Transkript von Episode : Die Entdemokratisierung der Staatsfinanzen – mit Sebastian Huhnholz

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Wenn Sondervermögen und die Bilanzierung von Sondervermögen im Anhang eines
jährlichen Haushaltsberichtes untergebracht werden,
könnt ihr eigentlich vergessen, dass es darüber gute, ordentliche journalistische
Berichterstattung gibt.
Es wird keine einzige Talkshow darüber geben.
Die dafür kompetenten Finanzpolitikerinnen und Finanzpolitiker verlassen nicht
zufällig seit Jahren die politischen Parteien. Die politischen Parteien binden
die in die Hierarchiestrukturen überhaupt nicht mehr ein.
Diese Leute haben keine Aussicht auf politische Karriere.
Also die Kompetenz verlässt das Parlament, ja, oder wandert in die Ausschüsse und ähnliches mehr.
Und da beobachten wir sehr, sehr viel an Umschichtung, eben an Transformation.
Und hier wird einfach Macht über die fiskalischen Belange des Staates verlagert.
Hallo und herzlich willkommen zur 104. Folge von Das Neue Berlin.
Mein Name ist Jan Wetzel.
Ich bin Leo Schwarz.
Und gemeinsam versuchen wir hier, wie immer, Gegenwart und Gesellschaft zu verstehen.
Betrachtet man die jüngsten politischen Umbrüche hierzulande,
zeigt sich ein gemeinsamer Nenner.
Sowohl das Ende der letzten Regierung als auch das Zustandekommen der Neuen
gingen auf Geldfragen zurück.
Die Ampel, wie man sie etwas salopp genannt hat, beendete der Kanzler wegen
der Schuldenbremse und dann durch Entlassung des Finanzministers.
Und ihre Nachfolgerin, die aktuelle Regierung, entstand durch eine in letzter
Minute mit alten Mehrheiten beschlossene gewaltige Verschuldung.
Unser heutiger Gast sieht darin mehr als politische Zufälle,
nämlich eine grundlegende Transformation der öffentlichen Finanzen, sieht er dahinter.
Angesichts enormer Ausgabenbedarfe einerseits und Schwierigkeiten,
Geld und Mehrheiten zu organisieren, andererseits verändert sich seiner Ansicht
nach die Finanzstruktur auf bedenkliche Weise.
Schuldenregeln und Sondervermögen verschieben die Finanzmacht hin zum Verfassungsgericht.
Der politische Spielraum schrumpft und wo große Investitionen am Parlament vorbei
erfolgen, findet Entdemokratisierung statt.
Wir haben heute zu Gast Sebastian Hudenholz. Er ist Politikwissenschaftler und
derzeit Gastprofessor am OSI der FU Berlin.
Er ist auch Teil von dem Team von Theorieblog.de. und erforscht seit Jahren
zu Staatsfinanzen, hat zuletzt auch ein Leviathan-Sonderband zu politischen
Theorien öffentlicher Finanzen mit herausgegeben. Hallo Sebastian.
Hallo, herzlichen Dank, dass ich da sein darf. Ich freue mich.
Danke, dass ihr das organisiert.
Du sprichst in deinen Texten viel von der Finanzverfassung, ganz konkret natürlich
dann von der deutschen Finanzverfassung.
Was meinst du damit? Was ist der Unterschied auch zur Finanzpolitik?
Vielleicht kannst du diese sehr grundlegenden Fragen zu Anfang vielleicht ein
bisschen andeuten, was damit gemeint ist.
Ja, das kann ich gerne versuchen. Lass mich vielleicht drei Unterscheidungen machen.
Ich versuche das in aller Kürze erstmal so ganz technisch gesprochen.
Meint Finanzverfassung ja eigentlich ein Rechtsterminus und beschreibt dann alle Ebenen,
die auf die Verfassungsordnung abzielen, also verfassungsrechtlich und auch
technisch geregelt sind.
Also konkret ist dann im Grundgesetz eben die Finanzverfassung oder die so bezeichnete
Finanzverfassung der Abschnitt über das Finanzwesen im Grundgesetz.
Also Artikel, wen es genauer interessiert, 104a bis 115 des Grundgesetzes.
Da werden also beispielsweise geregelt, welches Aufkommen mit welchen Zuständigkeiten
vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen eigentlich stadthaft sind,
wer welche Gesetzgebungskompetenzen hat,
wie die Einnahmen auf die entsprechenden Institutionen verteilt werden.
Sowas wie Länderfinanzausgleich haben auch schon mal alle was davon gehört, ist dort geregelt.
Angaben zur Finanzverwaltung werden gemacht, aber dann auch das schon Angesprochene, die Ausnahmen.
Also Schuldenbremse wird mit aufgerufen, teilweise die Sondervermögen und anderes mehr.
Daneben stehen dann sozusagen noch die Ausnahmen.
In der Verfassung nicht im Einzelnen geregelten Ausführungsbestimmungen,
also Bundeshaushaltsordnung, also die Vorgaben, wie genau ein Bundeshaushalt
zustande kommen muss, wer wie rechenschaftspflichtig ist.
Und dann noch der gesamte Gesetzeskatalog, welche Einnahmeformen eigentlich warum statthaft sind.
Das ist dann die sogenannte Abgabenordnung. Also das ist gewissermaßen erst
mal die rein formale Antwort.
Und neben dem Verfassungstext, wenn man so will,
gibt es da ja eine Reihe von Verbindungen drin, beispielsweise selbstverständlich
eine Grundrechtsbindung der Finanzverfassung, also meinetwegen insbesondere
der Privateigentumsschutz, die Berufsfreiheit und so weiter.
Die dürfen von der Finanzverfassung oder von den Einnahmen und Abgaben an den
Staat nicht tangiert, also nicht verletzt werden.
Dann gibt es supranationale Zusammenhänge, also Einbindungen in ein Geflecht
der Europäischen Union und anderes mehr. Das wäre erstmal so die technische Antwort.
Zweitens würde ich sagen, das ist ziemlich wichtig, vielleicht auch am Einstieg dieses Gesprächs.
Wir müssen die Finanzverfassung, jedenfalls in dieser technischen Form,
unterscheiden von den sogenannten parafiskalischen Abgabesystemen.
Das meint runtergebrochen die Sozialversicherungsträger.
Ja, die werden über Beiträge, Abgaben etc. finanziert und.
Also von der Arbeitslosenversicherung bis zur Rentenversicherung.
Und diese Töpfe, wenn man so will,
stehen dem Haushaltsgesetzgeber, also insbesondere dem Parlament,
dem Bundestag, nicht nach Belieben zur Verfügung, sondern begründen Anspruchs-
und auch Eigentumsrechte derjenigen, die diese Beiträge eben bezahlt haben.
Ich sage das gleich am Beginn so ausdrücklich, wenn auch knapp,
weil es wichtig ist, diesen Bereich der Staatsfinanzen im engeren Sinne der
Finanzverfassung von den Solidarversicherungssystemen zu trennen.
Denn in der vergleichenden Forschung, in der vergleichenden politischen Ökonomie
wird um der Vergleichbarkeit willen mit anderen Ländern gerne mal alles in einen Topf geworfen.
Und dabei wird dann gewöhnlich ignoriert, dass es doch mit sehr unterschiedlichen
Legitimierungen und Anforderungen verbunden ist, worüber man spricht.
Da können wir vielleicht später noch was dazu sagen.
Und dann dritter Punkt, jetzt weniger technisch gesprochen und weniger so ganz praktisch.
Ich bin ja kein Finanzpolitik-Experte, ich bin kein politischer Ökonom,
ich bin kein Finanzverfassungsrechtler, sondern ich komme auch kein Finanzwissenschaftler im Übrigen.
Ich komme eigentlich aus diesem etwas größeren Bereich innerhalb der Politikwissenschaften,
den wir als politische Theorie und Ideengeschichte bezeichnen.
Und in diesem Bereich habe ich mich in den letzten Jahren so etwas spezialisiert auf die Frage,
wie eigentlich Klassikerinnen und Klassiker des politischen Denkens,
sagen wir, von Platon und Aristoteles angefangen über Thomas Hobbes,
John Locke, John Stuart Mill.
Rousseau bis hin eben zu Jüngeren, Max Weber, Schumpeter, Hannah Arendt,
meinetwegen noch Habermas und so weiter.
Wie die sich eigentlich Gedanken über den Zusammenhang von Staatsformen,
Verfassungsformen und Finanzierungsformen, also Finanzverfassung machen.
Und da schaue ich halt in erster Linie auf,
auf die politiktheoretischen Zusammenhänge, die mich dann interessieren und
würde sagen, da kommt so ein etwas abstrakterer, demokratietheoretisch gedachter
oder jedenfalls gemeinter Verfassungsbegriff ins Spiel,
der sich stärker die Frage stellt, wie hängen eigentlich demokratische Verfassungen,
Herrschaftsverfassungen, Möglichkeiten auf die einzuwirken mit den je spezifischen
Formen der Finanzierung zusammen.
Denn die Klassikerinnen und Klassiker haben sich allesamt natürlich über die
Frage Gedanken gemacht, wie Vermögen und Leistungsfähigkeiten,
ökonomisches Kapital in einer Gesellschaft verteilt ist und was das für Möglichkeiten
und für Begrenzungen für die Herrschaftsverfassung hat.
Und in diesem erweiterten Sinne würde ich teilweise eben auch den Begriff der
Finanzverfassung noch packen wollen, würde also auch in unserem Gespräch jeweils
angeben, was ich jetzt eigentlich gerade meine.
Einen konkreten Verfassungsbegriff, insbesondere der Bundesrepublik Deutschland
oder eben so einen abstrakteren demokratietheoretisch interessanten.
Das vielleicht erstmal als Einstieg.
Zum Zusammenhang mit der Finanzpolitik sollten wir uns vielleicht so Schritt
für Schritt vorrobben, damit ich nicht gleich am Beginn jetzt fünf Minuten loslabere.
Ich hätte trotzdem nochmal eine nerdige Differenzierungsfrage nochmal. Also...
Es ist ja so, dass die Rechtswissenschaft ist ja auch irgendwie eine Art von
dogmatischer Wissenschaft.
Also da wird dann irgendwie beschrieben, wie das sein soll und wie das dann
in der Verfassung auch steht. Und du hast das jetzt so formal beschrieben.
Also was steht in der Verfassung konkret?
Man könnte aber trotzdem noch mal sagen oder vermuten, es gibt dann trotzdem
noch mal eine Abweichung zwischen dem, was in der Verfassung steht und was juristisch
sozusagen kodifiziert ist und dem, wie es dann institutionell,
empirisch eigentlich läuft.
Man könnte ja auch sagen, das ist nur eine Selbstbeschreibung oder so und letzten
Endes läuft das alles ganz anders oder da herrschen dann ganz andere Mechanismen
und Machtverhältnisse. Aber das ist in dem Fall jetzt nicht so stark die Diskrepanz,
dass man das stark machen muss.
Also es verläuft schon derart verfassungsgemäß, dass wir sagen können,
wir leben auch empirisch in dieser Art von Verfassung, in dieser Art von Steuersystem,
wie das in der Verfassung vorgesehen ist.
Na, da wäre ich zurückhaltender. Das ist natürlich eine tolle Frage,
weil sie direkt in den Kern wenigstens meines Interesses reinzielt.
Aber da würde ich mit der gebotenen Zurückhaltung sagen,
der Verfassungsrahmen inklusive der schon beschriebenen Erweiterung,
also auch dem supranationalen Rahmen und so weiter, markiert die Spielregeln,
nach denen die offizielle, formale Politik eben zu handeln hat.
Und markiert damit gewissermaßen einen Rahmen der Legalität,
in dem man sich bewegen darf.
Aber innerhalb dieses Rahmens und mit diesen Spielregeln lässt sich natürlich
sehr flexibel haushalten.
Und das ist sicherlich auch nötig, denn nicht alles, was man finanzieren muss,
lässt sich halt kurz- bis mittelfristig gut vorhersagen.
Also da muss eine große Flexibilität im Zustande kommen und in der Verwendung
des Bundeshaushalts und aller untergeordneten Haushalte sein.
Ich würde nur dazu sagen, dass nicht nur mein starker Eindruck ist,
sondern das können wir ja in unserem Gespräch halt ausdehnen,
dass wir uns seit doch geraumer Zeit, mindestens seit der Banken- und Finanzkrise ab 2007,
2008 und dann fortfolgende in eine Transformation hineinbewegt haben,
die auch vielfältig analysiert wird, bei der man sieht,
an ganz, ganz vielen kleinen, aber auch großen Beispielen,
dass sich der bisher eingewöhnte und antrainierte Rahmen als gar nicht mehr so flexibel erweist,
wie man das gerne hätte, sodass es halt zu allerlei Ausweichbewegungen,
Anpassungsbewegungen kommt und in diesem Prozess auch sehr, sehr viele Player versuchen,
neuen fiskalischen Spielraum zu gewinnen oder ihn zu begrenzen, Einfluss zu gewinnen.
Ich sage das jetzt erstmal noch so ganz abstrakt.
Aber dabei können wir eben beobachten, dass es, sagen wir mal,
nicht zu starken Abweichungen vom Verfassungstext kommt,
aber zu immer mehr versuchen, den Verfassungstext zu verändern, zu ergänzen,
kreativer auszulegen.
Und das führt auch durchaus zu einer Reihe von Dilemmata, die wir dann eben
mit Themen wie Schuldenbremse, den sogenannten Sondervermögen und so weiter
noch im Detail aufrufen können.
Um von dieser abstrakten Ebene vielleicht einmal runter zu kommen.
Nehmen wir doch einfach ein ganz aktuelles Beispiel und dann sage ich noch,
warum ich glaube, dass das keine Ausnahme ist.
Das aktuelle Beispiel haben wir alle erlebt, dass die letzte Regierung,
die sogenannte Ampelregierung,
über ein Bundesverfassungsgerichtsurteil gestolpert ist,
weil das Bundesverfassungsgericht bestimmte Regierungstechniken der nachträglichen
Umwidmung von zweckbestimmten Abgaben durch die Ampelregierung für nicht verfassungskonform erklärt hat.
Und in dem Moment ist dann quasi der Ampel durch Karlsruhe, durch das Bundesverfassungsgericht
das Licht ausgeknipst worden.
Das ist also keine Kleinigkeit und wie wir alle wissen, hat das nicht nur dazu
geführt, dass die letzte Regierung eben gescheitert ist, sondern man höre und staune,
es hat dazu geführt, dass noch vorzustande, also es gab vorgezogene Neuwahlen, wissen wir alle,
und noch vorzustande kommen einer neuen Regierung, hat sich diese designierte neue Koalition,
die wir jetzt haben, gewissermaßen eine Geschäftsgrundlage für die eigenen Koalitionsverhandlungen
genehmigt mit alten Mehrheiten,
also Mehrheiten des alten Bundestages und mit teilweise neuen Mehrheiten,
um überhaupt durch eine wirklich exorbitante Neuschuldenaufnahme in Koalitionsgespräche
überhaupt reingehen zu können.
Und das klingt ja alles nicht mehr nach einem Regelbetrieb. Das können wir noch differenzieren.
Ja, ich mache hier aber erst mal Stopp und sage, ich glaube...
Dass das eigentlich keine Ausnahme ist, sondern nur ein neuer Superlativ.
Denn wir können ja sehen, dass sich in der Bundesrepublik Deutschland seit Einführung
der sogenannten Schuldenbremse 2009 eigentlich eine Ausnahme an die nächste reiht,
gewissermaßen Politik in so einem Panikmodus verläuft Und ständig große Ereignisse passieren,
beziehungsweise als Begründungen dafür herangezogen werden, warum man die grundgesetzlich
verankerte Schuldenbremse jetzt unbedingt umgehen muss,
indem man insbesondere Sondervermögen einrichtet.
Also Sondervermögen ist natürlich eine euphemistische Metapher.
Also exorbitante Neuverschuldungspakete, Kreditpakete sich genehmigt,
die dann eben am regulären Bundeshaushalt vorbeigehen, weil sie ganz anders organisiert werden.
Und wenn man sich diesen Zusammenhang eben anschaut, dass in der Bundesrepublik
sozusagen auf eine vordergründige,
in der Verfassung verankerte, austeritärische Barmaßnahme wie die Schuldenbremse
reagiert wird, dass man flankierend ständig Ausnahmen von dieser Schuldenbremse findet,
seien es Sondervermögen oder seien es andere Instrumente, dann haben wir natürlich
einen hochinteressanten Zusammenhang vor uns liegen,
bei dem wir vielleicht davon ausgehen sollten, dass dieser alte,
gewohnte Regelbetrieb durchaus, oder sagen wir mal.
Dass das Hängen und die Leidenschaft für diesen alten Regelbetrieb und die neue
Leidenschaft ständig überall im Panikmodus Ausnahmeregeln und Ausnahmefälle zu suchen,
irgendwie miteinander zusammenhängen könnten.
Und das scheint mir sehr, sehr interessant zu sein, weil ich das, letzter Satz.
Weil ich das für Anpassungsphänomene halten würde, also gewissermaßen für Kennzeichen
und Hinweise darauf, dass wir uns in einer größeren fiskalischen Transformation befinden,
bei der die eintrainierten oder sagen wir mal Prozesse, an die wir glauben,
Ja, die Schulden von heute sind die Steuereinnahmen von morgen oder die Schulden
eben späterer Generationen und so weiter.
All das, was da so öffentlich an Glaubensinhalten kursiert, dass das eigentlich
nicht mehr so richtig trägt. Und dass man deshalb genauer darauf schauen müsste,
was hier eigentlich seit mindestens 15 Jahren passiert.
Und dann könnte man eben auch sehen, dass das, was wir halt ständig für eine große Ausnahme halten,
sei es jetzt irgendwie eine Reaktion auf Corona, sei es eine Reaktion auf die
Banken- und Finanzkrise, sei es die Reaktion auf ein Urteil aus Karlsruhe,
sei es eine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine oder anderes.
Dass diese Serie von Ausnahmegründen zusammen doch ein Phänomen ergeben.
An das man nicht näher rankommt, wenn man das alles für Einzelfälle nimmt und
nicht in einem größeren Zusammenhang sieht.
Vielleicht können wir genau den an diesen Zusammenhang rankommen,
wenn wir das von dem Normalfall unterscheiden.
Also grundsätzlich finde ich das jetzt auch erstmal nicht unintuitiv zu sagen,
naja, die Bundesrepublik oder in dem Fall auch die Europäische Union hatte nicht
so einen Krieg sozusagen an den Grenzen in langer Zeit.
Auch die Pandemie, es sind natürlich alles tatsächlich irgendwie externe Ereignisse,
sodass es zumindest erstmal vielleicht auch nicht unplausibel ist zu sagen,
das sind externe Krisen.
Wenn du aber sagst, das ist nicht so, das hat tatsächlich was mit der inneren
Verfassung zu tun und auch vielleicht ohne den spezifischen Fall,
ohne eine Pandemie hätte man diese Ereignisse.
Vielleicht kannst du sagen, was ist dann der Normalbetrieb gewesen?
Also was ist eigentlich vor dieser Situation, die du jetzt beschreibst,
dass man permanent immer neue Ausnahmen und Tricks und Kniffe finden muss und
es kein normales Prozedere, der solche Großausgaben mehr gibt?
Wovon unterscheidet sich das dann? Was ist sozusagen die Normalität in dem Fall
an der Bundesrepublik dann davor gewesen?
Ja, ja.
Vielleicht einmal vor die Klammer gezogen, bevor ich auf diese Frage konkreter
antworte, einfach damit ich Missverständnisse reduziere oder bestenfalls vermeide.
Ich würde nicht sagen, dass diese ganzen Ausnahmeereignisse konstruiert sind
oder herbeifantasiert sind oder sowas. Ganz im Gegenteil.
Das sind natürlich externe Ereignisse, die auch wichtig sind.
Und ich würde mich politisch überhaupt nicht dazu verhalten oder mir ein Urteil anmaßen und sagen,
also hier haben wir jetzt sozusagen völlig übertriebene Reaktionen oder dieses
oder jenes Sondervermögen sei nicht gerechtfertigt oder ähnliches mehr.
Das steht mir gar nicht zu. Mich interessiert halt stärker
die Beobachtung des politischen Interesses an der Begründung und Rechtfertigung
von außergewöhnlichen Schuldenaufnahmen und gewissermaßen dem Ausnocken der Schuldenbremse,
weil ich da den Eindruck habe.
Dass es hier eine gewisse Lust daran gibt,
permanent Ausnahmezustände zu begründen,
weil das einfacher ist, also auch für die politische Begründung,
für die öffentliche Begründung von Maßnahmen und Schuldenaufnahme, Weil es einfacher ist,
als in eine Richtung zu gehen, die überlegt,
ist die verfassungstextliche Finanzverfassung eigentlich noch adäquat genug?
Müsste man hier nicht allmählich größere Umbauten im Grundgesetz vornehmen,
die auf diese serielle Häufung von besonders eklatanten Fällen reagiert?
Stattdessen bleibt man gewissermaßen in diesem Panikmodus und findet dann...
Und für teilweise ja auch sehr partikularistische Finanzierungsinteressen eben
solche exzeptionellen Begründungsmuster.
Also mit dem Kollegen Florian Meinel vielleicht einmal gesprochen,
der diese Ereignisse vom Beginn des Jahres beim Verfassungsblock sehr,
sehr schön kommentiert hat.
Wenn verschiedene Interessengruppen, auch institutionelle Interessengruppen,
Bundesländer und so weiter merken,
dass an der Schuldenbremse vorbei und an austeritärer Sparpolitik vorbei und
so weiter, meinethalben bestimmte Infrastrukturen außer der Reihe finanziert
werden, dann ist plötzlich alles Infrastruktur.
Ich muss es dann eben nur so darstellen, dass es in dieses Infrastrukturbegründungsmuster
passt und dann kann man sagen,
wir haben hier eine marode Infrastruktur und da eine marode Infrastruktur und
die kriegen wir mit normalen Haushaltsmitteln und gewöhnlichen Steuereinnahmen,
zumal in der Wirtschaftskrise und so weiter gar nicht gelöst.
Also verschiedene Player neigen dann dazu.
In diesen rastlosen Panikmodus gewissermaßen einzusteigen, weil sie sich erhoffen,
dass sie neben dem regulären Haushalt hier Extramittel kassieren können.
Und das ist natürlich eine Anreizstruktur, die auf Dauer zu beobachten ist,
die sehr interessant ist und die sehr viele Effekte hat.
Über die wir vielleicht an einigen Beispielen noch genauer reden sollten.
Also das scheint mir erstmal das Phänomen zu sein. Diese serielle Häufung,
die ist interessant. Jetzt zur eigentlichen Frage.
Was ist denn der Regelfall, wenn wir am deutschen Beispiel erstmal bleiben,
der bundesrepublikanischen Staatsfinanzierung?
Das würde ich zweigeteilt beantworten. Also erstmal wieder ganz formal, der Regelfall ist,
dass der Bundeshaushaltsgesetzgeber einen ordentlichen Finanzplan aufstellt
in Form eines Gesetzesentwurfs, also des Bundeshaushalts.
Das ist ein Bundesgesetz und das muss jährlich vorgelegt und dann in parlamentarischer
Lesung diskutiert und verabschiedet werden und in diesem Bundeshaushalt müssen alle erhofften,
geschätzten, prognostizierten Einnahmen mit den erforderlichen oder gewünschten
Ausgaben gegenverrechnet werden,
sodass alles zusammen sozusagen in so eine gemeinsame Kasse läuft.
Und dann hat man so einen jährlichen Bundeshaushalt.
Und der läuft eben komplett durchs Parlament und muss eben jährlich in sich geschlossen sein.
Das ist erstmal sehr vereinfacht gesagt der Regelbetrieb.
Jetzt einmal systemisch dazu gesprochen, es ist ja nicht so,
dass die Bundesrepublik Deutschland.
Einen universell gültigen,
eine universell gültige, auf der ganzen Welt geteilte Finanzverfassungspraxis
hat, sondern wir haben ein Grundmodell der Staatsfinanzierung in der Bundesrepublik.
Das wir normalerweise mit dem Begriff des Steuerstaates belegen.
Und das bedeutet, dass aus marktwirtschaftlich kapitalistisch generierten Überschüssen
die Staatseinnahmen generiert werden.
Das ist eben durch die Steuer, wenn man so will, sehr stark runtergebrochen
jetzt selbstverständlich.
Und das bedeutet eben auch, Steuerstaatlichkeit ist eine spezifische Finanzverfassungsform,
die für liberalkapitalistische Gesellschaften typisch ist. Warum?
Weil die Besteuerung eigentlich der perfekte Privateigentumsschutz ist.
Die Annahme ist, es wird nicht zwingend in die Privateigentumssubstanz aller
Steuerpflichtigen oder einzelner Steuerpflichtiger eingegriffen, sondern nur,
wenn diese Zugewinne erwirtschaften, sei es durch Lohn, Gehalt.
Kapitalzuwächse, also gewissermaßen Einkommen,
oder durch freiwilligen Gebrauch ihres Eigentums und Vermögens an einem Markt,
also durch Konsum oder durch Verkauf und ähnliches,
dann kann der Fiskus gewissermaßen zuschlagen und sagen, hierauf kann ich eben
anteilsmäßige Steuern erbringen.
Und wenn diese Prozesse besteuert wurden, dann haben wir es mit einem legalisierten
Privateigentum zu tun, in das der Staat nicht weiter eingreifen darf.
Das ist sozusagen erstmal der Regelfall.
Ich finde dann natürlich auch gleich die Kontrastfrage ganz interessant.
Wie funktioniert das denn in Systemen, in staatlichen Systemen,
die du nicht als liberale Verfassungsstaaten klassifizieren würdest?
Also vielleicht musst du das auch gar nicht lang darstellen,
ist vielleicht auch nicht so dein Thema, aber nur so am Beispiel,
wie das im Kontrast funktioniert.
Wie finanziert sich denn ein Allgemeinwesen, wenn es nicht derartig über Steuern finanziert ist?
Die DDR zum Beispiel.
DDR zum Beispiel als starkes Gegenbeispiel, ja.
Ja, also das kann man natürlich jetzt ausbuchstabieren bis zum Gehtnichtmehr.
Ich würde zwei Wege in der Antwort wählen.
Erstmal nochmal sozusagen auf den Überraschungseffekt für,
also sagt jedenfalls meine Erfahrung, für viele zählen nämlich darauf hinweisen,
dass das, was wir für extrem selbstverständlich haben, Also eine Form von Steuerstaatlichkeit,
die wir im Alltag praktizieren, die in der politischen Rhetorik permanent aufgerufen wird.
Dass diese Form von Steuerstaatlichkeit eine historisch außergewöhnlich junge Entwicklung ist.
Der Begriff des Steuerstaates taucht eigentlich erst in den ökonomischen und
breiteren sozialwissenschaftlichen Debatten vor etwa 100 Jahren auf.
Bei Max Weber, bei Josef Schumpeter, bei einigen anderen.
Und Steuerstaatlichkeit als Regelbetrieb der Staatsfinanzierung hat sich eigentlich
erst nach dem Zweiten Weltkrieg in der westlichen Wohlstandszone durchgesetzt.
Man müsste vielleicht noch dazu sagen, Steuerstaatlichkeit ist insbesondere,
wenn man das jetzt ganz stark runterbricht, durch drei Merkmale charakterisiert.
Eins habe ich schon genannt, dieser starke Privateigentumsschutz mit dem Ziel,
dass eigennützig, privatnützig versucht wird,
auf Märkten Einkommen zu generieren und der Staat sozusagen nur indirekt daran
Anteil haben darf, indem er gewisse Anteile an den Gewinnen abschöpft.
Zweitens charakterisiert ist durch die Norm, dass es einen Steuervorrang im
Staatshaushalt geben soll.
Also bei der Frage, wie könnte eine bestimmte Aufgabe finanziert werden,
ist die normative Verfassungsvorgabe erstmal bevorzugt durch Steuern Und dann
rein empirisch-deskriptiv ist die mitlaufende Annahme, es sollte auch eine...
Steuerdominanz im Haushalt geben. Also die Mehrheit der Staatseinnahmen sollte
sich aus Steuern speisen und dann ungefähr reden wir von Steuerstaat.
Das ist eben historisch überhaupt nicht der Normalfall.
Es ist Kennzeichen einer sehr spezifischen, eben liberal-kapitalistisch integrierten
Gesellschaftsform und folglich finanzieren sich andere Gesellschaftsformationen anders.
Also wenn wir das konzeptionell belassen,
könnten wir meinetwegen auf Rentierstaaten schauen,
also die sich aus insbesondere meistens Bodenschätzen und der Förderung und
dem Verkauf von Bodenschätzen finanzieren.
Also klassischerweise werden heute immer Erdölstaaten dafür genannt und wir
können auf ganz anders geartete gesellschaftspolitische Systeme schauen wie
eben den realen Sozialismus.
Und da kann man eben natürlich schon konträr sehen, wir haben keine starke Bindung
eines sozialistischen Staates an privates Eigentum, selbstverständlich nicht,
sondern die Politik.
Einnahmen der öffentlichen Hand speisen sich eigentlich aus öffentlichen Betrieben,
also aus staatsvermittelter Wirtschaftsleistung und nur sehr wenige Einnahmen
für den, also jetzt mal ideologisch, idealistisch gesprochen,
nur sehr wenige Einnahmen eines
sozialistischen Staatswesens speisen sich überhaupt noch aus Steuern.
Und die werden dann auch als Übergangsphänomen auf dem Weg zum Kommunismus,
zur Verwirklichung dieser Weltanschauung gesehen, sodass sich,
um an eurem Beispiel DDR anzuknüpfen,
die DDR schon in den 60er Jahren in ihren Finanzwirtschafts- und Steuerlehrbüchern dafür gefeiert hat,
dass sie den Steueranteil an den Staatseinnahmen der DDR auf unter 10 Prozent gesenkt hatte.
Und das Ideal war sozusagen, das weiter zu senken.
Also nach und nach alle Rudimente der aus DDR-Sicht alten Gesellschaftsordnung,
der kapitalistischen Gesellschaftsordnung abzuschaffen.
Aber das geht in der Transformation hin zum Kommunismus natürlich nicht so schnell,
sondern man musste eben noch einige kleine Privatwirtschaftsbetriebe, Handwerker etc.
Zulassen und die konnte man dann eben mit Steuern belegen.
Und eine andere Steuereinnahme der DDR war natürlich noch die Erbschaftssteuer.
Also wo noch kapitalfähiges Vermögen in privater Hand bei Familien und so weiter
verblieben ist, konnte der Fiskus eben auch zugreifen.
Aber das Fernziel war eben, die Steuerquote
am Gesamthaushalt eigentlich abzuschaffen und auf null zu senken,
damit man jede Form von privat- beziehungsweise konkurrenzmarktlicher Wirtschaftskommunikation
zwischen den Staatsangehörigen ausschaltet.
Also vielleicht kannst du nochmal kurz sagen, was dann die, also hast du es
auch schon angedeutet, was dann die Folgen dessen sind, jetzt eben für unser
System, was natürlich auch global dominiert,
nämlich eben diese Abhängigkeit von privatwirtschaftlicher Aktivität und natürlich
auch letzten Endes nicht nur diese Aktivität, sondern auch das Wachsen dieser Aktivität,
eben Wachstum, wenn eben diese Abhängigkeit von den Steuern besteht.
Und ich finde, das hast du auch nochmal gut eben gesagt, auch der Anspruch besteht,
dass eigentlich die Steuern alles bestenfalls decken sollen.
Na gut, also die erste Folge ist erstmal rein systemisch, ökonomisch zu fokussieren.
Und das möchte ich erstmal ganz kurz halten. Ihr könnt ja danach setzen, wenn ihr wollt.
Steuerstaatlichkeit ist...
Aus schon genannten Gründen existenziell auf Wirtschaftswachstum angewiesen.
Wenn man nur Überschüsse und freiwilligen Einsatz von Geld und Geldvermögen besteuern kann,
dann ist klar, dass man im Prinzip immer Zugewinne, also Wachstumsergebnisse besteuert.
Und folglich ist der Steuerstaat eigentlich die Wirtschaftswachstumsmaschine schlechthin.
Also das existenzielle Interesse von steuerstaatlich refinanzierten Demokratien
insbesondere ist eben den Wirtschaftsmotor,
den Wachstumsmotor am Laufen zu halten.
Mit der Folge selbstverständlich, dass sich jede Wirtschafts- und Finanz-Arbeitsmarktkrise etc.
Automatisch in den Staatshaushalt übersetzt und in längeren Rezessionsphasen
zu Staatskrisen führen kann.
Das ist erstmal sehr einfach, technisch, systemisch betrachtet so ein Zusammenhang.
Dann gibt es einen zweiten Zusammenhang, den würde ich halt wieder stärker,
auf der Ebene der rechtlichen Dimension der Finanzverfassung anordnen,
wenn man auf Dauer sieht,
dass diese eintrainierten steuerstaatlichen Wachstumsimperative chronisch in die Krise geraten,
dann kann eine geschriebene Verfassung wie das Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland darauf nicht sehr flexibel antworten.
Also wenn, glatt gesagt, Steuereinnahmen in ausreichender Höhe ausbleiben,
dann muss man eben sparen oder man muss zu anderen Mitteln der Staatseinnahme greifen.
Das können dann eben Schulden sein, das können Zugriffe auf Zentralbanktechniken sein.
Jedenfalls war das mal so, dass man gewissermaßen versucht, über Zentralbankpolitik
die staatlichen Einnahmen zu erhöhen.
Das ist mittlerweile ein bisschen schwieriger geworden, weil wir die Zentralbankgeschäfte
ja supranational ausgegliedert haben.
Und wenn wir das halt sehen, haben wir auch den Rückgriff auf den Beginn unseres
Gesprächs gleich gegeben.
Es entsteht ein höherer Kreativitätsbedarf, um im Rahmen der legalen Verfassungsordnung
überhaupt hinreichend flexibel zu bleiben.
Und ein Instrument, das eben in den letzten Jahren dann zudem zunehmend gegriffen
wurde, war eben die Einrichtung von Sondervermögen,
also von möglichst großen, allerdings eben zweckgebundenen Kreditspiel- oder
Kreditaufnahmespielräumen.
Ja, das wären sozusagen zwei...
Folgen auf der oder zwei der angefragten Folgen auf der ökonomischen Ebene und
auf der rechtlichen Ebene.
Und daneben, das deute ich aber erstmal nur so an, gibt es selbstverständlich
auch demokratisch praktische Probleme, die daraus resultieren.
Denn die gesamte liberal-demokratische Ordnung und ihre Finanzierung in der
beschriebenen Form von Finanzverfassung basiert natürlich darauf,
dass ein Parlament gewählt wird und das Parlament einen Bundeshaushalt nach
Maßgabe des elektoralen Willens konzipiert.
Und das ist unter dieser Perspektive schwindender Steuereinnahmen immer weniger möglich.
Wir haben es also auch mit Folgen für die Praxis der Demokratie und für die
Fiskalsouveränität des Bundeshaushaltsgesetzgebers zu tun,
wenn immer größere Anteile der notwendigen Staatseinnahmen aus dem regulären
Bundeshaushalt herausgenommen werden.
Und meinetwegen eben über Schulden trotz Schuldenbremse finanziert werden.
Darf ich noch ganz kurz noch einmal nachfragen, was diese sozusagen die Wachstumsorientierung
und Wachstumsdynamik angeht?
Also ich verstehe das Argument so, dass der Staat natürlich strukturell davon
abhängig ist, dass es Wachstum gibt in Form von Überschüssen,
die dann besteuert werden können, damit der Staat überhaupt finanziert ist in dieser Form.
Ist es aber auch in deiner Perspektive so,
dass der Staat jetzt selber auch in gewisser Weise Wachstumstreiber ist und
dann so eine Art von Feedback-System entsteht zwischen Staat und Ökonomie oder
ist das jetzt gar nicht so deine Baustelle?
Na, analytisch gesehen ist es schon meine Baustelle, denn wenn man begreifen will,
was der Steuerstaat in einem ökonomisch-theoretischen Sinne ist,
was der Steuerstaat in einem demokratietheoretisch- und demokratisch-praktischen Sinne ist,
dann muss man sich diese Schnittstelle zwischen Staatsorganisation,
Wirtschaftssystem, Wirtschaftsorganisation genau anschauen.
Und diese Schnittstelle heißt ja nicht umsonst Fiskus.
Also versucht mal den Fiskus, also gewissermaßen den Staat als materielle Einnahmenerzwingungsagentur,
so könnte man Fiskus ja vielleicht erst mal beschreiben. Es geht um Zwangsabgaben.
Die wir vereinfachend Steuer nennen und diese Zwangsabgaben sind auch nicht
an konkrete Gegenleistungen gebunden, im Unterschied eben zu Solidarversicherungsabgaben
oder zu Gebühren und anderes mehr.
Und wenn man verstehen will, was der Fiskus ist, dann ist das selbstverständlich
eine Instanz, die funktional besehen auf der Schnittstelle zwischen staatlicher Organisation,
Wirtschaftsorganisation und privater Haushaltsorganisation basiert.
Und wenn man das versucht, so wie du es jetzt gerade beschrieben hast, in den Blick zu nehmen,
dann ist eben ein nicht nur Steuerstaat, sondern auch diese Variante von liberaler
Demokratie existenziell darauf angewiesen,
dass es mehr oder minder kontinuierliches Wirtschaftswachstum gibt.
Oder einmal anders gesagt, dass wirtschaftliche Krisenzeiten immer nur vorübergehend bleiben,
absolute Ausnahmen sind und mit diesen Ausnahmen
kann man dann eben auch Konjunktursteuerungsmaßnahmen durchsetzen.
Also das keynesianische Programm, Sondervermögen, also Sonderkreditaufnahmen
und ähnliches mehr rechtfertigen.
Ohne davon auszugehen, dass man hier in eine andere Gesellschaft,
Staats- und Wirtschaftsordnung hineinsteuert.
Aber das funktioniert eben nur unter der Perspektive, dass es kontinuierliches Wachstum gibt.
Und nochmal, diese ganze Annahme, diese ganze Konzeption, diese Art von Staatsverfassung,
diese Art von Kombination von Staats- und Wirtschaftsverfassung und individueller
Verhaltensorientierung, also Arbeitsmarktorientierung,
Erwirtschaftungsorientierung.
Reinvestitionsorientierung und so weiter.
Also dass wir fiskalische Interessen immer schon in unser Alltagshandeln mit
einbauen, das ist eine historisch sehr, sehr junge Entwicklung und dass wir,
also wir ist gut, wenn wir jetzt am bundesrepublikanischen Beispiel bleiben,
halt ausschließlich die westdeutsche Gesellschaft der Nachkriegszeit,
also der alten Bonner Republik.
Dass die sich angewöhnt hat, diese Entwicklung für normal zu halten,
ist zwar verständlich, aber offenbar nicht mehr den heutigen Gegebenheiten entsprechend,
beziehungsweise ihnen immer weniger entsprechend.
Und hier würde ich sozusagen das markanteste und interessanteste Phänomen für
die Überlegung vermuten, dass wir uns in einer größeren fiskalischen Transformation.
Befinden, die selbstverständlich nicht auf die Bundesrepublik Deutschland begrenzt ist.
Jetzt hast du schon angedeutet, dass ein Problem eben das Fehlen von Steuereinnahmen
ist oder eben das nicht genügende Wachstum angesichts eben der Bedarfe.
Zumindest wenn man als jemand wie ich, der da nicht den Einblick hatte,
die Nachrichten oberflächlich verfolgt, hat man doch immer mal wieder so diese
Nachricht von Rekordsteuereinnahmen, also dass die eigentlich weiterhin wachsen.
Warum sagst du, trotzdem hat man eigentlich dieses Finanzierungsproblem,
wenn doch natürlich nicht mehr,
also Deutschland ist vielleicht auch ein Sonderfall, was jetzt das Wachstum
angeht, andere Länder stehen ja besser da, aber warum sagst du,
es ist eigentlich so eine langfristige strukturelle Wandel, wo das Geld ganz
einfach gesagt nicht mehr reicht?
Ja, da müssten wir vielleicht, was diese sogenannten Rekordsteuereinnahmen angeht,
Zwei Sachen auseinanderhalten. Also das eine ist das öffentliche Sprechen.
Das halte ich ganz kurz, aber uns allen ist das ja wahrscheinlich geläufig.
Finanzpolitik in der Bundesrepublik Deutschland wird extrem stark mit Metaphern
in die Öffentlichkeit kommuniziert.
Also die zumindest Westdeutschen wollen ja immer irgendwie Rekordhalter sein,
ob das dann Rekordsteuereinnahmen sind oder Exportweltmeister und ähnliches mehr.
Und so werden ja auch mit dieser oft auch Nanny-Rhetorik in der Öffentlichkeit
finanzpolitische Maßnahmen formuliert.
Also allein das Sprechen in Metaphern eben wie Sondervermögen oder schwäbische
Hausfrau oder Booster oder Bazooka oder Wumms und Doppelwumms und so weiter.
Das ist ja alles so ein extrem metaphorisches Sprechen und zudem würde ich auch
mal die Rekordeinnahmen zählen.
Denn, zweiter Punkt, wir sollten ja unterscheiden zwischen absoluten Einnahmen
und den relativen oder beziehungsweise den proportionalen Anteilen.
Bei den absoluten Einnahmen ist es klar unter marktwirtschaftlichen Bedingungen
ja gar nicht zu verhindern, dass die reinen Summen immer weiter wachsen.
Das heißt aber noch lange nicht, dass sie ausreichen. Wenn ich hier vielleicht
zwei Punkte machen darf, das eine einfach ein empirischer Hinweis.
Im laufenden Jahr, also 2025, sind wir das allererste Mal in der Bundesrepublik
Deutschland in der Situation, dass alle Kerngelegenheiten.
Und Extrahaushalte von allen Gliedebenen, also Bund, Länder und Gemeinden und
Sozialversicherung defizitär sind.
Alle sind verschuldet und gleichsam haben alle zusammen erstmals in der bundesrepublikanischen
Geschichte das Gesamtvolumen von einer Billion Euro überstiegen.
Also wir haben sozusagen diese Rekordausgaben, aber wir haben keine dazu passenden
Einnahmen mehr, sondern alle eben diese Kern- und Extrahaushalte sind massiv verschuldet.
Man kann also sagen, das Geld reicht nicht mehr.
Und jetzt der weitere Aspekt, den...
Wir, glaube ich, alle auf dem Schirm haben und den wir alle kennen,
den ich auch nur ganz bedingt kommentieren möchte.
Ist, dass die meisten Leute, die sich irgendwie mit Staatsfinanzierung und den
Staatsaufgaben beschäftigen,
durchaus sehen, dass der Staat, also schon der Gegenwart, aber auch der Staat
der Zukunft eigentlich noch sehr viel mehr Aufgaben zu schultern hat.
Also ich kann die Stichworte dafür nennen.
Wir haben Klimawandel, Folgenanpassungen, die der wie auch immer Private und
der Finanzmarkt nicht allein wird schultern können,
sondern wir brauchen hier riesige Investitionsanreize, die der Staat zu setzen
hat und mit Subventionen unterfangen muss.
Wir haben nicht nur in der Bundesrepublik, sondern in vielen westlichen Staaten
eine enorme Demografiekrise,
die dazu führt,
dass nicht nur eine überalterte Gesellschaft durch Wahlen die Politik maßgeblich beeinflusst,
sondern eine alternde und tendenziell überalterte Gesellschaft von Querfinanzierungen
lebt, die nicht mehr durch marktwirtschaftliches,
aktives Einnahmeverhalten, also durch...
Durch Erwerbsarbeit gegenfinanziert wird. Und jetzt könnte man noch eine Reihe
von weiteren Themen nennen.
Also den Krieg haben wir schon aufgerufen, die Verteidigungsfähigkeitsfrage
und dann kommt noch vieles andere dazu.
Und zudem müssen eben, das hatte ich auch schon aufgerufen, seit 2007,
2008 die strukturellen und offenbar notorischen Krisen der Finanzmärkte und
der Bankenlandschaft abgefedert werden.
Und auch das wird ja finanziert durch die Ausgaben der breiteren Öffentlichkeit.
Also wir haben genug Baustellen gewissermaßen, die darauf hinweisen,
dass der Staat zukünftig noch sehr viel mehr ausgeben wird.
Und damit laufen wir natürlich in Dilemmata hinein, wie das einerseits demokratisch,
also wie man dafür demokratische Mehrheiten bekommt und auf der anderen Seite,
wie das kompatibel ist mit dem Erfordernis, dass Steuerstaatlichkeit nur unter
der Bedingung möglichst hohen und kontinuierlichen Wirtschaftswachstums zu finanzieren ist.
Und wenn man dieses Dilemma so zusammenbringt, ist ja schon klar,
Steuerstaatlichkeit ist nicht die einzige Antwort, die wir geben können.
Und falls wir sie doch geben wollen, stürzen wir uns in weiter wachsende demokratische
Rechtfertigungsprobleme.
Jetzt ist ja der Kern der Diagnose, mit der wir auch eingestiegen sind,
dass eben dieses Geld, was du jetzt schon genannt hast, was für alle möglichen
Gründe gebraucht wird, dass das eben aus Schulden kommt.
Die haben wir vorhin auch bei den möglichen Einnahmequellen ja noch nicht beschrieben,
weil wir uns auf den Steuerstaat selbst bezogen haben.
Schulden sind offenbar keine Steuern.
Kannst du das vielleicht nachvollziehen, wie der Bedeutungswandel ist?
Also ich glaube, man hat das auch natürlich jetzt bei den Diskussionen über
die USA immer diese unendliche Verschuldung dort nochmal natürlich anders als bei uns.
Aber du hast auch gerade angedeutet, dass natürlich auch die Schulden in Deutschland steigen.
Also es sind sozusagen diese massive Verschuldung natürlich irgendwie auch aller westlicher Staaten.
Ist das schon diese Folge so einer langfristigen Wachstum des Staates und auch
der Leistungen, die schon sich entkoppeln sozusagen vom Wirtschaftswachstum?
Und ist das schon etwas, was sozusagen in den, in diesen Finanzverfassungen
nicht vorgesehen ist und das Ganze irgendwie schon destabilisiert oder,
ja, also vielleicht kannst du diese Schuldenfrage so ein bisschen einordnen.
Oder sind Schulden gar kein Problem, könnte man ja auch sagen,
wie viele jetzt auch theoretisieren so.
Ja, genau.
Schulden müssen nicht unbedingt ein Problem sein. Das ist eine ziemlich komplexe
Angelegenheit und ich will auch gar nicht behaupten, dass ich dafür jedes technische
Detail der Experte wäre. Ganz wie vorhin schon angesprochen,
ich bin jetzt auch kein politischer Ökonom.
Ich würde einfach die Akzente auf diese Fragen anders setzen.
Also der erste Akzent, den hatte ich schon angesprochen, ist,
dass diese Milchmädchen-Rhetorik, dass Schulden sozusagen der Vorgriff auf spätere
Steuereinnahmen sind, so einfach ja nicht funktioniert.
Es gibt sehr verschiedene Varianten von Schulden und Kreditaufnahme.
Nicht alle Staatsschulden müssen, ganz offensichtlich, nicht alle Staatsschulden
müssen zurückgezahlt werden, sondern werden ja auf Dauer kontinuiert.
Und viele Staaten haben auch Mechanismen entwickelt, um sich ganz regulär über
Kreditaufnahme an den Finanzmärkten zu finanzieren, jedenfalls zu erheblichen Teilen, ohne dass das,
im Normalbetrieb sozusagen in große Probleme führt.
Also da können jetzt die Ökonomen sehr viel besser drüber sprechen und ich könnte
das teilweise auch machen, aber das sind gar nicht so sehr die Themen,
die mich dabei interessieren.
Mein maßgeblicher Punkt bliebe weiterhin, dass ich sagen würde,
dass Legitimierungsprozedere des Bundeshaushalts und liberal-demokratischer
parlamentarischer Systeme ist eigentlich im Prinzip auf die Revolutionsformel, wir kennen die alle,
No Taxation Without Representation zu bringen.
Und wenn man immer größere Anteile der regulären Staatsausgaben über kreditbasierte
Schulden, Sondervermögen etc.
Organisiert, werden auch parlamentarische Kontrollrechte, Bewilligungsrechte etc.
Nach und nach abgemildert und die Möglichkeiten
durch demokratische Wahlen auf die Schulden und die Überschuldung von Staaten
Einfluss zu nehmen und entsprechend die Haushaltspolitik und die Verteilungspolitik
einer Regierung mitzugestalten,
werden selbstverständlich geringer.
Also das würde ich schon mal prinzipiell als Problem ansehen.
Und daneben gibt es eben noch einen, damit waren wir auch so stellenweise eingestiegen, einen,
Einen besonderen Aspekt, der mich interessiert, nämlich die Frage,
ab wann eigentlich Regierungen aus sehr verschiedenen Gründen anfangen,
eine Schuldenfinanzierung einer regulären Steuerfinanzierung vorzuziehen.
Und da ist es nicht so einfach immer zu sagen,
naja, das sind jetzt ausbleibende oder aus welchen auch realwirtschaftlichen
Gründen nicht greifbare,
nicht machbare Steuern und da wir die nicht haben, müssen wir halt eben auf Schulden ausweichen.
Ich glaube, wir sind alle schlau genug, um zu durchblicken, dass das so einfach oft nicht ist.
Man braucht schon riesige Scheuklappen,
um anzunehmen, dass es beim Zustandekommen der neuen Regierung nicht auch möglich
gewesen wäre, über eine sehr viel restriktivere Steuerpolitik nachzudenken.
Also gewissermaßen bei einigen, vielleicht auch sehr speziellen Gruppen,
die Steueranteile zu erhöhen.
Stattdessen hat man sich eben aus verschiedenen Gründen dafür entschieden,
bestimmte offensichtliche Finanzierungsbedarfe lieber über den privaten Markt,
also über Schuldenaufnahme, über größere, vergrößerte Kreditspielräume und so weiter abzuwickeln.
Und dadurch werden natürlich auch Leute verschont, die eigentlich sehr viel
mehr leisten könnten und zahlen
könnten und vielleicht aus vielen guten Gründen auch zahlen sollten.
Denn wir bewegen uns ja seit geraumer Zeit, nicht nur in der Bundesrepublik
Deutschland, in eine enorm wachsende soziale Ungleichheit hinein,
die auch für die Demokratie hochgradig gefährlich geworden ist.
Wir haben es mit Refeudalisierung-Phänomenen zu tun, also dass sich gesellschaftliche
Eliten manchmal in zweiter, dritter Generation halten und überhaupt nicht mehr
in die Lage versetzt werden aufgrund ihrer privaten Vermögensverhältnisse.
Überhaupt irgendwie entweder an Vermögen zu verlieren oder so viel Vermögen
aufzubauen, dass sie die Möglichkeit haben, in gesellschaftliche Führungspositionen einzurücken.
Und all diese klassischen Themen, bei denen staatliche Steuerpolitik eigentlich
regulierend eingreifen könnte,
auf die verzichtet man, wenn man sich den schlanken Fuß macht sozusagen und
auf erst später fällige, wenn überhaupt fällige Einnahmen vorgreift,
indem man Schulden aufnimmt.
Also dieses einfache Märchen, wir haben nicht genügend Steuereinnahmen und könnten
die auch gar nicht generieren und deshalb müssen wir zu Schulden greifen,
da würde ich in sehr verschiedenen Hinsichten große Fragezeichen dran setzen.
Ja, vielleicht können wir da auch das nochmal dann genauer verorten.
Also erstmal vielleicht festhalten, du hattest ja vorhin schon alternative Steuereinnahmen,
das war für mich jetzt fürs Verstehen nochmal gut, alternative Steuereinnahmen
zum Beispiel eben auch Bodenschätze.
Es gibt ja auch dann diese sehr wohlhabenden Petro-Staaten, in denen es fast
keine Steuern gibt. Das ist mir jetzt sozusagen nochmal klar geworden.
Und das kommt aber natürlich für Deutschland in dem Fall nicht in Frage.
Das reicht dann nicht, sodass sozusagen eher aus historischen Zufälligkeiten
auch natürlich letzten Endes die Staaten eine unterschiedliche Gestalt haben,
je nachdem über welche Einnahmequellen sie verfügen.
Darf ich dich einmal ganz kurz unterbrechen, einfach nur, weil ich das so spannend
finde. Ich rede da auch gar nicht lange dazu.
Genau dieses Phänomen sozusagen Zufälligkeiten.
Heißt natürlich auch, dass sich schon etablierte Staatswesen durch das Hinzu-
oder Eintreten von neuen Zufälligkeiten vielleicht sehr plötzlich verändern können.
Also wir kennen nordeuropäische Staaten,
die durch das Entdecken riesiger Erdgasvorkommen ihre kompletten Staatshaushalte
sehr generös umstellen können von Steuerfinanzierung auf Petrolstaatlichkeit
oder Rentierstaatlichkeit.
Und wenn man einmal sich überlegt, wie unter diesen Bedingungen auf Dauer das
Prinzip No Taxation Without Representation, das ja auch umgekehrt gilt,
also keine Repräsentation ohne deine Steuerleistung, aufrechterhalten werden
sollte, da können wir auch noch mal ein paar Fragezeichen dahinter setzen.
Oder warum haben die USA angefangen in Fracking zu investieren?
Das sind Bodenschätze, die wir mit rentierstaatlichen Mechanismen untersuchen
oder mit rentierstaatlichen Analyse untersuchen.
Weisen untersuchen müssen und nicht mehr so einfach von Steuerstaatlichkeit
und auch nicht so einfach von Schuldenstaatlichkeit und zu sprechen können.
Also das nur als Einschub, denn wenn man diesen Fokus oder diese Brille einmal
aufgesetzt hat, sieht man die Welt der Gegenwart und einige große politische
Themen auch nochmal mit ein bisschen anderen Augen.
Was meine Frage so ein bisschen war, du hast ja eben jetzt angedeutet,
dass die Reichen, ich nenne sie jetzt mal so, die, die eigentlich am meisten
Steuern zahlen können und die, auch das kann man ja eben nochmal sagen,
die auch immer und immer und immer reicher werden, die Zahlen sind zur Genüge erfasst.
Dass die eben nicht herangezogen werden in dem Maße, wie sie herangezogen werden können.
Hat man da eine Situation, dass sie eigentlich sozusagen ihre Interessen gut
vertreten, gleichzeitig aber ohne besteuert zu werden?
Also dieses No Taxation Without Representation, sie werden ja repräsentiert,
ohne sozusagen äquivalent besteuert zu werden.
Also hat man da sozusagen eine Situation, in der sie einfach gut ihre Interessen
vertreten oder das wäre sozusagen die Gegenfrage,
also in welchem Maße das überhaupt gesteuert und tatsächlich auf eine gute Interessensvertretung
auch abseits sozusagen der offiziellen parlamentarischen Wege stattfindet.
Ein unglückliches Zusammentreffen, gerade weil eben sehr unterschiedliche Leistungen
notwendig sind oder, also sind jetzt sehr viele unterschiedliche Themen oder
das politische System eben überhaupt Probleme hat,
Mehrheiten zu organisieren und bevor man eben in diese, auch das hast du ja schon gesagt,
doch dann sehr, sehr, sehr schwierigen Debatten reingeht als Regierung und sagt,
wir drehen tatsächlich die Steuern rauf für Reiche, hat man eben inzwischen
diesen einfachen Weg und zieht sich dann eher raus,
sodass es eigentlich gar nicht eine direkte Interessenvertretung dieser Reichen
ist, die davon profitieren,
weil sie eben weiterhin nicht so viel Steuern zahlen muss.
Aber was ihnen sozusagen gelegen kommt, also um sozusagen diese verschiedenen
Aspekte zusammenzufassen, ist es eine gute Vertretung oder ist es eher eine günstige Situation,
in die sich jetzt dieses System reingefahren hat und davon eben die,
die profitieren, die dann eben nicht herangezogen werden, mehr Steuern zu zahlen.
Also das sind sehr viele Themen, die wir hier aufrufen könnten.
Ich kann natürlich viele von
denen kommentieren, aber wir haben ja einen relativ begrenzten Zeitraum.
Deshalb versuche ich mir so einiges rauszupicken. Also der einfachste Punkt ist erstmal,
wenn wir uns vor Augen halten, dass wir es seit einigen Jahrzehnten mit einem
riesigen Anwachsen des Finanzkapitalsektors zu tun haben, der ja auch dazu führt,
dass die großen Vermögen und die immer größer, auch durch den Finanzmarkt immer
größer werdenden Vermögen sehr viel mobiler sind als heimisch national gebundenes Kapital.
Also es ist gar nicht so leicht, an die großen Vermögen ranzukommen.
Dann gibt es einen zweiten Punkt.
Ich würde ein bisschen zurückgehen und nicht nur von denen da oben oder den
Reichen oder so weiter zurückgehen.
Sprechen wollen, denn der fiskalische Nutzen, also die tatsächlichen Mehreinnahmen
einer reichen Besteuerung, einer Vermögensbesteuerung ist begrenzt.
Also man darf sich davon keine allzu großen Wunder erwarten und erst recht nicht
glauben, dass es hier dann die,
dass es durch solche Wundermaßnahmen dann einen Ausgleich von strukturell defizitären
Steuerhaushalten oder ähnliches gäbe.
Da wäre ich ein bisschen vorsichtiger, ein bisschen pessimistischer.
Aber dann kommt ja doch noch einiges dazu. Ich rufe das nur schlagworthaft auf.
Wir können das ja vertiefen, wenn ihr wollt.
Und mit am wichtigsten, das ist was, was ich von Philipp Mano gelernt habe oder
von der Denkweise von Philipp Mano gelernt habe, mit am wichtigsten ist eigentlich die Beobachtung,
dass wir seit den 90er Jahren, seit dem Ende der 90er Jahre,
einen vereinfacht gesagt neoliberalen Umbau auch der Vermögensstrukturen und
der öffentlichen Haushaltsstrukturen, selbstverständlich nicht nur in der Bundesrepublik
Deutschland beobachten können,
sodass es mit Stichwort Finanzialisierung,
Privatisierung von Sozialversicherungssystemen.
Riester-Rente, was immer man da jetzt aufrufen könnte, zu einer gewissen Notwendigkeit kommt,
führt, dass die am Kapitalmarkt angelegten Summen auch ordentliche Renditen abwerfen.
Das heißt, das sind nicht nur die großen und immer wie auch immer zu bewertenden
Reichen und Vermögenden,
sondern mittlerweile sind es doch die breiten oder etwas schmaler werdenden,
aber doch relativ breiten und politisch relevanten Mittelschichten,
deren private Vermögensverhältnisse und vor allem deren Vorsorgeverhältnisse,
Alterssicherung und so weiter in einem extrem hohen Maße von Renditen der Kapitalmärkte abhängig sind.
Und die deshalb eben auch einen Teufel tun werden, der Politik carte blanche zu geben,
auf diese großen und immer größer werdenden Gewinne zuzugreifen.
Und die Politik kann daran natürlich auch kein großes Interesse haben,
darauf zuzugreifen, weil sie dann umgekehrt wieder sagen müsste,
wir brauchen funktionierende Solidarversicherungssysteme, die das dann über
ein kollektives Bemühen kompensieren, was die Finanzmärkte nicht leisten.
Und jetzt noch einen weiteren Spin.
Wenn der Staat...
Vereinfache das sehr stark zugegebenermaßen zunehmend und lieber und einfacher,
weil politisch unstrittiger,
große Kredite aufnimmt, dann sind diejenigen, die ihr Vermögen an den Finanzmärkten
haben, also diejenigen, die überhaupt Vermögen haben und das an den Finanzmärkten
anlegen, diejenigen, die davon profitieren.
Also wenn der Staat Kredite aufnimmt und dafür die entsprechenden Zinsen zahlt,
dann landen die Zinsen selbstverständlich bei dieser eben nicht mehr so breiten
Mittelschicht, die aber eben politisch relevant ist und in einer demografisch
zunehmend überalternden Gesellschaft eben auch darauf angewiesen ist,
ihren Lebensabend mit diesen Renditen vorzuplanen.
Und das sind alles Phänomene, bei denen ich sagen würde,
dass hier gar nicht so sehr der fiskalische Nutzen blickleitend für unsere Analysen
sein sollte, sondern die Frage, wer profitiert eigentlich von dieser Art von Finanzialisierung,
Massennutzung der Finanzmärkte und einem Rückbau der Steuerfinanzierung in den
öffentlichen Haushalten.
Ich müsste auch nochmal eine Nachfolge stellen, die jetzt auch nochmal wieder
ein kleines Stück zurückgreift, nochmal zu diesem Slogan von No Taxation Without Representation,
weil ich das wirklich spannend finde und ich wollte fragen, ist das demokratietheoretisch
eigentlich die Idee, dass man sagt…,
Der Staat muss in gewisser Weise einfach finanziell von seinen Bürgern abhängig
sein und umso weniger das der Fall ist,
umso größer ist die Gefahr von sozusagen Despotie im Extremfall vielleicht oder
zumindest von Machtmissbrauch oder einer Entkopplung von Volkswillen und Staatshandeln.
Ist das die Kernidee und ist das eine empirisch verifizierte These auch?
Kann man das so verallgemeinern?
Ich schiebe mal vorweg, da ich mich seit zehn Jahren exakt mit dieser Frage
beschäftige, könnten wir jetzt auch zehn Jahre darüber reden.
Das lassen wir aber mal besser.
Deshalb versuche ich das arg runterbrechend und kann gerne auch noch Literaturverweise
und sonst was dazu geben, arg runterbrechend zu beantworten.
Die einfachste Antwortmöglichkeit ist ja.
Wir kennen keine liberal-kapitalistischen Demokratien, die sich ohne den Modus
des No Taxation Without Representation irgendwie etabliert hätten und auf Dauer überlebt hätten.
Sowas kennen wir schlichtweg nicht.
Das ist also erstmal ein empirisch deskriptives Ja.
Daneben steht das Problem, dass es sowas wie eine politisch ausgeformte Demokratietheorie
dieses Prinzips eigentlich nicht gibt.
Das ist mehr so ein öffentlicher Glaubenssatz, für den aber sehr sehr viel spricht.
Und dieser Glaubenssatz ist eine starke Vereinfachung,
mit der aber ganz gut auf den Punkt gebracht wird, eben als Slogan nur,
aber sehr gut auf den Punkt gebracht wird, Inwiefern die Einrichtung von repräsentativen
Ausschüssen, Parlamenten insbesondere.
Auch der Kontrolle des Parlaments, der Kontrolle auch des Parlaments über die
Regierung und die Alleinzuständigkeit der Parlamente,
der gewählten, freigewählten, allgemein gewählten Parlamente für das Zustandekommen
eines Haushalts, warum das so wichtig ist.
All das läuft verdichtet in dieser Formel zusammen.
Und letzter, wie gesagt, stark verkürzender Punkt dabei ist doch eigentlich,
dass wir es hier mit einer Kernformel einer materiellen Staatsanlage zu tun
haben, weil wir ja einfach sagen oder damit einfach beschreiben mit dem No Taxation
Without Representation Prinzip, wir haben es mit einem Bestellerprinzip zu tun.
Wer sich an der Finanzierung gemeinsamer Anliegen, ob das jetzt kommunale bis
hin zu staatlichen oder suprastaatlichen Anliegen, nicht beteiligt,
hat auch nicht genügend Druckmittel, jedenfalls nicht genügend zivile ökonomische
Druckmittel in der Hand, um im Zweifelsfall einer Regierung,
Machthabern, einem Herrschaftsapparat, den ökonomischen Hahn abzudrehen.
Denn insofern läuft, auch ohne jetzt große Ausbuchstabierung oder Rückgriff
auf die Ideengeschichte oder
was immer ich da jetzt irgendwie eigentlich aus dem Hut zaubern wollte.
Selbst wenn man die jetzt eben abblendet, läuft in dieser materialistischen
Formel No Taxation Without Representation doch sehr, sehr viel zusammen.
Was damit nicht gesagt werden muss, um das gleich dazu zu sagen,
vielleicht auch so ein paar alternative Horizonte mal aufzurufen.
Dass das alles ausschließlich auf die Konzentration eines einzigen Haushalts,
der auch noch jährlich von einem ganz bestimmten Parlament diskutiert und verabschiedet,
also entschieden werden muss oder sowas hinausläuft.
Man kann sich ja viele Unterordnungen dessen vorstellen und die gibt es ja auch.
Aber auf so einer rein nationalstaatlichen Ebene vielleicht sogar einer,
die zunehmend zentralisiert wird, wie es ja in der Bundesrepublik der Fall ist.
Also formal sicherlich Bundesrepublik, ein föderalistischer Zusammenhang.
Aber wir können ja sehen, dass die Machtpotenziale in diesem Staat seit ungefähr
20 Jahren sehr, sehr stark verberlinert werden, also Richtung Hauptstadt laufen.
Und das könnte man ja auch wieder etwas demokratisieren und zurückbauen und
wieder in die gliedstaatlicheren Ebenen zurückführen. Ich halte es nur nicht
für sehr wahrscheinlich.
Ja, das kennst du sicherlich auch hundertmal besser als ich,
aber weil Leo eben fragt auch nach den empirischen.
Ich hatte nochmal bei James Tann reingelesen, er hat ein Buch über die römische,
das alte Rom geschrieben,
wo das sogar die These war, dass sich eigentlich diese Elite immer weiter abgekapselt
und dann eben auch abgekapselt hat vom Volk,
weil dieses Rom sich finanziert hat, dann durch die Raubzüge sozusagen oder
diese Koloniale, also den Aufbau dieses Empire.
Weil es nicht mehr abhängig war von den Steuerzahlern oder weniger abhängig davon war.
Also man kann das auch, das finde ich dann manchmal immer ganz gut,
weil man ja doch eher so in den letzten paar Jahrhunderten ist.
Aber Steuerstaatlichkeit ist natürlich etwas, was es schon seit ein paar Jahrtausenden
gibt Und bestimmte systematische Zusammenhänge ist es gar nicht unplausibel,
dass sie natürlich auch in diesen älteren Staaten schon da waren,
weil die Finanzierungsfragen ja letzten Endes doch überhistorisch sozusagen stattfinden.
Aber du hast schon gesagt, wir könnten da lange drüber sprechen und das machen
wir vielleicht auch mal ein andermal.
Also vielleicht kann man zu dieser No Taxation Without Representation das mal aufgreifen.
Da wir jetzt lange schon vorangeschritten sind, zeitlich würde ich gerne nochmal
auf diese Sondervermögen kommen, an denen das ja sich irgendwie alles aufhängt
und an denen auch besonders deutlich diese Entdemokratisierung zu sehen ist.
Vielleicht kannst du das nochmal skizzieren, was sozusagen der,
du hast vorhin auch über den Kreativitätsbedarf, den Finanzierungs,
der Finanzierung gesprochen, was das für eine Situation ist und was eigentlich
die Konstruktion ist, erstmal bevor wir dann eben zu den politischen Folgen kommen.
Ja, okay.
Darf ich es trotzdem wagen, 30 Sekunden Kommentar zu Rom zu geben?
Also das Erste ist, nein, Rom war kein Steuerstaat und konnte die Zwangsabgaben,
die es erhebt, also wir können auch die Weihnachtsgeschichte,
es begab sich aber zu einer Zeit und so weiter, da wird ja behauptet,
die Familie Jesu muss nach Bethlehem gehen, um sich in Steuerlisten eintragen zu lassen.
Also das sind ja imperiale, koloniale Finanzierungsmuster, die wir da beobachten
und keine liberal-kapitalistisch integrierten.
Es kommt also immer darauf an, was wir mit Steuer bezeichnen und was wir mit
Steuerstaatlichkeit bezeichnen.
Aber ein darüber schwebendes, generelles, also schematisches Argument bleibt uns ja immer erhalten.
Und das habe ich an vielen Stellen ja heute schon angetriggert.
Es läuft einfach darauf hinaus zu fragen.
Ob die ökonomischen Leistungseliten und die politischen Führungseliten miteinander
verschmelzen und ihre Interessen gewissermaßen miteinander verschmelzen oder
ob man diese Eliten voneinander trennen kann,
indem man sagt, also die ökonomischen Leistungseliten sollen sich auf das konzentrieren,
was sie am besten können und die politischen Führungseliten am besten darauf, was sie können.
Aber wenn sich deren Interessensphären gewissermaßen so überschneiden,
dass wir zu oligarchischen und zu Erstarrungen in den Machtverteilungen und
in den Vermögensverteilungen betrachten,
Dann haben wir natürlich ein Problem, also ein klassisches Oligarchie-Problem
und das wiederum könnte man auf den Übergang von der römischen antiken Republik zum Imperium,
also sozusagen vom späten Cäsar zum jungen Augustus, perfekt anwenden und dazu
gibt es auch sehr, sehr gute althistorische Forschung.
Und in letzter Zeit immer mehr, weil sich auch die Geschichtswissenschaft angesichts
heutiger Finanzkrisen immer mehr für die Mechanismen der Repräsentation und
der ökonomischen materiellen Reproduktion von Herrschaft interessiert.
Also das alles als kleiner Nachtrag und jetzt zu den Sondervermögen.
Erster Punkt zu den Sondervermögen lassen wir uns von den gegenwärtigen Entwicklungen
vielleicht nicht zu sehr täuschen.
Es gibt sehr unterschiedliche Formen von Sondervermögen das heißt ja in erster
Linie einmal, dass wir es hier mit gesondert verwalteten Vermögens.
Volumina zu tun haben, die,
Aus guten Gründen normalerweise eingerichtet werden und gesondert verwaltet
werden, weil sie meinetwegen über viele Jahre geplant werden,
weil sie für langfristige Aufgaben gedacht sind.
Also nicht den kurzfristigen parlamentarischen Einjahresspielräumen eines Bundeshaushalts
oder sowas unterworfen werden sollen.
Weil es Vorsorgebedarfe sind,
also meinetwegen Ewigkeitslasten wie Atommüllendlagerung und so weiter.
Wollen wir nicht jedes Mal neu verhandeln, jedes Jahr irgendwie einer vielleicht
sogar dubiosen politischen Regierung anheimstellen oder sowas,
sondern da wollen wir langfristige Lösungen für.
Genauso für einige Altersvorsorgeabsicherungssysteme, für die wir längerfristige Lösungen brauchen.
Allerlei Entschädigungsfonds sind in Sondervermögen ausgegliedert,
also Entschädigungsfonds für NS-Zwangsarbeiter werden so gehandhabt.
Und jetzt könnte man viele andere noch nennen.
Ich habe mal den Bundeshaushaltsbericht des letzten Jahres mir angeschaut,
der das ja alles immer säuberlich auflisten muss.
Da kommt man auf ungefähr 30 oft noch laufende Sondervermögen der Bundesrepublik Deutschland.
Und das sind sehr unterschiedliche Töpfe. Das Sondervermögen Bundeswehr ist
eben nur eines davon. Also erst mal, es gibt unterschiedliche Sondervermögen
und die können alle irgendwie auch ihre gute Berechtigung und so weiter haben. Punkt.
Der zweite Punkt ist aber, der schon häufiger heute angesprochene,
dass mit Sondervermögen eben diese Routine der jährlichen Haushaltsverabschiedung gebrochen wird.
Man kann sozusagen vom elektoralen Willen,
sich politisch emanzipieren, indem man auch große bis größte Aufgaben außerhalb
der jährlichen Etats laufen lässt.
Und das bindet natürlich dann überjährig und es bindet vielleicht ja sogar spätere Regierungen.
Also man kann durch die heutige Einrichtung von Sondervermögen,
also teilweise exorbitanten Kreditaufnahmen und den darauf folgenden Sparzwängen
und dem Hang zu Austeritätspolitiken.
Spätere unliebsame, konkurrierende, also parteipolitisch konkurrierende Regierungen
schon mal zwingen, den eigenen Haushalt nur in bestimmten Richtungen zu konzipieren.
Ja, das ist ja auch ein Grund dafür, warum die FDP so rigide an der Schuldenbremse
im Grundgesetz festgehalten hat.
Also man kann mit den Sondervermögen sehr, sehr viel machen,
um sie aus dem parlamentarischen Routinebetrieb rauszunehmen und gleichsam politische
Konkurrenz zu dressieren.
Das finde ich eigentlich erstmal mit das Spannendste.
Und was wir, jetzt rede ich mal von Philipp, Manu und mir, die einen Artikel
darüber geschrieben haben.
Beobachten ist, dass das halt
zunehmend in den letzten Jahren zu einem Routineinstrument geworden ist.
Also in politisch besonders strittigen Fragen oder in Finanzierungsbelange Fragen,
die keine robusten Mehrheiten bekommen, die Finanzierung durch die Einrichtung
von Sondervermögen sicherzustellen,
die dann eben weder steuerfinanziert sind, noch durch den jährlichen parlamentarischen
Haushaltsgesetzgeber in besonderer Art und Weise kontrolliert werden können.
Mit einem Zusatz vielleicht noch, durch diese partielle Herausnahme aus dem
regulären Haushaltskreislauf des Bundes gibt es selbstverständlich auch weniger
öffentliche Aufmerksamkeit dafür.
Also wenn das in Ausschüssen verhandelt wird,
wenn Sondervermögen und die Bilanzierung von Sondervermögen im Anhang eines
jährlichen Haushaltsberichtes untergebracht werden,
könnt ihr eigentlich vergessen, dass es darüber gute,
ordentliche journalistische Berichterstattung gibt.
Es wird keine einzige Talkshow darüber geben.
Die dafür kompetenten Finanzpolitikerinnen und Finanzpolitiker verlassen nicht
zufällig seit Jahren die politischen Parteien.
Die politischen Parteien binden die in die Hierarchiestrukturen überhaupt nicht
mehr ein. Diese Leute haben keine Aussicht auf politische Karriere.
Also die Kompetenz verlässt das Parlament oder wandert in die Ausschüsse und ähnliches mehr.
Und da beobachten wir sehr, sehr viel an Umschichtung, eben an Transformation.
Und hier wird einfach Macht über die fiskalischen Belange des Staates verlagert.
Also einmal zur Exekutive, wie vorhin schon beschrieben, aber man kann jetzt
sagen, leider oder nicht, das will ich gar nicht bewerten, aber auch durchgeführt.
Zur Judikative, weil zunehmend jetzt die Verfassungsgerichte dafür zuständig
sind, die Legalität der Bundeshaushalte und der Nachtragshaushalte und der Sondervermögen zu überprüfen.
Und daraus resultieren gewaltige Risiken.
Eins haben wir heute schon benannt. Also durch die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 15.
November 2023 ist der Ampelregierung das Licht ausgeknipst worden.
Der letzte Haushalt des Bundeslandes Schleswig-Holstein ist gerade am Anfang
diesen Jahres, das ist untergegangen, weil es halt diese vorgezogenen Neuwahlen auf Bundesebene gab,
ist Anfang des Jahres für verfassungswidrig erklärt worden, weil Schleswig-Holstein
sich Sondervermögen für erfundene Ausnahmen genehmigt hatte.
Und das Verfassungsgericht in Schleswig-Holstein hat halt gesagt, nö, ist jetzt illegal.
Mit der Folge, dass die Ausnahmen schon getätigt wurden, aber die dafür aufgenommenen
Kredite gar nicht mehr legal sind.
Also die ausgegebenen Mittel jetzt aus einem regulären Haushalt ausgestattet
werden müssen, in denen sie nicht eingestellt sind. Diese Mittel sind schlichtweg nicht vorhanden.
Also man hat sich gewissermaßen versucht, außergewöhnliche Finanzierungsinstrumente
zu genehmigen, massenhafte Kredite außer der Reihe zu bekommen.
Und die schlagen jetzt als Defizite in die laufenden Haushalte rein und erzeugen
einen nochmal erhöhteren Sparzwang und nochmal limitiertere Möglichkeiten.
Überhaupt reguläre Staatsaufgaben auf normalem Wege zu finanzieren.
Also da entstehen riesige Probleme draus, die aber eben nur noch abnehmend für
die parlamentarisch Hauptzuständigen zu kontrollieren und zu beobachten sind.
Und wenn ich jetzt noch abschließend auf diesen Punkt der Öffentlichkeit zurückkommen darf...
Und dieser Unwille sowohl des journalistischen
Bereichs wie auch des parlamentarischen Expertisenbereichs,
sich in die Öffentlichkeit mit dieser Art von mehr oder minder komplizierten
Fragen der Staatsfinanzierung einzuspeisen, heißt natürlich auch,
dass es kaum Skandalisierungsmöglichkeiten gibt.
Und folglich für die Interessierten, die Missbrauchsspielräume,
diese exorbitanten Sondervermögen und anderes mehr zu gebrauchen,
also zu missbrauchen, wachsen.
Gestern Abend hat erst in einer politisch sogenannten politischen Talkshow einer
der routiniert zu Rate gezogenen Topökonomen, in dem Moment war es Clemens Fuß,
darauf hingewiesen, dass jetzt schon von den jüngst bewilligten Sondervermögen
der neuen Bundesregierung ganz erhebliche Teile zweckentfremdet werden.
Also die werden gar nicht für die eigentlich vorgesehenen Zwecke eingesetzt,
sondern für soziale Wohltätigkeit, für eine indirekte Umverteilung,
für eine Bedienung von Parteiklientelen und anderes mehr.
Und vor einem Jahr, ähnliches Beispiel, hat im Haushaltsausschuss des Deutschen
Bundestages ein geladener Sachverständiger.
Ich habe darauf hingewiesen, dass auch das Bundeswehr-Sondervermögen zu nicht
unerheblichen Teilen zweckentfremdet wird.
Also eigentlich ist es gedacht gewesen für die Wehrertüchtigung der Bundeswehr,
die man jetzt bewerten mag, wie auch immer man will.
De facto ist es aber eine versteckte Kriegsfinanzierung, die vielfach damit
probiert wird, weil vereinfacht gesagt,
hier in der Bundesrepublik gerade nicht gebrauchtes militärisches Material an
die Ukraine und andere abgegeben wird und dann hat man die Begründung sich selber
geschaffen, mit dem Bundeswehrsondervermögen neues Material anzuschaffen.
Aber das ist quasi schön, eine Modernisierung der Bundeswehr und so weiter,
aber de facto ist es eine verschleierte Kriegsfinanzierung,
an der man aktiv schon teilnimmt, die aber in der Öffentlichkeit so in der Form
überhaupt nicht thematisiert wird.
Schlicht, weil fiskalische Themen viel zu kompliziert wirken oder man eben auf
die schwäbische Hausfrau geht oder auf die Schulden von heute sind die Steuern
von morgen und so weiter.
Und das geht an wirklich demokratisch existenziellen und nicht zuletzt friedenspolitischen
Problemstellungen weit, weit vorbei.
Vielleicht nochmal zu Verständnis, weil du hast gemeint, dass auch die Haushaltspolitiker
die Parteien verlassen.
Also der Mechanismus ist so, und auch das hattest du, glaube ich,
ganz am Anfang des Gesprächs schon mal gesagt, dass eigentlich eher diese Notsituationen
herbeigeführt werden auf so eine Weise.
Das heißt, dass unter einem momentanen Eindruck, der jetzt auch nicht frei erfunden
ist natürlich, aber der sozusagen genutzt wird und im politischen System so eskaliert wird,
dass eben diese Entscheidungssituationen entstehen, wo dann entsprechende vorübergehende
Mehrheiten da sind, große Mengen Geld sozusagen zu akquirieren,
in dem Fall eben durch Schulden,
um damit dann natürlich zweckgebunden, Also vielleicht kannst du auch dazu noch
was sagen, immer sozusagen in der Begründung Zweck,
um auf genau diese Notsituation zu reagieren.
Aber eigentlich, dass sozusagen diese Zuspitzung unter dem Eindruck eben tatsächlich
nach aktuellen und auch realen Notsituationen eigentlich am Ende der Mechanismus nur ist,
dieses ganze Geld zu organisieren und das aber eben dann am Parlament vorbei,
sodass eben dieses ganze Geld da ist.
Natürlich auch die Zweckbindungen und die Absichten da sind.
Aber das dann eigentlich dazu führt, dass dann die Regierung und das vielleicht
nochmal deswegen die Frage, warum braucht man dann diese Haushaltspolitiker
und so weiter nicht mehr, weil das Geld sozusagen dann da ist und die Regierung
dann eigentlich damit machen kann,
was sie will, inklusive der, die hast du auch schon genannt,
Nebeneffekte, dass natürlich auch alle anderen, die an dieses Geld ran wollen,
versuchen irgendwie da einzusteigen und ihre Bedürftigkeit hin zu definieren
zu dem, was dort an Zweckabsichten formuliert wird.
Ja, in dem Fall ist es halt, glaube ich, erstmal wichtig, darauf hinzuweisen,
dass das, was ich als Umbau westlicher Staatsfinanzen glaube,
mit beobachten zu können mit vielen anderen,
nicht auf Deutschland beschränkt ist.
Aber einige dieser Probleme, die du gerade ansprichst, sind speziell bundesrepublikanische Probleme,
weil die 2009
im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse als eben maßgebliches Instrument einer
sehr rigiden Austeritätspolitik auf der einen Seite und der zunehmende Zugriff
zu Ausnahmen von dieser Schuldenbremse ja offensichtlich in einem Zusammenhang stehen.
Ja, man muss und das haben selbstverständlich, so rational sind wir doch alle.
Sämtliche politisch interessierten Akteure, Interessengruppen also mittlerweile
gemerkt, man muss es schaffen,
die eigenen Anliegen als absolute Ausnahmeanliegen zu kommunizieren,
hochzurechnen.
Also eine katastrophale Finanzierungslage auf möglichst viele Jahre hinaus so
zu berechnen, dass gewaltige Bedarfssummen entstehen und mathematisch mag das
ja dann auch alles stimmen.
Aber dass unter diesen Bedingungen die eigene katastrophale Finanzierungslage
so darzustellen, dass sie durch reguläre Haushalte überhaupt nicht bewältigt
werden könnte und so weiter,
dass das die Eintrittsbedingung dafür ist, um von der Bundespolitik überhaupt noch gehört zu werden.
Und das hat natürlich einen Ansteckungseffekt, einen Ketteneffekt.
Also wenn wir merken, nochmal wie anfangs über den Kollegen Florian Meinel zitiert, wenn wir merken,
dass alles, was als Infrastruktur etikettiert wird und dann gesagt wird,
das ist marode und wenn wir nicht über den Zeitraum der nächsten 20 Jahre x
Milliarden investieren, dann wird das alles viel schlimmer.
Wenn man erstmal merkt, dass das im einen Fall und im nächsten und dann nochmal
im nächsten erfolgreich war, werden alle Interessengruppen anfangen,
sich selber als Infrastrukturen zu etikettieren.
Und diese Art von Ansteckungseffekt, die ist erstmal in besonderer Art und Weise gemeint.
Und dafür hat die Politik selber ja die Anreize gesetzt, denn seit der Banken-
und Finanzkrise, seit 2007 und 2008, funktioniert die öffentliche Kommunikation nicht.
Immer stärker in diese Richtung. Und das scheint mir eine abschüssige Bahn zu
sein, in vielerlei Hinsicht.
Also wir können nicht alle davon aufrufen, aber ich will vielleicht auch mit
Blick auf die Zeit ein Thema mal aufrufen, das wir noch gar nicht so sehr hatten,
beziehungsweise nur indirekt einmal über die wie auch immer Reichen angesprochen hatten.
Die Rückseite der exorbitanten und immer reguläreren oder normaleren Aufnahme
von vermeintlichen Ausnahmeverschuldungspaketen ist doch der gleichsam erhöhte
Druck zur kompensatorischen Austeritätspolitik.
Also man kann das an Friedrich Merz festmachen, der als dann neu gewählter Bundeskanzler
sich dafür entschuldigt hat, dass er sich für das Zustandekommen der Koalition
jetzt irgendwie eine Billion über den Durst genehmigt hat.
Und dann sagt, das hat jetzt Folgen und die Folgen sind, dass,
Zitat Merz, die Zeiten des Paradieses, wo jeder Wunsch noch möglich war, vorbei sind.
Also man genehmigt sich ein riesiges Schuldenpaket und sagt,
genau deshalb ist es jetzt unmöglich, noch überhaupt was zu finanzieren.
Und welche Gruppen werden jetzt als erstes benannt, die den sogenannten Gürtel,
ich kritisiere nochmal die Metaphern indirekt damit, die den sogenannten Gürtel
enger schnallen sollen?
Also wir haben ab März diesen Jahres eine Gruppe.
Sozialschmarotzer-Rhetorik, also Antisozialschmarotzer-Rhetorik sofort wieder gehabt.
Also die Behauptung, hier lebten halt irgendwie insbesondere die unteren und
ausgebremsten Ränder der Gesellschaft völlig über ihre und unsere Verhältnisse
und würden alimentiert werden.
Und weil wir jetzt diese Sondervermögen aufgenommen haben und riesige Schulden,
oder ich weiß nicht, ob sie riesig sind, aber große Schuldenrisiken eingegangen
sind, müssten die da unten jetzt sparen.
Und Ähnliches werden wir in den Sozialhaushalten beobachten,
also den Sozialversicherungssystemen, die ich schon mal angesprochen habe.
Die laufen nämlich zunehmend, auch aufgrund eben besagter demografischer Überalterung,
nicht leer, aber die laufen zunehmend nicht mehr über ausreichende Beitragsfinanzierung,
der am Arbeitsmarkt Tätigen, sondern die laufen über Zuschüsse des Bundes,
also aus dem Steuerhaushalt.
Deshalb sind wir jetzt allmählich in eine Konstellation geraten,
dass tatsächlich der Bundeshaushaltsgesetzgeber Teilen der Sozialversicherungssysteme den Hahn zudrehen kann.
Also wir könnten tatsächlich halt mit Verweigerung von Bundeszuschüssen an die
Sozialversicherungssysteme, an die Rentenversicherungssysteme und so weiter arbeiten.
Ziemlich rigide Sparmaßnahmen auch im Sozialversicherungssektor durchsetzen,
der eigentlich ja gar nicht zu diesem Fiskalsektor gehört.
Und die Sparmaßnahmen werden dann nicht bei denjenigen, die privat wie auch
immer abgesichert und mehr oder minder vermögend sind, angesetzt,
sondern bei denjenigen,
die tatsächlich auf diese sozialen Umverteilungsleistungen des Staates und auf
die Alterserstattung ihrer eingezahlten Beiträge angewiesen sind.
Also diese Art von Sozialkomponente ist eine indirekte Begleiterscheinung der
Sondervermögen, sodass, lange Rede, kurzer Sinn, man eigentlich sagen kann,
man verschafft sich in manchmal vermeintlichen,
manchmal tatsächlichen Ausnahmesituationen, aber mittlerweile seriell kontinuierlich
riesige Schuldenpakete, auf deren Rückseite man sagt,
weil wir diese Verschuldungspakete jetzt haben, weil wir diese Risiken eingegangen
sind, müssten wir in den regulären Haushalten immer mehr sparen.
Und genau das sieht man auch.
Also diese Schuldenpakete führen nicht zu mehr fiskalischem Spielraum,
sondern sie führen zu sehr viel weniger fiskalischem Spielraum.
Sie führen zu einer weiteren Abnahme des Sozialniveaus und des sozialen Sicherungsniveaus.
In der Bundesrepublik Deutschland und dass das, das wäre ein Argument vor allem
von Philipp Mano nochmal.
Dass das auch irgendwann populistische Blüten treibt, sollte doch eigentlich
nicht verwundern, wenn man versucht sowas wie eine politische Ökonomie des Populismus
mal zu wagen, wie es Philipp Mano ja gemacht hat.
Also zu schauen, welche Klientel wählen denn eigentlich aus welchen Gründen
links und welche rechtspopulistisch.
Und dann kann man halt oft sehen, naja, das sind halt schon Leute,
die merken, dass ihre, wie auch immer,
legitimen privaten und oder politischen Anliegen von der großen Politik nicht
mehr gehört werden oder auf die Antwort stoßen, das können wir alles nicht finanzieren.
Und wenn man merkt, dass dann politische Wahlergebnisse eigentlich in der faktischen
Regierungspolitik keinen Unterschied mehr machen.
Dann ist das Niveau von Fiskaldemokratie, um mal Wolfgang Streeck zu zitieren,
von fiskalischer Demokratie eigentlich auf so ein Minimum gesunken,
dass man merkt, es ist egal wen ich wähle,
ökonomisch kann ich meine Interessen sowieso nicht mehr durchsetzen.
Und das sind durchaus Effekte von Sondervermögen, die wir nicht nur langfristig
beobachten und irgendwie fürchten sollten, sondern die wir aktuell immer krasser beobachten.
Dann kommen wir mit Blick auf die Zeit dann wirklich langsam zum Ende.
Du hast schon angedeutet oder nicht nur angedeutet, sondern konkret gesagt,
dass durch diese Herauslösung aus dem normalen Haushalt die politische Debatte
auch zurückgefahren wird.
Also sie wird sozusagen in dem Moment, glaube ich, in dem Entscheidungsmoment
ganz unzweifelhaft hochgefahren, aber sobald eben das Ganze kodifiziert ist
und aus dem normalen Haushalt und aus den Haushaltsdebatten damit herausgelöst ist,
bestehen gar keine Anlässe mehr, sozusagen darüber auch politisch zu diskutieren.
Auch deswegen, weil ja nicht mehr darüber entschieden werden kann.
Ja, genau so. Danke. Das ist die perfekte Kurzfassung. Ich rede zu lange,
aber das ist sehr, sehr gut auf den Punkt gebracht.
Das freut mich. Wo mir das auch nochmal besonders bewusst geworden ist, ist,
da ich natürlich am Rande doch noch ein bisschen auch die politische Kritik
des BSW verfolge und interessanterweise eben diese systemischen Probleme, die du beschreibst.
Also es kommt die politische Kritik im Wesentlichen natürlich aus dieser Partei
an der Aufrüstung, aber diese systemische Kritik, die kann gar nicht formuliert
werden auf so eine Weise.
Also da muss ich dann sozusagen erst deine Sachen lesen, die natürlich in der
breiten politischen Debatte dann nicht auftauchen.
Deswegen vielleicht die, im besten Fall vielleicht die letzte Frage,
ich will Leo aber auch nicht das Wort abschneiden, falls doch noch was kommt,
aber vielleicht die letzte Frage,
was hat das denn mit der, also was macht das denn mit der Debatte und vielleicht
verbunden, ich verbinde jetzt noch zwei Fragen, die ich auf dem Zettel habe,
welche Rolle spielt dann da die Politikwissenschaft?
Also auch da hatte ich den Eindruck und vielleicht muss man da auch Ideengeschichtler
sein wie du, um dann so bestimmte abstrakte und auch mit einer guten Kenntnis
von Klassikern der politischen Theorie und so weiter bestimmte Zusammenhänge zu sehen.
Also die kurze Frage, wie kommen sozusagen bestimmte Zusammenhänge?
Dieser langfristigen strukturellen Entwicklungen, die wir beschrieben haben
und ja auch wirklich mit enormen Konsequenzen, was eben das politische Gemeinwesen
angeht. Wie kommen die in die Debatte?
Ist sie vielleicht auch in der Debatte? Und das ist dann sozusagen eher nur,
weil wir keine Spezialisten sind und das wissen.
Also seid ihr auch Einzelkämpfer? So, jetzt habe ich ganz viele Einzelfragen
gestellt und du pickst dir wieder raus, was du am besten beantworten kannst.
Okay, danke. Ich muss eine Rückfrage stellen.
Also eine Bitte erstmal, lass uns mal beide Themen voneinander versuchsweise trennen.
Und die Rückfrage ist zum BSW.
Ich habe die Frage, glaube ich, nicht richtig verstanden. Vielleicht magst du
da nochmal anders rangehen.
Nee, das war nur ein Beispiel, dass ich den Eindruck hatte, dass die politische
Kritik an dem, was jetzt eben zum Beispiel mit so einem Sondervermögen passiert,
eben in dem Fall die Aufrüstung, dass die aber nicht auf die systemische Ebene
gehen kann und deswegen natürlich auch so ein bisschen,
ich sage es ganz einfach sinnlos ist, weil natürlich das BSW keine Mehrheiten
haben wird, um da überhaupt was an diesen Ausgaben zu ändern.
Also das heißt, dieser Mechanismus, den wir ja besprochen haben.
Dass damit hohe Ausgaben über viele Jahre sozusagen aus dem Haushalt genommen
werden, aus dem regulären Haushalt,
da wird natürlich auch politische Kritik eigentlich nutzlos sozusagen.
Man kann sich darüber aufregen, aber man kann nichts daran ändern.
Und das ist mir dann nur aufgefallen, dass das natürlich auch dazu führt,
dass diese systemischen Fragen, die wir jetzt eben besprochen haben,
die ja dann eigentlich das politische Problem sind, dass sie für eine politische
Kritik in dem Fall von einer Partei ja gar nicht, dass sie kein Gegenstand sind
sozusagen der politischen Auseinandersetzung.
Und damit eigentlich, also darauf, deswegen habe ich noch das Beispiel gebracht,
weil mir das aufgefallen ist,
dass ich aus der politischen Debatte noch nie diese Kritik gehört habe,
wie du sie formulierst, aber sie ist natürlich auch so groß vielleicht,
dass sie überhaupt gar nicht ein sinnvoller Gegenstand von parteipolitischer
Auseinandersetzung ist.
Also vielleicht kannst du das nochmal erläutern, warum es vielleicht so ist.
Also das ist die ganz einfache Frage, warum man darüber nicht diskutiert.
Ja, okay, vielen Dank. Jetzt verstehe ich das besser.
Also der erste Punkt ist natürlich eine völlige Zustimmung. Das sage ich jetzt
aber nicht in der Rolle als Politikwissenschaftler, höchstens als politologischer
Mitbeobachter dieser Debatten.
Aber ich habe auch sehr, sehr stark den Eindruck, der natürlich auch etwas frustrierend
für das ist, was ich wissenschaftlich mache,
dass es nahezu unmöglich ist, selbst einfachste finanzverfassungspolitische
Zusammenhänge irgendwie in der Öffentlichkeit zu debattieren.
Es ist ausgeschlossen.
Gelegentlich gibt es da mal so ein paar Ansätze, könnte ich jetzt natürlich
ein paar aufrufen, aber irgendwie im Großen und Ganzen verbleibt das weit unterhalb
dieser Verfassungsebene,
denn um die zu thematisieren, müsste man sich doch schon ein bisschen stärker
eigentlich mit demokratietheoretischen Grundzügen und der Architektur der Bundesrepublik Deutschland,
überhaupt der politischen Ökonomie westlicher Staatsfinanzierungssysteme und so weiter auskennen.
Und das ist nicht nur in der Politikwissenschaft nicht sonderlich populär,
sondern in der Öffentlichkeit schon mal gar nicht.
Das hat aber, wie ich hoffe an einigen Beispielen verdeutlicht zu haben,
das hat gar nicht so sehr mit der Komplexität der Materie zu tun. denn, ähm,
Eine Reihe von finanzverfassungspolitischen Fragen, wirtschaftssystemischen
Fragen und so weiter lässt sich durchaus ganz einfach darstellen,
ließe sich auch gut diskutieren. Es gibt Leute, die können das irgendwie sehr
perfekt. Ich zähle mich jetzt nicht zwingend zu denen.
Aber man merkt ja schon gewissermaßen, dass die Scheu, die viele Menschen vor
steuerpolitischen Themen haben,
viel größer ist als die Scheu vor finanzverfassungspolitischen Fragen,
die im Normalfall viel einfacher sind.
Ich glaube, der Grund, warum das keine...
Große Rolle jedenfalls in der bundesrepublikanischen Debatte spielt,
hat schlichtweg damit zu tun, ich hatte das nebenbei schon mal angedeutet,
dass sich diese enorm, also in der Öffentlichkeit, in den politischen Eliten,
in den wirtschaftlichen Eliten etc.
Enorm westdeutsch und altbundesrepublikanisch fundierte Gesellschaft immer noch
sehr darin gefällt, sich in den Routinen der alten Bonner Bundesrepublik.
Und unter der Perspektive eines zumal in Nachkriegszeiten der über 30 Jahre
heißlaufenden Wirtschaftswachstums mit gewaltigen ökonomischen Umverteilungsspielräumen,
bei denen es sozusagen gar nicht das Risiko war,
dass es zur Ausbildung ökonomischer Eliten, die dann auch sehr stark Einfluss
auf die politische, auf die Bundespolitik nehmen, dass es zu diesem Risiko gar
nicht so sehr kommen konnte,
permanenter Anstieg von Wohlstandsniveaus und so weiter.
Unter diesen Bedingungen war die Thematisierung der Finanzverfassung der Bundesrepublik
eigentlich unnötig und folglich haben sich Spezialdiskurse dazu auch ausschließlich
in den rechtswissenschaftlichen Kreisen etabliert und wurden dort verhandelt.
Und erst als es zum langsamen Einbruch dieser Art von Logiken kam,
haben auch diese Themenbereiche hier und da in die breiteren Sozialwissenschaften Einzug gehalten.
Also so Klassikernamen wie Klaus Offe wäre zu nennen, ja, so ein ökonomischer
Vor- und Mitdenker von Jürgen Habermas, Ulrich K.
Preuß und als Nachzügler dann sehr berühmt geworden, ja, vor wenigen Jahren
nochmal Wolfgang Streeck mit Thüringen.
Mit seinem Buch Gekaufte Zeit, der ja sozusagen versucht, an diese alten älteren
Klassiker der politischen Theorie der Finanzierungsmittel der Bundesrepublik anzuknöpfen.
Also da gibt es so ein paar Ausnahmen, heute eben Philipp Mano und andere,
die das sehr gut begreifen.
Aber in die Öffentlichkeit diese Diskurse zu tragen, scheitert schon daran,
dass es nicht genug Leute gibt, die das vermitteln.
Und man hat sich eben daran gewöhnt, sprudelnde Steuereinnahmen,
permanentes Wirtschaftswachstum und so weiter und deshalb werden in der Öffentlichkeit
diese Art von Verteilungspolitik und ihre Krisenanzeichen,
Austeritätspolitik und so weiter immer noch im Modus der alten Verteilungspolitik
über Steuereinnahmen und die Stabilisierung der Sozialversicherungssysteme thematisiert.
Und man sieht dann gar nicht, wie man eigentlich in handfeste strukturelle Verfassungskrisen reinrennt.
Und so weit würde ich schon gehen, zu sagen, dass dieses System allmählich kollabiert.
Aber man kann es überhaupt nicht beobachten.
Es lässt sich öffentlich nicht darstellen. Und in der Parteipolitik,
um diese Frage noch indirekt mit zu beantworten, spielt das Ganze schon mal
gar keine Rolle mehr, sondern da herrscht eigentlich blanke Panik angesichts
der Frage, wo bekommen wir Einnahmen überhaupt noch her,
um die uns wählende Klientel entsprechend zu befriedigen oder sogar ruhig zu stellen.
Und da greift man dann eben zu experimentellen Übergangslösungen,
sieht aber nicht, was die für strukturelle Effekte für die Demokratie und die
Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland haben.
Soweit vielleicht zu dem Thema?
Jetzt noch kurz zur Politikwissenschaft, wenn ihr mögt.
Unter den beschriebenen Vorzeichen habe ich zwar den Eindruck,
dass es ganz fantastische Forscherinnen und Forscher auch und sogar in der Bundesrepublik
zu diesen Themen gibt, dass die aber entweder zum einen Teil in Spezialdiskurse abdriften,
die lieber international vergleichen,
also das ist dann speziell die politische Ökonomie, die sehr international makroökonomisch
vergleichend aufgestellt ist und deshalb im Normalfall unwillig ist,
in so Feinheiten einzutauchen, die aber für Verfassungsordnungen außerordentlich wichtig sind.
Also beispielsweise die Unterscheidung zwischen Solidarversicherungsbeiträgen,
Gebühren und Steuern zu leisten.
Das wird dann alles unter so einem globalisierten International Tax Begriff
zusammengefasst, damit man es makroökonomisch vergleichbar machen kann.
Und dass dahinter Herrschaftsmechanismen stehen und Herrschaftskreisläufe stehen,
die sehr unterschiedlich legitimiert und unterschiedlich mächtig sind,
das wird dann im Normalfall nicht gesehen.
Also diese Spezialdiskurse sind durchaus ein Problem.
Und das andere Problem ist die andere Seite sozusagen dieses Versuchs,
unsere Themen, die wir heute angesprochen haben, öffentlich und wissenschaftlich
zu etablieren und zu diskutieren.
Und das ist die Notwendigkeit, das interdisziplinär zu machen.
Und da muss man in Deutschland einfach sehr schlicht sagen, es gibt eine Reihe
von ganz, ganz wunderbaren jüngeren Kollegen und Kollegen, die interdisziplinär
hochgradig interessiert,
hochgradig fit sind, aber die werden im Normalfall nur äußerst schwergängig
miteinander finanziert.
Die sind nicht abgesichert, die müssen gucken, wo sie halt bleiben,
weil wir durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, ihr kennt das akademische
System in Deutschland, gewissermaßen mit 40 vor der Entscheidung stehen.
Entweder wir fliegen aus dem System und sind überqualifiziert oder wir haben
es halt geschafft und müssen uns dann auf einer ergatterten Professur 20 Jahre erholen.
Und dann ist der Impuls, interdisziplinär noch effektiv zusammenzuwirken,
auch irgendwie so ein bisschen verpufft. Also es gibt zu wenig Leute.
Die mit großer auch Drittmittelmacht diese Themen so etablieren,
dass sie irgendwann dann auch öffentlich mal thematisierbar werden,
jedenfalls in dem gebotenen Zeitraum.
Denn, wie gesagt, einige, nicht nur einige, da gibt es mittlerweile eine ganz
große Reihe von Leuten und ein paar in dem Sammelband, den ihr vorhin anspracht,
diesem Schwerpunktheft von Aaron Saar, Eva Weiler und mir über politische Theorien
öffentlicher Finanzen sind auch so ein paar Leute davon versammelt.
Die sind aber sozusagen zu prekär, zu jung,
als das absehbar ist, dass sie in den nächsten zwei, drei Jahren zusammen halt
ausreichend wissenschaftliche und öffentliche Einflussmöglichkeiten gewinnen könnten,
um ihre tollen Perspektiven miteinander interdisziplinär einzubinden.
Also das scheint mir ein großes Problem zu sein. Und dann ein letzter Punkt
und wenn ihr wollt, hakt ihr nochmal
nach, wenn nicht, nehmen wir noch ein anderes Thema oder wie ihr mögt.
Ein letzter Punkt ist, ich sage das mal so ganz autobiografisch, wenn ich darf.
Ich bin in einem sozialistischen Staat geboren worden und auch früh sozialisiert
worden und habe sozusagen eine frühe Prägung politisch, ökonomisch etc.
Eigentlich dadurch erhalten, dass ich davon ausgehe und beobachte,
ein Staat funktioniert eigentlich grundsätzlich erstmal gar nicht.
Die Ökonomie funktioniert nicht, die politischen Autoritäten funktionieren nicht
oder machen sich lächerlich, sind verlogen und so weiter.
Also für mich ist sozusagen diese Beobachtung eines Failed State erstmal das
autobiografisch Normale.
Wenn ich mich aber in Deutschakademia umschaue, dann haben wir einen unfassbar
geringen Anteil von Leuten,
die in Failed States sozialisiert wurden und eigene autobiografische Kompetenz mitbringen.
Sondern weit, weit, weit über 90 Prozent der etablierten und der prekären Kolleginnen
und Kollegen kommen aus westdeutschen Akademikerinnenhaushalten mindestens zweiter Generation.
Und die haben einen ganz anderen Blick auf die Bundesrepublik,
auf einen saturierten Wohlfahrtsstaat,
dass sie aus meiner Sicht vielen fiskalischen Krisenerscheinungen unserer Gegenwart
mit so einer gewissen Hilflosigkeit und manchmal Panik gegenüberstehen,
weil sie sich wenig anderes vorstellen können als den Traum einer Wiederherstellung
der alten Bundesrepublik.
Aber da würde ich halt sagen, die ist vorbei. Lasst uns nach vorne denken, Leute.
Aber das geht halt nicht, wenn ich irgendwie darauf schaue, ob mein Erbe halt
irgendwie in den nächsten 10, 20 Jahren stabil bleibt und meine schwäbische
Wohlstandswelt irgendwie wieder so wird, wie sie wahrscheinlich nie war,
aber wie ich das aus meiner Kindheit erinnere.
Dann würde ich doch gerne noch als letzte Frage darum bitten,
dass wir kurz noch in die Zukunft schauen.
Also idealerweise, ich weiß, du bist sehr darauf bedacht, deine Rolle als Wissenschaftler
von jemandem zu trennen, der politische Handlungsempfehlungen gibt.
Aber wenn du sozusagen aus deiner Perspektive und deinen sozusagen politiktheoretischen
und demokratietheoretischen Einsichten heraus Empfehlungen formulieren müsstest,
wie man dann mit der Steuerverfassung weiter verfahren müsste,
wie man sie reformieren müsste, was würdest du dann sagen?
Also mir scheint vieles, viele der Probleme hängen natürlich jetzt auch durchaus
noch an der Schuldenbremse.
Wenn die jetzt nicht da wäre, dann wäre natürlich auch zumindest ein Grund für
die Sondervermögen auch ein bisschen abgemildert möglicherweise.
Aber darüber hinaus hast du ja natürlich viele andere Aspekte im Blick.
Vielleicht können wir das zur letzten Frage machen, jetzt doch dieser relativ langen Sendung.
Ja, vielen Dank. Ich habe gerade auch auf die Uhr geschaut, habe gesehen,
wie lange das schon läuft. Also vielen Dank, dass ihr so lange Geduld mit mir habt.
Das finde ich ganz toll, ist nicht selbstverständlich.
Dann wagen wir doch ein paar potenzielle Ausblicke, die manchmal auch Rückblicke sind.
Ich mache drei Punkte, die alle auf unterschiedlichen Ebenen liegen.
Ein ganz praktischer Punkt, Schuldenbremse.
Ich persönlich habe sicherlich ein paar Haltungen zur Schuldenbremse,
aber wie du schon angedeutet hast,
würde ich mich dazu politisch nicht einlassen wollen, sondern mich auf eine
möglichst neutralisierend analytische Position zurückziehen.
Aber ich habe zur Schuldenbremse eben zwei Beobachtungen, die überhaupt nicht
außergewöhnlich sind, sondern die wahrscheinlich viele teilen.
Ihr hattet ja anfangs auch angedeutet, ihr hattet die Philippa Siegel-Glöckner
zu Gast. Das war ein ganz tolles Gespräch auch.
Ich halte die Schuldenbremse, wenn man sie denn unbedingt will,
für hemmungslos fehlkonstruiert.
Und hier ranzugehen wäre eigentlich notwendig.
Ich sage jetzt nicht, um sie abzuschaffen oder sonst was, sondern reden wir
erstmal sehr viel allgemeiner, ohne das zu präzisieren, von einer Reform der Schuldenbremse.
Ich hielte auch das für notwendig und da bin ich ja weiß Gott nicht allein,
aber ich sehe überhaupt nicht, dass es für so etwas politische Mehrheiten gibt
und das ist eben auch ein Punkt, den ich von dem vorhin schon mehrfach benannten
Philipp Manow mitnehme,
dass wir in eine Konstellation prekärer Mehrheitsbildungen in der Bundesrepublik
Deutschland unter Bedingungen eines zunehmend fragmentierten Parteiensystems reingerutscht sind,
wo es nicht mehr darum gehen kann,
produktiv auf gemeinsame Projekte zu schauen, sondern sich eigentlich nur noch
wechselseitige Sperrminoritäten versuchen,
die Handlungsspielräume zu minimieren.
Ja, also wir haben es mit der Konstellation zu tun, dass wir,
deshalb noch mal zur Verfassungsordnung, dass wir es mit Verfassungsrecht und
Verfassungstext zu tun haben.
Das heißt, wir kommen mit einfachen Mehrheiten da nicht ran.
Wir brauchen zwei Drittel Mehrheiten.
Und diese zwei Drittel Mehrheiten, die gibt es schlichtweg nicht.
Aber das heißt auch, dass.
Ein Drittel der Parlamentszusammensetzung darüber entscheiden darf in diesen
Fragen, was für alle anderen gelten soll.
Und unter diesen Bedingungen sehe ich gewissermaßen Reformen auf Verfassungsebene,
gleichwohl ich sie für dringend nötig halte, für unrealistisch an.
Das ist sozusagen der politische Teil.
Jetzt kommt der intellektuell-historische Teil, wenn ihr so wollt,
aber den führe ich gar nicht aus.
Ich sage nur einfach das, was ich eingangs schon angedeutet habe,
mit einem erweiterten Verständnis von Finanzverfassung würde ich immer dazu
raten, doch an einige große und klassische gesellschaftstheoretische Ansätze ranzugehen.
Man muss ja nicht mit Aristoteles anfangen, man muss nicht zu Thomas Hobbes gehen,
man muss meinetwegen nicht mal zu Habermas gehen, aber es wäre gut,
sich gelegentlich mal anzuschauen, was so komplette gesellschaftspolitische
Staats- und Staatsfinanztheorien eigentlich über die Zusammenhänge zwischen
Herrschaftsverfassung,
demokratischer Organisation dieser Herrschaftsverfassung und der materiellen
Produktion und Reproduktion dieser Herrschaftsverfassung zu sagen haben.
Und dann würden wir, das ist jedenfalls meine Hoffnung und das ist auch mein
akademisches Alltagsgeschäft, wenn ihr so wollt.
Dann würden wir sehen, dass diese ganzen Themen, die wir heute aufgerufen haben,
innere systemische Zusammenhänge haben und nicht einfach getrennt voneinander
expertokratisch debattiert werden können.
Und beispielsweise in Situationen münden, Entschuldigung, dass ich da einmal
dann doch denkere, dass im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages letztes Jahr ein,
wieder mal ein ständig zu Rate gezogener Top-Ökonom saß, der wirklich pikiert
mit Ekel im Gesicht dem Parlamentsausschuss sagte, er müsse jetzt wohl Verfassungsrecht zur Kenntnis nehmen.
Also als wenn Verfassung sozusagen und Grundgesetz und Grundrechte und so weiter
für Ökonomen einfach irrelevant sind.
Diese Art von hyper-expertokratischer Selbstermächtigung, Ich würde schon fast
bei einigen von Größenwahn, jedenfalls von Selbstgerechtigkeit sprechen.
Davon müssen wir weg. Wir müssen anfangen interdisziplinär zu denken und die
enormen Detailkompetenzen, die wir haben,
so zusammenzufügen, dass wir sehen, dass es nicht beliebig ist,
was im Grundrechtskatalog auf der Ebene der Grundrechte steht,
was in der Finanzverfassung steht und was in den demokratischen Staatsorganisations-
und den föderalen Staatsorganisationsteilen steht, sondern dass die alle perfekt
ineinander verschränkt sind und dass es aber nicht angeht,
wenn wir die Interpretationshoheit darüber einzig und allein den Verfassungsgerichten überlassen,
denn dann kann auch ordentlich was schief gehen.
Das ist keine starke Kritik und vor allem kein demokratischer Zweifel an der
Integrität des Bundesverfassungsgerichts, das will ich damit gar nicht zum Ausdruck
bringen, also bitte nicht missverstehen, sondern das ist die Beobachtung.
Dass Karlsruhe immer nur reaktive Politik betreiben kann, aber die machen Verfassungspolitik.
Und wenn wir das nicht begreifen, dann lassen wir uns gewissermaßen nicht vom Grundgesetz,
sondern vom vorrangigen Grundgesetz Interpreten, nämlich Karlsruhe,
potenziell auch die fiskalischen Hände binden.
Und daran hätte ich ein großes Interesse, dass das langsam aufhört und entsprechend
durch den Ausbau stärker vergleichender Kompetenz abgemildert wird.
Und dann vielleicht ein ganz letzter praktischer, also dritter und letzter praktischer Punkt.
Was würde ich mir von möglichst realistischen, ich will gar nicht utopisch werden,
von möglichst realistischen Reform einer tatsächlichen,
also verfassungstextlichen Finanzverfassung der Bundesrepublik wünschen?
Mindestens das mehrfach genannte, dass sie versucht,
die demokratischen Reproduktionszirkel und die sozialen Sicherheitsnetze dieses
Landes von der absoluten Fixierung auf immerzu sprudelndes und alternativloses
Wirtschaftswachstum zu entkoppeln.
Denn aus dieser Ära, die wohlgemerkt nochmal eine Entwicklung der Nachkriegszeit
ist und keine historische Universalie,
aus dieser Ära bewegen wir uns
doch langsam, aber in sehr großen und immer krisenhafteren Schritten raus.
Und für dieses Problem, das immer größer wird, brauchen wir Antworten und rechtzeitige
Anpassungen der Finanzverfassung, anstatt in diesem Panikmodus zu verbleiben,
der nur zu größeren Problemen führt und nicht zu kleineren.
Das nehmen wir als Schlusswort. Vielen Dank. Das war mal wieder eine sehr intensive
Sendung, auf die wir vielleicht zurückkommen.
Ich sage es auch nochmal und du hast ihn auch schon genannt,
den Leviathan-Sonderband zu politischen Theorien öffentlicher Finanzen,
zusammen herausgegeben mit Aaron Saar und Eva Weiler.
Ich glaube, das sind auch ganz viele von den Punkten und auch dieser kleinen
Scientific Community oder wachsenden Scientific Community, die du genannt hast, vertreten.
Das ist, glaube ich, ein ganz guter Einstiegspunkt zum Nachlesen.
Das war die 104. Folge. Wir danken immer auch fürs Teilen natürlich,
sowohl online als auch offline in den Medien.
Und ansonsten hören wir uns bei der nächsten Folge von Das Neue Berlin. Macht's gut. Tschüss.
Tschüss.
Ganz herzlichen Dank von meiner Seite. Alles Gute. Tschüss.