Ja, also als ich angefangen habe für das Buch zu recherchieren,
ist mir aufgefallen, also wenig überraschend, dass quasi sämtliche Literatur,
die es zu dem Thema gibt, zur Publikumsliteratur, alles so in den Bereich Konsumkritik fällt.
Der Begriff war mir zu dem Zeitpunkt gar nicht, hatte ich gar nicht auf dem
Schirm. Was ich auf dem Schirm hatte, war Warenkunde.
Ich dachte gar nicht an, ich muss die Leute jetzt dafür kritisieren,
dass sie so einen Müll kaufen oder ich muss quasi den Zwang,
etwas Neues kaufen zu müssen, kritisieren, sondern ich wollte mich eigentlich
an den Dingen entlang handeln.
Also ich wollte wissen, warum ist der Herd so?
Warum ist die Klimaanlage im Auto so? Warum ist der Duschschlauch so?
Und das hängt vielleicht damit zusammen, dass ich, also das wurde mir dann mal
irgendjemand so reininterpretiert, ich hatte den Gedanken gar nicht,
aber dass ich über Objekte promoviert habe.
Aber ich habe über objektorientierte Ontologie promoviert, wo man versucht,
die Dinge ernst zu nehmen.
Also es ist ein Zweig der zeitgenössischen Philosophie,
die sich halt ganz oberflächlich gesprochen für Dinge und unbelebte Dinge und
komplexe zusammengesetzte Dinge interessiert und deren Innenleben.
Also eine Philosophie, die nicht nur über das Sein und die Zeit und das Wesen der Welt redet,
sondern die sich interessiert für Styroporbecher und Plastikflaschen.
Und das, was dann irgendwann das Anthropozän genannt wurde,
wo wir quasi ganze geologische Epochen benennen nach den Hinterlassenschaften unserer Zivilisation.
So, und...
Ich wollte ausgehen von den Dingen und ich wollte wissen, warum die Dinge so
sind, wie sie sind und ich wollte wissen, warum der Herd so ist.
Und dann kommt man natürlich irgendwann an den Punkt, dass es Gründe gibt dafür
und dass es Incentives gibt und dass die Dinge nicht grundlos schlechter werden. und.
Man kommt dann an, also ich kam über diese Warenkunde dahin,
weil ich erst ganz naiv dachte,
naja, wenn wir das Wissen um diese Produkte und wie man die Qualität von Waren
des täglichen Lebens beurteilen kann, wenn wir dieses Wissen irgendwie mehr
unter die Leute bringen,
dann würden die auch weniger komische Sachen kaufen und würden die nicht nach
so merkwürdigen Kriterien beurteilen, sondern nach Kriterien,
die nützlich sind, die hilfreich sind.
Und es gab diese Bemühungen ja alle schon.
Es gibt ja diese Disziplin der Warenkunde.
Und es gab diese Bemühungen auch schon im großen Stil, der quasi einer Volkserziehung,
wenn man so will, so in der Weimarer Republik,
wo der Werkbund versucht hat, dieses Wissen über Waren, wie sie entstehen und
woran man ihre Qualität bemisst, unter die Leute zu bringen.
Das ist ja quasi komplett verschwunden.
Und ich kam eigentlich über diese bisschen naive.
Herangehensweise an dann natürlich irgendwann auch das Konsumverhalten,
also warum kaufen wir diese Dinge, warum denken wir, dass wir diese Dinge kaufen müssen und,
Dann kommt man sonst läufig auf die Frage, wer ist denn eigentlich schuld da
dran und wem schieben wir jetzt die Schuld in die Schuhe,
weil das ist ja auch sehr, also es ist ja Bestandteil dieses Diskurses,
ja, also ist der Konsument schuld, weil er diesen ganzen Mist kauft,
ist die Industrie schuld, weil sie diesen ganzen Mist produziert, ist die Politik schuld,
weil sie nicht verhindert, dass dieser Mist produziert wird und so weiter.
Und es ist ein riesiger Verkrempelungszusammenhang, in dem alle munter mitmachen.
Und diese sehr unangenehme und auch nicht so überraschende Pointe zieht sich
natürlich auch durch das Buch, weil ich natürlich nicht von der Kanzel herunter
erklären möchte, ja, kauft bitte nur teure, gute Sachen.
Weil ich ja selber weiß, wie mein eigenes Einkaufsverhalten ist und wie man
dann doch am Ende bei Amazon irgendwas bestellt, weil man nicht quer durch die
Stadt fahren möchte, um irgendwas zu kaufen, was es früher in einem kleinen
Laden um die Ecke gab. Der Laden ist aber verschwunden.
Und jetzt muss man für die absurdesten Sachen in den E-Commerce gehen.
Es gab Phasen in meinem Leben, wo ich keine Drogerie und keine so Kurzwaren, hieß das früher.
Und das hieß schon früher so, als ich noch klein war. Da habe ich meine Mutter
gefragt, was sind Kurzfahren?
Also so Geschäfte, wo man sich Nadel und Faden kaufen kann oder Schipp und Besen oder Handfeger.
Es gab Phasen in meinem Leben, ich habe lange Zeit in Frankfurt am Main gewohnt
und dann in Berlin, in Prenzlauer Berg.
Und ich hatte solche Geschäfte nicht in Laufweite.
Also ich konnte diese Dinge nicht mehr kaufen, ohne quasi in die U-Bahn steigen
zu müssen, mehrere Stationen fahren, um in ein Warenhaus zu gehen, was es noch gab.
Damals im Kaufhof am Alexanderplatz, um zum Beispiel einen kleinen Mülleimer
zu kaufen oder sowas. Und dann verschwand der aber auch.
Also die Haushaltswarenabteilung verschwand daraus, weil es alles komplett vom
E-Commerce gekillt wurde und man solche Sachen,
also Dinge des täglichen Lebens, dann online kaufen musste. Das gibt jetzt zum
Glück eine Gegenbewegung.
Es gibt wieder mehr Geschäfte, die sowas verkaufen. Das ist auch alles gut.
Aber dann lernt man halt, was mit einem passiert, wenn man online kauft und
das Produkt der Eigenschaften haben, die man erst bemerkt, wenn sie weg sind, also wenn sie fehlen.
Und dann hat man ein Produkt gekauft, das irgendeine bestimmte Eigenschaft,
von der man annahm, dass es sie haben müsste, nicht hat.
Aber dann liegt das Produkt schon zu Hause und man hat es bestellt und hat Tage
darauf gewartet und will es nicht zurückschicken, weil es ein Riesenaufwand ist. Und.
Dann ist man plötzlich umgeben von Sachen, die man nie gekauft hätte,
wenn man sie im stationären Handel in der Hand gehabt hätte.
Also Beispiele sind ganz triviale Sachen.
Fusselige Brillenputztücher.
Wo die Brille dann hinterher voller Fussel ist, wenn man die damit vereimigt hat.
Oder Netzteile, die brummen, wenn man den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt und alles summt und brummt.
Es gibt Leute, die sind davon sehr genervt, ich gehöre dazu.
Manche hören das gar nicht, die können sich sehr glücklich schätzen.
Dinge mit erstaunlich klebrigen Oberflächen, also so Soft-Touch-Plastik,
der mit der Zeit immer klebriger wird, auch eine große Mode bei so Elektro-Kleingeräten,
oder Dinge, die das falsche Gewicht haben, zum Beispiel der Fuß des Wasserkochers.
Man würde erwarten, dass das Ding ein halbwegs ein Gewicht hat,
aber mittlerweile sind die Dinge so leicht, dass die halt wegrutschen,
wenn man versucht, den Wasserkocher wieder draufzustellen und man nicht genau hinguckt.
So, und da gibt es tausend Beispiele. Eins davon im Buch ist der beidseitige
Drehwirbel beim Duschschlauch.
Das sind so kleine Centwerte, Teile am Ende des Duschschlauchs,
die machen, dass der sich mitdreht, wenn man sich duscht.
Dass der quasi nicht eine Orientierung hat, in die der irgendwie immer zurückzerrt,
sondern dass der sich einfach mitbewegt.
Kein Mensch kennt diese Dinge, weil die jahrzehntelang einfach normal waren im Duschschlauch.
Leute, die angefangen haben zu duschen in den 80er Jahren, in den 90er Jahren,
die kennen das gar nicht anders. bis dann irgendwann die Hersteller gemerkt
haben, okay, wir können diese Dinge auch weglassen.
Dann nervt es zwar kolossal, aber dann bieten wir halt einen separaten Duschschlauch,
einen teureren Duschschlauch an, der die beidseitigen Drehwirbel wieder drin hat.
Die machen wir dann 10 Euro teurer, kostet dann nicht mehr 10 Euro, sondern 20 Euro.
Und damit der Kunde versteht, dass er da was Besseres kauft,
geben wir dieser Produkteigenschaft, die man früher für selbstverständlich gehalten hat, einen Namen.
Diese Produkteigenschaft heißt jetzt Twist-Free.
Ich wünsche mir das ausdenken, aber das ist tatsächlich so.
Und wenn du einen Twist-Free, also
einen verdrehfreien Duschschlauch haben möchtest, musst du draufzahlen.
Die Marge, die sich dadurch ergibt, ist natürlich sensationell,
weil wir von einem Teil sprechen, das praktisch keinen Wert hat.
Das sind wirklich keine Centbeträge.
Aber das rechtfertigt einen Aufpreis von locker 100 Prozent gegenüber dem vorigen Duschschlag.
Da gibt es natürlich Incentives. Also warum macht ein Hersteller das?
Klar, natürlich will er Geld verdienen, logisch.
Aber das hat natürlich was damit zu tun, wer das Sagen hat in diesen Herstellungen.
In diesen Unternehmen. Und da kommt dann das ganze Fass mit Private Equity und
Beteiligungsgesellschaften, die Unternehmen übernehmen,
die dann sehr auf Effizienz trimmen, Kosten runter, die Gewinne rauf,
weil man natürlich das Geld, was man da reingesteckt hat,
gerne auch mit Rendite wiederhaben möchte.