Muster einer neuen Gesellschaft – Mit Silke Helfrich über die Philosophie der Commons

Ob in der Wikipedia, kollektiven Produktionsgemeinschaften oder sogar in den oft so gescholtenen sozialen Medien: Überall sprießen derzeit neue kollektive Formen. Wie sie zu verstehen sind und wie aus ihnen eine neue Gesellschaft wachsen kann, ist derzeit ein höchst interessantes intellektuelles Projekt. Eine der Ansätze wird unter dem Begriff der Commons diskutiert. Unser Gast Silke Helfrich hat zusammen mit David Bollier zuletzt einen ambitionierten gesellschaftlichen Entwurf zum Thema vorgelegt.

Wir versuchen zu verstehen, was die Commons ausmacht. Zunächst müssen wir unser Denken umstellen. Commons zu sehen bedeutet, so Helfrich, Muster zu identifizieren, nicht Prinzipien. Dabei geht es ihr nicht um eine geschlossene Gesellschaftstheorie, sondern um Formen gelingender Praxis. Commoning ist gemeinsames Handeln, das sich an Bezogenheit, Bedürfnisbefriedigung und gleichheitlicher Selbstbestimmung orientiert. Indem die Qualität der sozialen Beziehungen ins Zentrum gerückt wird, erscheinen liebgewonnene Einrichtungen in kritischem Licht: Lohnarbeit, Privateigentum, Warenkonsum, staatliche Repräsentation.

Dabei bemühen wir uns, die Leistungen der funktional differenzierten und technisierten Moderne nicht zu unterschlagen. Können Technologie und Organisationen, die wir zum Leben brauchen, überhaupt in Commons reintegriert werden? Einen „one best way“, das lernen wir dabei nachhaltig, wird es nicht geben. Commons ist Stückwerk, das sich auf gesellschaftliche Komplexität einlässt, anstatt sie zu negieren.

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Ein Kommentar

  1. In einer Gesellschaft, von der niemand alles weiß, sondern immer nur etwas, das der Perspektive eines Faches entspringt oder den Praktiken einer Branche oder dem Geschäftskonzept eines Konzerns oder den programmatischen Grundsätzen einer Partei oder den Vorschriften einer Behörde, ein Gesellschaft also, in der niemand weiß, wo es lang geht, weil jeder woanders lang geht, fällt es sehr leicht, aus allem eine Spezialperspektive zu machen, z.B. auch eine, die etwas darüber mitteilt, was alle etwas angeht — Wenn es Experten (das sind Fachleute, die nur wenig wissen) für alles gibt, dann auch Experten, die etwas darüber wissen, was allen gehört oder gehören sollte, auch dann, wenn fast alle davon nichts wissen wollen oder können. Der Experte ist dann nicht bekümmert, sondern verbreitet ein Fachwissen, beschreibt ein Menschenbild, berichtet von einer fachlichen Empirie, vermittelt Grundsätze und Grundlagen, kommt mit Begriffen, Konzepten, Theorien, Tatsachen, mit Vorschlägen, mit Ideen und mit der Aufforderung all das gut zu finden. Der Experte macht also Werbung für eine Perspektive, sein Fach, sein Spezialwissen, seine Ausnahmebetrachtung und sucht überall Gelegenheiten, um gute Ideen als gute Ideen anzubringen: in Seminaren, Workshops, Schulungen, Tagungen, Interviews — überall findet der Fachmann eine Möglichkeit, seine Fachperspektive allen zu empfehlen, schreibt Bücher, für die dann auch wieder Werbung gemacht wird. Der Fachmann macht Werbung für sich und seine Sache. (Die Feministin als Experte für ihr Fach würde all dem nur hinzufügen: „… und die Fachfrau!“ — Womit sie Werbung für ihre Betrachtungsweise macht, die jeder akzeptieren sollte.)

    Werbung machen, um gute Ideen als gute Ideen bekannt zu machen, ist eine probate Strategie, weil man nicht weiß, was man sonst machen soll, wenn man überall schlimme Dinge sieht, die wirklich schlimm sind. Also macht man das, was alle machen: Werbung.

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