.
Aber das, was Trump mit seinem Body,
also Berater, wie es vorhin heißt, Elon Musk, wofür und dafür gibt es eigentlich
nach meinem Nachdenken und meinem historischen Überblick eine Parallele nur.
Aber das ist keine aus einem demokratischen System, das ist die Parallel des Stalinismus.
Ja, unter Stalin buchstäblich auch unter seiner persönlichen Diktatur,
war es tatsächlich so, dass bis hin in die Wissenschaft, bis in die letzten
Zweige der Biologie oder der Physik verordnet wurde, was wahr zu sein hatte.
Oder dass die Eigengesetzlichkeit der Landwirtschaft schlicht ignoriert wurde.
Also was man heute als Denialism bezeichnen würde, mit der Folge einer großen
Hungersnot, vor allem in den Jahren 1932 und 1933,
oder die Säuberung des Militärs endet in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre mit der Folge,
dass Hitler glaubte, diese Sowjetunion, die dann auch militärische Misserfolge
durch den eigenen Angriff auf Finnland 1939 hinzunehmen hatte,
die würde man innerhalb von drei Wochen ähnlich besiegen, wie man das mit Frankreich
ja schließlich auch zustande gebracht hatte.
Eine Großmacht, die man für den eigentlich militärischen Gegner auf dem Kontinent gehalten hatte.
Also das war zurückzuführen auf die Personalkapie,
Was man Decapitation of Action nennt würde, die Enthauptung der militärischen
Führung durch Stalin und die daraus resultierende Wahrnehmung Hitlers.
Mit dem werden wir es schon aufnehmen können.
Also man sieht, das ist etwas, was wir durchaus kennen.
Also die massive Attacke auf Expertentum, auf Fachwissen, auf Professionalität,
flächendeckend, je nach politischen Bedürfnissen.
Aber es wird eben auch in diesem Fall aller Voraussicht nach desastrelle Folgen
haben wie in den USA und offentlich welche, die sich nicht wirklich auch zu
einer globalen Katastrophe auswachsen.
Insbesondere dann, wenn man an den militärischen Bereich denkt und an die Versuchungen
eben auch einer Atommacht, Missbrauch auch in dieser Hinsicht zu betreiben.
Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, aber wir müssen ja auch zur Kenntnis nehmen,
dass Donald Trump und Elon Musk auch ihre Hand an die Nachrichtendienste und
an die halbwegs objektive und nüchterne Übermittlung von sicherheitsrelevanten Informationen legen.
Das heißt also auch die CIA wird einen massiven Personalabbau hinzunehmen haben,
genauso wie das FBI und daraus erwachsen Sicherheitsgefahren für die USA.
Auf die ist dann ihrerseits ja wieder auch irrationale Reaktion,
gerade unter diesem Präsidenten.
Würde man insgesamt aber schon vorhersagen können, dass die Leistungsfähigkeit
aufs Ganze, die staatliche Leistungsfähigkeit aufs Ganze genommen,
dass die notwendigerweise abnehmen muss, wenn eben für dieses meritokratische
Prinzip in der Verwaltung, was sie ja auch eingangs als absolut grundlegend
sozusagen der modernen Verwaltung genannt haben, wenn dieses meritokratische
Prinzip relativiert wird.
Und so dass das Expertentum, was letzten Endes ja auch die Macht sozusagen im 20.
Jahrhundert der USA aufgebaut hat, dass das notwendigerweise bröckelt und langfristig
vielleicht nicht Selbstsabotage, weil es bleibt ja die Macht natürlich erhalten,
aber eben nicht mehr in der Form schon eine Selbstsabotage stattfindet.
Ja, also ich bin genau zu sagen, selbstverständlich wird das genau diese Folgen haben,
wenn man das Fachwissen einer Verwaltung mutwillig entwertet und auch zerstört
in weiten Bereichen. Dann hat das Folgen.
Das gilt für die Umweltverwaltung, das gilt für die Gesundheitsverwaltung,
gilt auch für die Forstverwaltung oder die Finanzverwaltung.
Donald Trump attackiert ja auch die oberste Steuerbehörde. Der USA setzt sich
unter Druck, damit sie bestimmten Organisationen wie zum Beispiel Universitäten
die Steuerbefreiung entzieht.
Es geht bis hin zum Katastrophenschutz oder der Wasserverwaltung,
also scheinbar banale Dinge, die aber einen enormen und unmittelbaren Einfluss
auf die Wohnsituation und die Lebensumstände der Bevölkerung haben.
All das nimmt man mindestens sehenden Auges in Kauf, wenn man mit der sprichwörtlichen
Kettensäge den Personalbestand der öffentlichen Verwaltung, also mit anderen
Worten ohne Rücksicht auf Verluste,
reduziert, blindwütig und unter zur Schau gestellter Verachtung von der Fachkunde,
von ganzen Verwaltungszweigen.
Dann sagen wir Wolfgang Seibel, vielen Dank für das Gespräch.
Danke Ihnen für die Gelegenheit.
Das war die 102. Folge von Das Neue Berlin. Vielen Dank auch euch,
liebe Zuhörer, fürs Zuhören.
Schaltet auch beim nächsten Mal wieder ein. Empfehlt uns weiter das Übliche.
Und macht's gut bis zum nächsten Mal. Tschüss.
Tschüss.