Ja, selten. Deshalb, weil in einem Land wie Deutschland, aber es gilt auch international
für alle demokratischen Rechtsstaaten mit professionellen öffentlichen Verwaltungen,
Extremversagen mit extremen Konsequenzen in dem Sinne, dass auch wirklich Menschen
dabei zu Schaden kommen, nun einmal glücklicherweise auch extrem selten. sind.
Aber das bedeutet ja nun nicht, dass wir das vernachlässigen können.
Also mein Standardvergleich ist die Flugindustrie und das Fliegen überhaupt.
Flugunfälle, Flugzeugabstürze sind extrem selten, aber niemand würde auf die
Idee kommen zu sagen, naja Gott, es sind ja nur ein paar Fälle pro Jahr und
viel, viel weniger weltweit Tote, als wir allein in Deutschland im Straßenverkehr
haben, bauen da ein großes Fass auf.
Also nichts wird so gründlich untersucht im technischen Bereich wie ein Flugzeugunfall.
Das ist in allen Ländern der Welt der Fall, die eigene Fluggesellschaften haben,
unabhängig davon, ob die demokratisch sind oder nicht.
Weil das eben im öffentlichen Bewusstsein eben so fest verwurzelt ist,
dass man genau wissen möchte, woran hat es denn eigentlich gelegen?
Und das macht man natürlich nicht dem Einzelfall zuliebe.
Das macht man vielleicht auch noch nicht in erster Linie, weil die Angehörigen
oder Überlebenden gerne wissen möchten, warum musste jemand sterben,
der mir nahe stand, sondern macht es im Interesse der Prävention.
Und so ist das eben auch, wenn wir eine Großveranstaltung haben,
das Fanal ist ja in Deutschland die Loveberry-Katastrophe in Duisburg,
da sterben 21 Menschen und dann will man natürlich wissen, ja wie konnte das
passieren in einem Land wie Deutschland.
Nebisverfahren für so etwas, wir haben Sicherheitsvorschriften und so weiter.
Wie konnte das passieren? Also es ist auf der einen Seite schlicht Neugier natürlich,
wenn man das mit extrem seltenen, aber schwerwiegenden Fällen zu tun hat.
Oder wie kann das passieren, dass ein Gebäude einstürzt.
Also wir hatten in Bresden einen Brückeneinsturz, aber wir haben auch in anderen
hochentwickelten Ländern, Neuseeland oder USA oder Italien, stürzen auf eine
Brücke ein. Dann fragt man sich ja auch, wie kann das passieren?
Und das sind keine Bagatellen, das sind extrem seltene Fälle.
Deswegen sind wir ja so verblüfft und erstaunt. Aber dann will man natürlich
umso genauer wissen, Wie konnte das passieren?
Und das will man wissen, um zu verhindern, dass es nochmal passiert.
Mit anderen Worten, man braucht generalisierbares Wissen, sonst könnte man ja
keine Prävention machen.
Und das ist das, was mich meiner Forschung tatsächlich auch interessiert und
was ich oder meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam mit mir festgestellt haben.
Es sind zwei oder drei zentrale Gründe, die man immer im Auge haben muss.
Das eine sind tatsächlich kognitive Mängel.
Das heißt also, man macht sich nicht klar, was auf dem Spiel steht,
weder strukturell noch in dem Blick auf bestimmte Situationen.
Wenn ich eine Genehmigung erteile, wie seinerzeit für The Love Parade.
Für angeblich eine Million Besucher, die erwartet wurden und die eigene Verwaltung,
die eigene Genehmigungsbehörde, die sagt mir,
ja, also mehr als 180 Leute passen da gar nicht drauf, jedenfalls dann,
wenn wir die Vorschriften einhalten wollen und ich genehme die Verwaltung,
ich genehme die Veranstaltung trotzdem, dann sollte ich wissen, was ich tue.
Nämlich ich setze das Leben vom Menschen aufs Spiel. Das ist sozusagen.
Das hat etwas mit Verantwortungsbewusstsein, mit Verantwortungsfähigkeit und
auch schlichter, manchmal vielleicht auch einfach Zivilcourage etwas zu tun.
Jedenfalls dann, wenn ich das gegen starken politischen Druck dann durchhalten
muss, eine solche Verweigerung einer Veranstaltungsgenehmigung.
Also es gibt eben gegen A30, das ist ein zweiter wichtiger Faktor.
Ich kann etwas wissen, also ich kann mir eines Risikos bewusst sein.
Aber dann gibt es meinetwegen jemanden, der möchte eine Baugenehmigung haben,
obwohl die Statikberechnung noch gar nicht vorliegt.
Und ich bin der Bauingenieur, der das zuständige Baurechtsamt leitet.
Und dann kommt der Ingenieur zu mir und sagt, ja, also wenn wir jetzt die Genehmigung
nicht kriegen, dann müssen wir konventionell Schlauung bezahlen,
dann verzögert sich unter Anständen der ganze Bau.
Wir haben ohnehin nie in diesem Land ein Problem mit langen Planungs- und Bauzeiten und so weiter.
Also könnt ihr nicht mal ein Auge zudrücken. Und dann wird die Baugenehmigung erteilt.
Das ist kein fiktiver Fall, der hat sich zwar nicht in Deutschland ereignet,
sondern in Neuseeland mit der Folge, dass nach einem Erdbeben in Christchurch,
Neuseeland, im Jahr 2011 ein Gebäude eingestürzt ist,
weil eben genau die Statikberechnung, die ursprünglich fehlte,
sich im Nachhinein als fehlerhaft erwies.
Wir hatten einen ähnlichen Fall in Deutschland in Bad Reichenhall,
wo 15 Menschen gestorben sind in einer Eichsportale, wo das Dach einstürzte.
Das waren zwölf Kinder und drei die Kinder begleitende Mütter.
Was ein wichtiger Faktor ist, der Grundlage,
klegender Natur ist, gerade in Deutschland. Für solche seltenen,
aber dann schwerwiegenden Fälle von Behördenversagen, das ist eine unzureichende Fehlerkultur.
Das ist mittlerweile fast ein Modewort geworden.
Aber Fehlerkultur bedeutet, dass ich Fehler als solche ernst nehme.
So wie das übrigens bei dem Betrieb von Flugfliegen auch getan wird.
Also Piloten führen ein Buch und müssen ein Logbuch führen über jede noch so
scheinbar unwesentliche Erscheinung, die irregulär ist im Flugbetrieb selbst,
wenn die gar keine Folgen hatte.
Und wir wissen, kennen das ja alle aus den Nachrichten, es gibt die Blackbox,
es gibt den Stimmrekorder und so weiter, nur aus dem Grund, um rekonstruieren
zu können, welche Fehler können passieren und um Vorsorge treffen zu können.
Diese Fehlerkultur haben wir in Deutschland in der öffentlichen Verwaltung nicht
und das ist ein schweres strukturelles Versagen,
denn wir haben keine regelmäßige Aufklärung über den Grund, solcher Behördenfehler
mit schwerwiegenden Folgen.
So wie wir das in anderen Ländern, ich nenne mal das positive Gegenbeispiel
Niederlande, haben, wo es eine eigene Behörde gibt,
die, wenn auch nur der Anfangsverdacht besteht, dass Behördenfehler dazu geführt
haben können, dass Menschen zu Schaden gekommen sind, unabhängig davon,
ob da Menschen gestorben sind oder in Anführungsstrichen nur verletzt wurden.
Die diese Fälle aufklärt, minutiös aufklärt, von Bränden bis Zubrücken,
Entstürzungen oder schweren Verkehrsunfällen und dergleichen.
So etwas haben wir in Deutschland nicht.
Das ist ein schwerer Mangel, wie ich auch seit langem schon behaupte.
Aber das ist etwas, woran man natürlich etwas machen könnte,
wenn man die politische Entschlusskraft dazu hätte.